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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Arbeit und Soziales
NRW-Arbeitsminister Laumann dreht Arbeitslosenzentren den Geldhahn zu
Nur eine „Sparmaßnahme“?
Von Heiko Naumann

Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) will die Förderung von Arbeitslosen-Zentren auf NULL setzen. Nur noch bis September 2008 sollen die rund 75 Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen Zuschüsse aus dem Sozialfonds der EU bekommen. Danach müssen sie sich selbständig finanzieren - oder schließen. Heiko Naumann, Mitglied der Kölner Erwerbslosen in Aktion / Die KEAs e.V., hat sich über die Gründe Gedanken gemacht. Die Redaktion.

Karl Josef Laumann
Arbeitsminister Karl Josef Laumann – war mal ein christlicher Gewerkschafter
Foto: NRhZ-Archiv


Beratungsscheine auf dem Dienstweg

Hartz IV-Betroffene, die die Rechtmäßigkeit eines Bescheids durch die ARGE anzweifeln oder den Bescheid schlichtweg nicht nachvollziehen können, haben bislang das Recht, von kostenfreier, externer Beratung Gebrauch zu machen. Gute Rechtsanwälte haben hierfür entsprechende Beratungsscheine vorrätig, die man aber auch beim Sozialgericht beantragen kann. Voraussetzung für einen solchen Beratungsschein von dort ist jedoch die Einhaltung gewisser Dienstwege (z.B. der „Widerspruch“) und die gerichtlich beschiedene Berechtigung des Anliegens sowie Aussicht auf Erfolg. (Weitere Infos unter http://www.gesetze-im-internet.de/berathig/index.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Prozesskostenhilfe)

Da verweisen die Sozialgerichte – und im Besonderen das Kölner – schon mal gerne auf die „umfassende Beratungspflicht“ der ARGE selbst. Vorgeblich weil die Sozialgerichte bundesweit seit Einführung Hartz IV „überfordert“ sind, läuft auch hier eine Gesetzesinitiative zur Einführung von Verfahrensgebühren, die für Alg2-Empfänger nicht unerheblich sein werden.

Eine andere Möglichkeit, sich extern und kostenfrei beraten zu lassen, sind die offenen Arbeitslosen-Zentren und andere gemeinnützige Initiativen und Gruppen aus dem Selbsthilfebereich. Bisher jedenfalls! Geht es nach dem Willen der NRW-Landesregierung, soll damit nun demnächst Schluss sein. Den professionell arbeitenden Beratungsstellen sollen die Mittel nicht mehr wie gewohnt gekürzt werden, ab Oktober 2008 soll ihnen der Geldhahn des Landes ganz zugedreht werden.

KALZ in Düsseldorf nicht unbedingt beliebt

Kölner Arbeitslosenzentrum
Kölner Arbeitslosenzentrum, bis 23.3. in der Herbrand-
straße, ab 2.4. im DGB-Haus, Hans-Böckler-Platz 1, 2. Etage


Die Arbeitslosenzentren bieten Treffpunkte für Arbeitslose und Beratung, vermitteln Jobs, bieten Raum für Austausch zwischen Betroffenen, und sie engagieren sich in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. So beteiligte sich das Kölner Arbeitslosenzentrum (KALZ) auch an der Organisation der Montagsdemonstrationen. Mit solchem Engagement machen sie sich in Düsseldorf natürlich nicht unbedingt beliebt.

Wenn man die durch Laumanns Sparmaßnahme einzusparende Summe von 4,6 Mio Euro im Jahr ins Verhältnis zu den hierdurch geförderten 75 tätigen Beratungsstellen und zu anderen Budgets und Kostenfaktoren einer Landesregierung setzt, dann handelt es sich um Peanuts. Und wer die Wichtig- bzw. NOTwendigkeit solcher Stellen anzweifelt, der hat entweder von der Realität aus dem Alltag der Hartz IV-, SGB II- und SGB III-Betroffenen keine Ahnung oder aber er will NEUE Realitäten schaffen. Tatsächlich nämlich würden sich die Ersparnisse erhöhen bzw. höhere Einnahmen für ARGE und Co ergeben, weil unberatene Hilfeempfänger künftig  leichter über die Tücken der Sozialgesetzgebung stolpern und in die Sanktionsfalle laufen würden, wodurch man sie dann leichter über den Tisch ziehen könnte.

Rechtsanwalt Uwe Klerks, Fachanwalt für Sozialrecht und Versicherungsrecht aus Essen, sprach jedenfalls bei seinem Vortrag zur neuen Rechtssprechung zum SGB III am 21. März in Düsseldorf davon, dass die Sozialgesetzgebung und die Urteile der Sozialgerichte immer eisiger werden und mittlerweile Bereiche aus dem Strafrecht eingeflochten werden.

Geht es nur ums Geld?

Es stellt sich also die Frage, welcher Wert Laumanns Idee vom Sparen tatsächlich zu Grunde liegt. Geht's um Geld? Oder geht's um die politische Dimension des Menschenbildes des verantwortlichen Arbeitsministers, bei dem es sich doch angeblich um einen christlichen Gewerkschafter handelt. Dann wären wir mitten drin in der längst überfälligen Wertediskussion, wo sich die Christen, die Gewerkschafter, die Laumänner mal outen und sagen können, was ihrer Meinung nach Sache bzw. was faul im Staate ist.

Aber egal, ob die Schlechterstellung schon schlecht gestellter Erwerbsloser ein ökonomischer Sachzwang ist oder ob es politisch motivierte Welt- und Wertvorstellungen sind, durch die Unter- und Oberschichten - ähnlich einem Kastensystem nach calvinistischer Schicksalslehre - manifestiert werden sollen; in beiden Fällen ist die Fähigkeit der gegenwärtigen Politik in Frage zu stellen. Ganz zu Schweigen von der VERANTWORTUNG der Politiker. Greift sie gegenüber einem imaginären „Haushalt“ oder ist sie dem „Volk“ / den Menschen gewidmet?

Eine Landesregierung, die in einer der reichsten Industrienationen der Welt – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage zu sein vorgibt, 4,6 Mio Euro für lebensnotwendige Hilfe zu tragen: wie soll die das Gewicht der Verantwortung gegenüber ihren „Schutzbefohlenen“ in anderen Fällen stemmen?!

Schröder übernahm die Drecksarbeit

Als ein gewisser „Sozialdemokrat“ namens Schröder „Hartz IV“ als einzige Lösung schlechthin verkaufen ließ („Es gibt keine andere Alternative!“ O-Ton), lag es selbstverständlich der damaligen Opposition aus CDU/CSU und FDP fern, an diesem Dogma zu rütteln. Billiger konnte man ihnen die Drecksarbeit nicht abnehmen. Der SPD freilich kostete der Coup bis zu 20 Prozent Wählerstimmen und letztlich den Kanzler-Posten. Schlimmer noch, dass sich Begrifflichkeiten wie „sozial“ und „Sozialdemokratie“ seither ad absurdum führen lassen und  sowohl die Unionsparteien als auch die FDP sich nach Belieben als die BESSEREN Sozialdemokraten gerieren dürfen. Wenn Hartz IV sozial ist, dann kann die nun angepeilte Schließung unabhängiger Arbeitslosen-Zentren so unsozial auch nicht sein. So einfach ist die Logik, die im medialen Mainstream wohl verpackt ihre Verbreitung findet.

Tatsächlich – so wurde es auch in einer Anfrage der Linkspartei im Bundestag bestätigt – sind die bisherigen Ausgaben durch Hartz IV in etwa gleich denen, die im Haushalt des Bundes auch OHNE HartzIV für die Jahre nach 2005 geplant worden wären. Da aber die Mehrheit der betroffenen Erwerbslosen schlichtweg weniger bekommt als zuvor, kann es sich nur um eine Verschiebung sowohl von barem Geld als auch von Wertvorstellungen handeln, womit wir wieder beim Thema sind. Und da ist es auch nicht verwunderlich, dass es der nordrhein-westfälische Schröder-Jünger und damalige Arbeitsminister Clement war, der die Schuld des ausbleibenden Einspareffekts ganz offen u.a. den Arbeitslosen-Zentren in die Schuhe schob, die durch ihre Beratung den Sanktionenkatalog für Erwerbslose unterlaufen würden.

Schilys „bessere Moral“

So genannte Gesetzeslücken also bleiben Managern und Berufspolitikern vorbehalten, während der Erwerbslose gefälligst per Gesetz moralisch tadellos zu sein hat! Zitat Otto Schily (SPD): „Wir sind vielleicht fälschlicher Weise von einer besseren Moral der Betroffenen ausgegangen.“ Eine Moral, die für uns bedeuten soll, auch die Schließung der Arbeitslosen-Zentren tapfer und genügsam zu erdulden, den Frust zu schlucken und bloß nicht per Demonstrationen u.a. Proteste die öffentlichen Straßen und Plätze damit verschmutzen, die just eben von einer Kolonne 1-Euro-Jobber blank geputzt wurden.

Das ist ganz offenbar die Zukunft, ... aber sauber ist sie dadurch nicht !



Online-Flyer Nr. 88  vom 28.03.2007

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