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Lokales
Proteste gegen die geplante Bäderschließung in Köln erfolgreich
Rat lenkt im Bäderstreit ein
Von Christian Heinrici

Der Stadtbezirk Köln-Nippes hat rund 109.000 Einwohner, und das sind mehr als in Koblenz oder in Bergisch Gladbach. Bis vor kurzem war die Stadt Köln der Meinung, diese Menschen bräuchten kein Schwimmbad. Die Kölnbäder GmbH wollte das Nippeser Schwimmbad und zwei weitere im Stadtgebiet schließen, um dann die freigewordenen Gelder in teure Spaßbäder zu investieren, die außerhalb des Bezirks auf der Wellness-Welle reiten. Nur massive Proteste der Bürger und der Linksfraktion im Kölner Rat konnten das Vorhaben vorerst verhindern. 

So hatten Bürger in Rodenkirchen in kürzester Zeit schon mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt, und am 11. Mai trafen sich etwa 100 Demonstranten zu einer Kundgebung vor dem Nippeser Bezirksrathaus. Denn die Pläne der Stadt ließen Schlimmes befürchten:

„Die Bäder GmbH will die Bäder in Nippes, Weiden und Rodenkirchen schließen, das Freibad in Fühlingen wird gar nicht mehr aufmachen... SPD und GRÜNE wollen alle drei Bäder schließen, CDU und FDP wollen lediglich Rodenkirchen erhalten. Die Argumente, die die Bäderschließer nennen, sind: Es würde Ersatz geschaffen, die Nippeser könnten das neu gebaute Kombibad in der Lentstraße ab 2010 benutzen... Es würden keine Nachteile entstehen. Aber Sie alle wissen: Das ist totaler Unsinn!“ kritisierte Claus Ludwig, für „Gemeinsam gegen Sozialraub“ im Kölner Stadtrat, auf der Kundgebung. 

 

Nippes muss bleiben – das Schwimmbad auch!
Nippes muss bleiben – das Schwimmbad auch!
Foto: Christian Heinrici

Ratspolitik nach Luftlinien

Für besondere Erheiterung auf der Kundgebung vor dem Nippeser Rathaus hatten die mehr als realitätsfernen Überlegungen einiger Ratspolitiker gesorgt, wie schnell man wohl aus den von den Schließungen betroffenen Standorten die Ersatzbäder erreichen könne. In acht Minuten könne man vom Nippesbad aus in Chorweiler sein. Offenbar war keiner der Rechenkünstler je mit der KVB gefahren. Im Sportausschuss hatte Bettina Tull, Ratsmitglied der GRÜNEN, gar gemeint, das Schulschwimmen von Rodenkirchen könne problemlos nach Porz-Zündorf verlegt werden. Dazwischen läge zwar der Rhein, aber so weit – reine Luftlinie – sei das doch gar nicht entfernt.

Aber nicht nur die „Luftlinienberechnungen“ der Kölner Ratspolitiker hatten auf der Kundgebung für Unmut gesorgt: Die Tatsache, dass in absehbarer Zeit drei beliebte Kölner Bäder geschlossen werden sollten, gleichzeitig aber andere, wie das in Köln-Höhenberg für 7,9 Mio. Euro zu einem Spaß- und Wellness-Bad ausgebaut wurden, stieß bei den Teilnehmern der Kundgebung auf Unverständnis.

Seit 2003 stand das Nippesbad nur noch Vereinen und Schulen offen, konnte aber weiterhin im Durchschnitt 100.000 Besucher pro Jahr verbuchen. Das liegt an dem vor allem für viele Senioren attraktiven Angebot des „Gesundheitsschwimmens“. Für einen relativ geringen Beitrag können dort Wassergymnastik und andere gesundheitsfördernde Programme in Anspruch genommen werden.


Schwimmer aller Generationen vereinigt euch!
Schwimmer aller Generationen vereinigt euch!
Foto: Christian Heinrici

„Wir wollen keine Situation, in der am Ende die mobileren, wohlhabenderen Leute zu ihren chicen Kombi- und Spaßbädern fahren, aber die einfachen Leute im Veedel in ihren langsam verrottenden Bädern planschen, solange es diese denn noch gibt! Öffentliche Bäder waren nie dazu gedacht, Geld zu machen, Gewinne zu bringen oder auch nur kostendeckend zu arbeiten... Sie sind Teil der sozialen, der sportlichen Infrastruktur, wie das Gesundheitswesen, wie Schulen und Kindergärten, wie der öffentliche Nahverkehr, so etwas kann keine Profite bringen!“, so das Mitglied der LINKS-Fraktion Ludwig. Dabei werden die Kölner Bäder im Vergleich gar nicht so hoch bezuschusst: Während ein Ticket für ein FC-Spiel mit knapp 12 Euro subventioniert wird, erhalten die Kölner Bäder nur 5,29 Euro pro Eintrittskarte – der Bundesdurchschnitt liegt bei 9 Euro.

Kölsch kreative Lösungen

Bereits heute kann jedes dritte Kind in Köln unter 14 Jahren nicht schwimmen. Was an sich schon ein Skandal ist, wäre durch eine neuerliche Schließungswelle der stadteigenen Schwimmbäder nur noch verschärft worden. Noch im Dezember 2005 hieß es im Geschäftsbericht der Kölnbäder GmbH: „Entgegen dem bundesweiten Trend, angesichts angespannter kommunaler Haushalte Bäder zu schließen, werden in Köln kreative Lösungen gesucht. So hat die Kölnbäder GmbH bisher besucherschwache Bäder nicht geschlossen, sondern in Gruppen- und Teilgruppenbäder umgewandelt, um sie für eine Wiederverwendung offen zu halten und ein flächendeckendes Schul- und Vereinsangebot zu sichern.“

Ob die Verantwortlichen in der Stadt dann noch einmal in diesem Geschäftsbericht nachgelesen haben, sei dahingestellt. Auf jeden Fall setzten sie die Schwimmbadschließungen auf Druck der Bevölkerung hin zunächst einmal aus. Zusätzliche Vorraussetzung für den Sinneswandel bei SPD und GRÜNEN allerdings war eine neue, sozusagen noch kreativere Lösung, bei der die Bäder durch die Nutzer selbst verwaltet und als sogenannte Bürgerbäder (siehe NRhZ 94) weiter geführt werden. Somit käme die Stadt verhältnismäßig billig davon, da sie ausschließlich die Sanierungskosten und einen jährlichen Verlustausgleich zahlte.
 
„Wir sind hier, wir sind laut...

...weil man uns das Schwimmbad klaut!“, skandierte eine Gruppe Senioren, bevor sie nach der Kundgebung über die Neusser Straße zogen. „Wir brauchen ein Bad, in dem wir uns wohl fühlen können, in dem wir etwas für unsere Gesundheit tun können. Und wenn ich Spaß haben will, kann ich ins Agrippabad fahren, das ist gar kein Problem. Aber es müssen nicht überall Spaßbäder entstehen. Und die sind eben auch teurer. Es gibt Familien, die das nicht bezahlen können – und das gilt auch für viele Rentner...“, so brachte eine Teilnehmerin die Stimmung auf der Kundgebung auf den Punkt. „Wir werden auf jeden Fall weiterkämpfen!“, sagte eine andere Seniorin.


Protestzug über die Neusser Straße
Protestzug über die Neusser Straße
Foto: Christian Heinrici 

Nach dem Einlenken der Stadt Köln könnten sich die Schließungsgegner eine kleine Protestpause gönnen. Doch nicht zu lange, denn schon öfter hat sich in Köln gezeigt, dass sich die Bürger auf vollmundige Versprechungen der Politiker nicht immer verlassen können. So äußert sich Jörg Detjen, Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE im Kölner Rat: „Wichtig war für uns die Unterstützung und der Protest der Kölnerinnen und Kölner gegen die Schließung aller drei Bäder. Den brauchen wir auch in einem Jahr, wenn die Diskussion über den Masterplan erneut beginnt.“

Offensichtlicht lohnt es sich, ab und zu einmal laut zu werden, wie der breite Zusammenschluss aus Lokalpolitikern, Schulkindern, Senioren und anderen engagierten Bürgern bewies. Wichtig wird es sein, dass auch in Zukunft den Bäderaktivisten nicht die Puste ausgeht – aber Schwimmer haben ja bekanntlich einen langen Atem.


Online-Flyer Nr. 95  vom 16.05.2007

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