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Kultur und Wissen
„Eichmann. NSDAP Parteinummer 889 895. SS-Nummer 45 326.“
Theaterinstallation im Kölner EL-DE-Haus
Von Peter Kleinert

Adolf Eichmann, geboren 1906 in Solingen, war direkt verantwortlich für die Deportation von mehr als zwei Millionen Juden nach Auschwitz und in andere Todeslager. Er errichtete Zentralstellen für „jüdische Auswanderung“ in Wien, Prag und Berlin, um die „Auswanderung“ zu beschleunigen. Nach Kriegsende setzte sich Eichmann über Italien nach Argentinien ab. Erst 1960 wurde er dort vom israelischen Geheimdienst festgenommen, ein Jahr später fand in Jerusalem der Prozess gegen ihn statt. Am 1. Juni wurde er hingerichtet.

Adolf Eichmann
Adolf Eichmann - „zuständig für Judenangelegenheiten“
Foto: NRhZ-Archiv


Mit einer Theaterinszenierung im NS-Dokumentationszentrum setzen sich Künstler der „raum13 Theater Fraktion Köln“ mit dem Mythos Adolf Eichmann kritisch auseinander. Mit ihrem Projekt wollen sie das Risiko aufzeigen, welches eingegangen wird, wenn man Eichmann als schlichtweg böse bezeichnet und somit eine schützende Distanz zu diesem Täter aufbaut.

Mit seiner Familie – der Vater war Buchhalter – zog Otto Adolf Eichmann 1914 von Solingen nach Linz, wo er nach missglücktem Realschul- und Ausbildungsabschluss als Arbeiter, Verkäufer und schließlich als Vertreter einer Tochterfirma von Standard Oil arbeitete. Bereits 1927 trat er dem deutsch-österreichischen Frontkämpferbund bei, 1932 der österreichischen NSDAP, wurde in Dachau bei der SS ausgebildet und schließlich im Juni 1935 im „Sicherheitsdienst“ (SD) der SS in das neu geschaffene Referat II 112 versetzt, in dem er – am Ende als SS-Obersturmbannführer – für „Judenangelegenheiten“ zuständig war.

Mit ihrer Theaterinstallation wollen die Künstler zeigen, dass Eichmann zwar „ein fanatischer Nationalsozialist, aber nicht von Anfang an ein Massenmörder war“. In der Ankündigung ihrer Theaterinszenierung heißt es: „Die Entwicklung seiner Persönlichkeit war eng an die historischen und sozialen Gegebenheiten des Dritten Reichs geknüpft. In seine Rolle als 'Manager des Todes' wuchs er langsam hinein, dabei verfolgte er mit großem Ehrgeiz seine eigene Karriere. Das Bild des Schreibtischtäters, der mit Zahlen und Statistiken jongliert und seinen Job so gut wie möglich erledigen will, findet sich auch in unserem heutigen Arbeits- und Leistungsverständnis wieder. Die Disposition zum Massenmörder ist niemandem in die Wiege gelegt. Die Inszenierung legt den Fokus auf die vielen kleinen Rahmenverschiebungen, die zu einem solchen Ergebnis führen.“

Szene aus der Installation
Szene aus der Theaterinstallation im EL-DE-Haus
Foto: Philipp Niederlag


Den Rahmen für die multimediale Installation, in der die Eichmann-Figur – dargestellt von Heinrich Baumgartner – agiert, bilden die Räume des EL-DE Hauses, der ehemaligen Kölner Gestapozentrale am Appellhofplatz in der Innenstadt. Gestützt auf das ihnen zur Verfügung stehende biographische Material wollen die Künstler dem Zuschauer „anhand der Täterfigur die gesellschaftlichen sukzessiven Rahmenverschiebungen und die Anpassungsfähigkeit des Menschen an diese Bedingungen“ sichtbar machen. Ihr Ziel: „Dadurch soll das Bewusstsein jedes Einzelnen einerseits für gesellschaftliche Entwicklungen, andererseits für die persönliche Verantwortung an diesen Entwicklungen sensibilisiert werden.“

Ihre Theaterinstallation haben die Künstler – außer dem Eichmann-Darsteller Heinrich Baumgartner sind dies Anja Kolacek (Einrichtung und Text),  Marc Leßle (Raum), Karin Richert (Fotos), Teresa Tober (Kostüme) – über mehrere Wochen in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum entwickelt. Die Eichmann-Uraufführung soll der Auftakt für weitere Inszenierungen der „raum13 Theater Fraktion Köln“ sein, in denen man gesellschaftliche Gegebenheiten fokussieren und kritisch beleuchten will – Grundstein für ein politisch-philosophisches Theater.

Zitat aus dem Profil von „raum13“: „Wir wollen gesellschaftliche Prozesse unter die Lupe nehmen und kritisch beleuchten. Die Bühne bildet einen geschützten Rahmen und ist vielleicht der einzige Ort, an dem immer wieder Dinge geschehen, die im 'wahren Leben' Gefängnis oder Tod zur Folge hätten. Theater lebt vom Experiment, Undenkbares zu denken, nicht Machbares zu machen und Unsichtbares sichtbar zu machen.“

Den Kern von  „raum13“ bilden dessen Gründer Anja Kolacek und Marc Leßle. Für eigene Projekte, die beide als „raum13“ entwickeln, laden sie, je nach Konzeption, weitere Künstler ein. Anja Kolacek studierte Bühnentanz und Tanzpädagogik. Es folgten Engagements am Volkstheater Rostock und am Theater der Stadt Heidelberg als Solotänzerin. 1997 debütierte sie als Choreografin/Regisseurin mit „Cloud 9“ am Theater der Stadt Heidelberg. Weitere Choreografien/Inszenierungen entstanden in Heidelberg, Berlin und Köln. Seit 2003 ist sie Leiterin des Jugendclubs an den Bühnen der Stadt Köln. Marc Leßle arbeitete seit 1989 für verschiedene Theater und Festivals als Beleuchter und Lichtgestalter, organisierte Konzerte, Lesungen, Kleinkunst und Ausstellungen und entwickelte Rauminstallationen. Seit 2000 arbeitet er frei als Bühnenbildner, Lichtgestalter, Beleuchtungsmeister und Beleuchter in Bayreuth, Baden-Baden, Heidelberg, Berlin und Köln.

Die Uraufführung von „Eichmann. NSDAP Parteinummer 889895. SS-Nummer 45326“  wird am Samstag, 19. Mai, ab 20 Uhr stattfinden.
Weitere Aufführungstermine sind der 20., 22., 23. und 24. Mai
sowie der 1., 2. und 3. Juni, jeweils um 20 Uhr.
Am 21. Mai und am 4. Juni werden um 11 Uhr spezielle Schülervorstellungen gegeben.
Der Eintrittspreis beträgt 15 €, ermäßigt 8 €.
Die Schülerveranstaltungen kosten 5 € pro Schüler.

Veranstaltungsort: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Appellhofplatz 23-25, Köln-Innenstadt.
Kartenbestellung ist ab 19. April unter der Nummer 0221-221-24340 oder unter Raum13eintritt@ish.de möglich.


Online-Flyer Nr. 92  vom 25.04.2007

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