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Aktueller Online-Flyer vom 12. Mai 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Anspruch auf Gegenöffentlichkeit
34 Jahre UZ-Pressefest
Von Hans-Dieter Hey

Von den Mainstream-Medien regelmäßig ignoriert, fand am Wochenende im Dortmunder Revierpark wieder das größte Fest der linken und alternativen Medien in Deutschland mit internationaler Beteiligung statt. Gleichzeitig wurde die „junge Welt" 60 Jahre und die „Neue Rheinische Zeitung" gab ihren 100. Flyer heraus. Das UZ-Pressefest ist – gestern wie heute – wichtiger Meinungsaustausch und Gegenöffentlichkeit zu den öffentlich inszenierten Pressebällen – mit intellektuellem Anspruch.

Vom Verfassungsschutz beobachtet

Das UZ-Pressefest wurde im Jahre 1973 durch die DKP und ihr Organ „Unsere Zeit" gegründet und findet seitdem alle zwei Jahre statt. Es reihte sich damit in die Tradition westeuropäischer Länder ein, die vorher längst Vergleichbares zu bieten hatten. Nicht immer war es für die Veranstalter einfach, ihre Pressefeste im öffentlichen Raum durchzuführen. So z.B. im Jahre 1975, als die Stadt Düsseldorf die Nutzung der Rheinwiesen nicht genehmigen wollte und dies erst mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht durchgesetzt werden konnte. Die Pressefeste – regelmäßig in friedlich-ausgelassener Stimmung – wurden über Jahre in den Verfassungsschutzberichten unter „Extreme Linke" eingestuft, wenngleich die interessierten Leserinnen und Leser dort nie Spektakuläres finden konnten.


Verfassungsschutz: Neugierig und immer dabei

Nicht im Verfassungsschutzbericht taucht dagegen der „Bundespresseball" auf, der von der Bundespressekonferenz veranstaltet wird. Auf ihm trifft sich am 23. November im Berliner Intercontinental der von Bundesregierung und Bundestag auserwählte journalistische Mainstream und mit ihm 2.500 Chefredakteure, Medienunternehmer, Intendanten und Wirtschaftskapitäne. Bundestag, Bundesrat und Länderregierungen sind hochkarätig vertreten. Und wie es immer so ist, wird man sich die Hand reichen, sich duzen, Türen öffnen, Seilschaften besorgen. Personen werden herumgereicht, durchgereicht, empfohlen. Ähnlich wie dies bereits am 15. Januar auf dem "Berliner Presseball" lief, der vom Deutschen Journalisten Verband (DJV) im Hotel Ritz Carlton am Potsdamer Platz ausgerichtet wurde und diesen finanziell fast in den Ruin trieb. Bei ausgelassener Stimmung und der entsprechenden Musik „I will survive“ gab man sich zuversichtlich.


Soziale Kunstobjekte: Symbolische Steine gegen Abbau von Rechten

Pressebälle gab es bereits vor 160 Jahren, zu einer Zeit also, als die „Neue Rheinische Zeitung" gerade verboten wurde. Heute wie damals möchte man eben lieber unter Gleichen bleiben, da stört Kritik nur. Wichtige Voraussetzung dafür, dass man den Diskurs bestimmen und als geheiligte gültige Meinung veröffentlichen kann, worin man sich eben einig ist. Der Rest wird ausgeschlossen und bisweilen kriminalisiert. In Deutschland bezeichnen wir das gemeinhin als Pressefreiheit. Doch nicht immer kommen alle zum Fest. In diesem Jahr vermisste der Berliner Tagesspiegel auf dem örtlichen Presseball zwei wichtige öffentliche Persönlichkeiten: Kanzlerin Angela Merkel und Dolly Buster.


Suche nach Antworten zu drängenden Zeitfragen

Fragen, die sonst nicht gestellt werden

Auf dem diesjährigen UZ-Pressefest wurden beide sicher nicht vermisst, denn es ging um wichtige Zeitfragen. Der Chefredakteur von „Unsere Zeit", Wolfgang Teubner, unterstrich, es sollten „Fragen aufgeworfen werden, die sonst nicht gestellt werden". Zu diesen Fragen zählte beispielsweise, wie es nach Heiligendamm weiter gehen soll, wie Alternativen zur deutschen Kriegspolitik oder gegen den anhaltenden Sozial- und Demokratieabbau geschaffen werden können. Diskutiert wurden sowohl die Gefahren durch die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, das Hartz IV-Desaster, Rechtsradikalismus oder der wachsende Einfluss der Wirtschaft auf die Pädagogik in den Schulen.

Zensur wie zu Heines Zeiten

Aus aktuellem Anlass belebte der Kölner Dr. Werner Rügemer, Philosoph, Schriftsteller, NRhZ-Autor und Vorsitzender von „Business Crime Controll" zusammen mit Dieter Klemm in einer szenischen Lesung Heinrich Heines „Lutetia" neu. Der Text wurde von 1840 bis 1843 in der Augsburger „Allgemeine Zeitung" 
vom Verlag zu Heines Ärger häufig stark redigiert und gekürzt unter dem Titel: „Lutecia. Berichte über Politik, Kunst und Volksleben" veröffentlicht und brachten ihm viel Ärger ein. Karl Marx verteidigte ihn seinerzeit mit seiner „Neuen Rheinischen Zeitung" und half ihm aus der Patsche. Inhaltlich ging es wie heute um die Gier der Aktionäre, die Selbstbereicherung der Eliten und die Armut. Heine: „Armut in Gesellschaft des Lasters und des Verbrechens schleicht erst des Abends aus ihren Schlupfwinkeln. Sie scheut das Tageslicht umso ängstlicher, je grauenhafter ihr Elend kontrastiert mit dem Übermute des Reichtums, der überall hervorprunkt." Und damals ging es noch um die in den Hinterzimmern beginnende Revolution. Heinrich Heine, der eigentlich Harry Heine hieß, kam ursprünglich aus Düsseldorf, war Kommunist und Freund von Karl Marx und Friedrich Engels.



Lesen Lutetia von „Harry" Heine: D. Klemm und W. Rügemer (v.l.n.r.)

Er war nicht nur einer unserer großen Dichter, sondern auch ein engagierter Journalist. Sogar für Marcel Reich-Ranicki ist Heine der „bedeutendste Journalist unter den Dichtern". Schon zu Heines aufregenden Zeiten wurde der Kampf zwischen unabhängigen Reportern, „Gesinnungsjournalisten" und Zeitungszensur heftig ausgetragen. Und wenn Werner Rügemer heute wieder von Zensur spricht, meint er seine aktuellen Erfahrungen mit seinem Buch „Der Bankier. Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim". Gute zwei Duzend Gerichtsverfahren haben ihm, seinem Verlag, dem Vorwortverfasser und der „Neuen Rheinischen Zeitung" die Kölner Bank Oppenheim und deren Berliner Kanzlei Scherz Bergmann eingebracht
weitgehend wegen Nichtigkeiten. Es sei eine robuste Methode, der Kritik das Maul dadurch zu stopfen, dass man die Kritiker „einschüchtert, nervt und zeitlich wie finanziell belastet", so Rügemer. Inzwischen musste die vierte Auflage erscheinen.


Rock gegen Rechts: Sticky Fingers als Rolling Stones
Fotos: H.-D. Hey, arbeiterfotografie.com

Das Pressefest hatte zahlreiche Höhepunkte für die rund 50.000 Besuche zu bieten. Trotz des zeitweise strömenden Regens wurden die kulturellen Angebote begeistert wahrgenommen. Darunter zählten Auftritte der Kölner Gruppe Brings, Sticky Fingers, Konstantin Wecker mit Pippo Polina sowie Gilad Atzmon & The Orient House Ensemble. (HDH)


Online-Flyer Nr. 101  vom 26.06.2007

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