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Kultur und Wissen
Ausstellung über 12 Jahre Afrika-Forschung der Kölner Universität
"Im Schatten der Akazie"
Von Marilena Thanassoula

Akazien sind barmherzige Bäume. Sie werfen ihren Schatten in Landschaften, die von der Sonne gezeichnet sind, in Wüsten und aride Gebiete. Gleichzeitig steht das Akronym ACACIA [1] für den 1995 gestarteten Sonderforschungsbereich "Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika" der Universität Köln. Heute – 12 Jahre später – zeigt das Rautenstrauch-Joest-Museum, wie aktuell die Grundgedanken des Projekts sind: Klimawandel, Kampf um Naturressourcen, Globalisierung und ihr Einfluss auf lokale Wirtschaftssysteme und vieles mehr war Thema der Forscher und wird in der Ausstellung vielfältig dokumentiert.

Keine Filmkulisse, sondern Forschungswerkzeug
Keine Filmkulisse, sondern Forschungswerkzeug
Foto:  Marc Seifert


Ungewöhnlicher Anblick vor dem imposanten Gebäude des Rautenstrauch-Joest Museums für Völkerkunde: ein riesiger Geländewagen, mit GPS, Riesenrädern, wie aus den Indiana-Jones Filmen – ungewöhnlich ist, dass das Auto so sauber und ungebraucht herum steht, in der ebenso ungewöhnlich strahlenden Aprilsonne Kölns. Der Wagen ist keine Filmkulisse, sondern ein wertvolles Werkzeug für Forschung in schwer zugänglichen Gebieten.

Ausstellung und Besucher
Bis rauf ins Treppenhaus – Besucher der ACACIA-Eröffnung
Foto:  Marilena Thanassoula


Die letzte Eröffnungsfeier des Museums im alten Gebäude am Ubierring ist gut besucht, und Direktor Professor Dr. Schneider ist sichtlich gerührt, hier noch einmal eine Ausstellung eröffnen zu können. In seiner Begrüßungsrede unterstreicht er die Aktualität des vor zwölf Jahren begonnenen Forschungsprojekts: „Wie sehr die hier behandelte Thematik die aktuelle Diskussion um den Klimawandel weltweit betrifft, zeigt das Interesse des Wüstensekretariats der Vereinten Nationen, das seinen Vertreter Dr. Makubu nach Köln geschickt hat, um den inhaltlichen Zielen der Ausstellung Nachdruck zu verleihen."

Ausstellung und Besucher
Auf engstem Raum: Ausstellung und Besucher

Von 1995 bis 2007 haben mehr als 140 Wissenschaftler an ACACIA, einem interdisziplinären Forschungsprojekt in Ägypten, im Sudan, Tschad, Libyen, aber auch im südlichen Afrika, in Namibia, Botswana, Angola und der in Republik Südafrika teilgenommen. Die Ergebnisse der 12jährigen Arbeit machen die Universität zu Köln stolz, vor allem weil viele junge Wissenschaftler davon profitiert haben: „Fünf Habilitationen, 50 Dissertationen, 70 Magister und Diplome, da können wir sehr stolz sein, dass das Projekt wirklich Forschungs- und Lehrstandort unserer Universität ist", sagt Professsorin Dr. Barbara Dauner-Lieb.

Das Projekt wird u.a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell unterstützt. Dr. Petri von der DFG informiert die Besucher darüber, dass die DFG jedes Jahr mehr als 1,5 Milliarden Euro in Grundlagenforschung investiere und betont: „Dieses Geld, das von uns allen stammt, macht eine Verpflichtung besonders groß, nicht nur Rechenschaft darüber abzulegen, welcher wissenschaftliche Output aus Projekten entstanden ist, sondern auch die Öffentlichkeit über die Inhalte dieser Forschung zu informieren und sie an den Ergebnissen teilhaben und davon profitieren zu lassen."

Acacia-Professoren
Acacia-Professoren Barbara Dauner-Lieb und Michael Bollig
Fotos:  Marilena Thanassoula


Genau dies ist das Ziel der Ausstellung im Völkerkundemuseum: dem Besucher Geschichte, Kultur und Leben in trockenen Gebieten näher zu bringen, aber auch den Alltag und die Ziele und Ergebnisse der Forscher, die Hand in Hand mit der Bevölkerung vor Ort die Geheimnisse der Wüsten und Savannen erkunden.

„Die trockenen Gebiete der Erde werden noch trockener", informiert Dr. Emmanuel T. Makubu, stellvertretend für die UN. „Afrika wird durch die Folgen des Klimawandels am härtesten betroffen sein", erklärt Professor Dr. Bollig, Direktor des Instituts für Völkerkunde in Köln und Sprecher von ACACIA. Er bietet den Besuchern eine inhaltliche Zusammenfassung der Ausstellung, betont aber auch, wie undifferenziert die westlichen Medien über die „afrikanische Apokalypse" berichten. Vor allem fehle dort jeder Hinweis darauf, dass die Menschen höchst innovativ mit diesen immensen Herausforderungen umgehen.

In der ersten Sektion der Ausstellung werden die Methoden der Wissenschaftler präsentiert. Wie sieht die Feldforschung aus? Ein Lager, ein Moskitonetz, Fotos aus archäologischen Grabungen und Notitzbücher lassen den Besucher die mühsame Arbeit der Forscher erahnen: „Lesen im Geschichtsbuch des Windes". Aber auch die letzte Errungenschaft der Technologie ist präsent: Satellitenfotos, auf denen die Wüstenwerdung – Desertifikation – deutlich zu sehen ist.

In der zweiten Sektion kommen wir dem Alltag in der Wüste nahe: „Nur wer teilt, wird überleben", wissen die älteren Jäger in Namibia. Die Forscher teilen auch, um zu verstehen: Sehr wichtig, wenn man Fragen stellt, ist, wie die befragte Person selbst das Problem sieht.

In der dritten Sektion werden Landschaften rekonstruiert. Wie sah die Sahara vor 8.000 Jahren aus? Doch eine kleine Besucherin interessierte sich mehr für den gusseisernen Topf aus Namibia und fragte: „Mama, haben die keine Mikrowelle?". Die Frage des Kindes impliziert die großen Unterschiede des Alltags in Köln und in der Kalahari, doch sollte man Kulturvergleiche vermeiden, wie die nächste Sektion der Ausstellung beweist: Der Sand ist nicht nur ein Klimaarchiv, sondern auch Zeuge der unterschiedlichsten Kulturen und Völker. Landschaften werden mit Erinnerungen und Erzählungen verbunden, sie werden somit Teil der kulturellen Identität.

Wüsten und Savannen sind aber auch Schauplätze für Konflikte und Kriege: „Achtung, verminte Landschaft", steht auf einer Wand. Vergangenheit und Gegenwart hinterlassen blutige Spuren. „Knochentrocken, aber heiß begehrt" heißt es in dieser Sektion. „Zäune wurden errichtet, und wir durften nicht mehr dorthin gehen, wo wir gewesen sind" sagte Gert Dornroch, ein namibischer Opa, mit Pfeife fotographiert, 1930 geboren. Die Forscher beweisen, dass sie tatsächlich teilen können: Die Ergebnisse einer ethnologischen Forschung und die Aussage einer Ethnologin vor Gericht hatten den ehemaligen Bewohnern des „Richtervelds" – einem Gebiet in Namibia – die Landbesitzrechte, die sie 1920 verloren, zurückgebracht, denn dort waren damals Diamanten gefunden worden.

Eine weitere Sektion dokumentiert heutige Katastrophen in den ariden Gebieten: Ägyptische Schriften sind nicht mehr lesbar, weil jemand darauf eine nackte Gestalt gekritzelt hat. Weltberühmte Fundstellen prähistorischer Kunst dienen als Mülldeponien, aber auch die Errichtung von Schutzgebieten ist nicht konfliktfrei.

So bietet die Ausstellung dem Besucher eine Vielfalt außergewöhnlicher Informationen auf viel zu kleinem Raum. „Zu eng", war ein häufiger Kommentar, doch auch dies hat einen Grund: Die Ausstellung wird wandern, nicht nur nach Berlin und in andere europäische Städte, sondern sie wird auch in Afrika gezeigt werden, zunächst im Sudan und in Namibia. Deshalb muss sie in einen Container passen.

Damit Besucher die Vielfalt der Informationen besser bewältigen zu können, bieten die Veranstalter themenspezifische Führungen an. Ein vielseitiges Rahmenprogramm und ein „Wüstensonntag" im Rautenstrauch-Joest Museum greifen weitere Aspekte des Themas auf. Vergangenheit und Gegenwart, Geschichte und Alltag, Forschung und Politik, Überlebensstrategien und Kunst inspirieren den Besucher, wenn er „im Schatten der Akazie" weilt.


[1] Das Akronym ACACIA bedeutet vollständig:
Arid
Climate
Adoptation and
Cultural
Innovation in
Africa

Mehr Informationen über den Sonderforschungsbereich Acacia unter http://www.uni-koeln.de/sfb389



Online-Flyer Nr. 92  vom 25.04.2007

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