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„Eins in die Presse"
Von Hans-Dieter Hey



günter zintImmer kämpfte Günter Zint mit seinen durch und durch politischen Fotografien gegen den Mainstream, gegen bestimmte Modeerscheinungen und gegen „Revolver- Journalismus". Schnell machte er die Grenzen seines Handelns aus: „Wer Zeitungen, überhaupt Medien in der Hand hat, hat die Macht zu entscheiden, was veröffentlicht wird. Wenn jemand nicht konform geht, wird er mit Schadensersatzklagen oder Urheberrechtsprozessen und Rufmord ausgeschaltet."

Nach wie vor scheint die aufklärerische politische Fotografie in unserem Land nicht erwünscht, wenn man daran denkt, wie mit Fotografinnen und Fotografen beispielsweise in Rostock und Heiligendamm umgegangen wurde. Hat man sich aber einmal zur kritischen Berichterstattung oder Fotoreportage bekannt, liegt man mit demt aufrechten Gang zwangsläufig quer zum Mainstream.

Jörg Boström, Professor für Fotografie in Bielefeld, hat sich sehr mit Günter Zint beschäftigt. In dessen Buch „Leichte Schläge ..." von 1986 sagte er über ihn: „Er liegt immer quer, auch zur Fotoszene. Um den politischen 'Querkopf' kümmert sich immer wieder die Polizei. Wann endlich kann in diesem Land ein Bildjournalist frei arbeiten ... Welche Ordnung wird damit aufrecht erhalten?".

 Nachfolgend nun die Rede Günter Wallraffs, eines guten Freundes von Günter Zint, zu dessen Ausstellungseröffnung in Bonn im April 2007. Die Ausstellung ist noch bis Anfang 2008 zu sehen.


 „WILDE ZEITEN“

Von Günter Wallraff


Günter Zint ist nicht nur einer meiner zuverlässigsten Freunde, sondern auch einer der „letzten Menschen", die ich kenne. Er ist trotz seiner Professionalität und seines fotografischen Könnens nicht nur Augenzeuge der Vorgänge, sondern meist auch Betroffener. Nur scheinbar agiert er als Beobachter und Reporter, fast immer ist er Teil des Geschehens. Er fotografierte noch den auf ihn niedersausenden Gummiknüppel. Angriffen stellt er seine Kamera entgegen. Bevor Zint fotografiert, sich auf die Technik seiner Ausrüstung verlässt, nimmt er selbst am politischen Geschehen teil, ob das nun in einer Kinderladen-, Stadtteil- oder Mieterinitiative ist oder wenn er sein Engagement im Kampf der Atomkraftgegner durch seine Arbeit dokumentiert.


Er riskierte auch die Konsequenz, dass er von einem großen Magazin (
Spiegel) auf die Straße gesetzt wurde, weil er bei den 68er-Studentendemonstrationen nicht nur abfotografierte sondern gleich mitdemonstrierte. Der Verlagsdirektor konfrontierte ihn daraufhin mit Recherchen des Verfassungsschutzes („Gründe für Ihre Entlassung sehen wir nur in Ihrer Person und nicht in der Qualität Ihrer Fotos."), und entließ ihn aus einem festen Vertragsverhältnis.

In dieser Zeit, als es Zint wirtschaftlich noch gut ging - er war der bestbezahlte Fotograf bei diesem Magazin -, nutzte er seinen Status und Standard, um politische Gruppen organisatorisch, aber auch finanziell zu unterstützen. So stellte er seinen Zweitwagen einer Organisation zur Verfügung, die Gl's, die nicht am Vietnamkrieg teilnehmen wollten, die Flucht nach Schweden ermöglichte.

Durch Teilnahme am Geschehen bringt Günter Zint andere Fotos in die Redaktionen als seine Kollegen, die ihre Professionalität darin sehen, immer den coolen Überblick zu behalten. Diese teilnehmende Beobachtung nimmt seinen Fotos den voyeuristischen Aspekt, was besonders bei seinen „Kiez-Fotos" auffällt. Mit allen dargestellten Personen im Buch „Die weiße Taube flog für immer davon" hat Günter Zint noch heute freundschaftliche Kontakte. Ich selbst habe während meiner Zeit in Hamburg einen Teil dieser Leute kennengelernt. Diese Menschen sind Opfer, aber nicht Zints Opfer. Domenica, Ruth, Dieter, Myriam, Heidi sind Opfer einer Gesellschaft, die sich ihrer schämt, von der sie ausgeschlossen wurden.


Wenn nun die Revolverblätter eben dieser Gesellschaft vorführen wollen, wie anständig und nett sie doch im Gegensatz zu diesem „Abschaum" ist, schicken sie ihre Fotografen auf den „Kiez", um Jagd auf diese Ausgestoßenen zu machen. Günter Zint hat sich an dieser Jagd nie beteiligt, obwohl dies für seine wirtschaftliche Situation eine Lösung gewesen wäre. Es spricht für Zint, dass diese Boulevardblätter mit seinen Fotos in den wenigsten Fällen etwas anzufangen wissen. Er zeigt Ausbeutung, Elend, Verzweiflung und Prostitution auf St. Pauli so, dass diese Fotos Voyeuren keinerlei Lustgewinn bieten können, und er zeigt das Menschliche, wo immer es ihm möglich ist. Günter Zint arbeitet in den meisten Fällen ohne Auftrag, und er braucht keinen Auftrag, um sich zu engagieren. Manchmal habe ich den Eindruck, dass er den Prozess des Älterwerdens nicht bemerkt und ihm dabei entgeht, dass er immer weniger Möglichkeiten hat, bei den sogenannten „etablierten" Medien zu veröffentlichen. Seine Fotos sind breit veröffentlicht, doch meist durch Bürgerinitiativpublikationen, Stadt-Zeitungen, idealistisch zusammengestellte Dokumentationen und auf Flugblättern. Kostendeckende Honorare springen dabei allzu selten heraus.

Von wirtschaftlich potenten Zeitungen bekommt er zur Zeit kaum noch Aufträge, was wohl daran liegt, dass er mit seinen Fotos die Reklame einer immer schamloseren und sich selbst feiernden Scheinwelt Lügen straft. In einer fernen Zeit, die wir wohl nicht erleben werden, wird das alles, was er heute dokumentiert und mit erschreckender Deutlichkeit fixiert, als Kunstdokument vergangener Zeiten an die Unterdrückungen und Ausbeutungen dieser Epoche erinnern. Aber erst wenn das, was heute in Wackersdorf, Gorleben, Brokdorf, Duisburg, Passau, Hoyerswerda, Solingen, Rostock-Lichtenhagen und Mölln geschah und geschieht, nur noch dunkle Flecken in unserer Geschichte sein werden, erst dann werden solche Fotos wie Kunstwerke in Museen zu besichtigen sein.

Eins in die Presse
Der Fotograf Günter Zint
Ein Film von Axel Engstfeld, 1989
Länge ca. 43 Minuten

Produktionsleitung: Jutta Wilke
Produktion und Copyright: Hengstfeldfilm, Köln

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung durch Axel Engstfeld und Günter Zint

Der Film kann für 14,95 Euro während der Ausstellung im Museumsladen im Deutschen Museum in Bonn gekauft oder plus Porto bezogen werden bei:

Panfoto
27442 Fahrendorf

(Näheres unter: www.panfoto.de)



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Online-Flyer Nr. 103  vom 01. Mai 2024



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