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Aktueller Online-Flyer vom 03. Mai 2024  

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Krieg und Frieden
Es wird Zeit, dass wir nicht länger auf Kriegslügen hereinfallen
Nach dem Krieg ist vor dem Krieg
Von Hans-Dieter Hey

Für den Einsatz der internationalen Schutztruppe in Afghanistan (ISAF) begrüßen die NATO-Partner die tatkräftige Unterstützung des deutschen Verteidigungsministers durch Tornado-Flugzeuge. Grund für den Einsatz sei eine bevorstehende Offensive der "Taliban", hören und lesen wir täglich in den üblichen Medien. Und deshalb müssen wir natürlich schneller sein, so eine Art Frühjahrsputz in Afghanistan durchführen. Die Angriffsziele machen wir mit unseren Tornados aus - wie damals im Irak. - Alles schon wieder vergessen? Kriegslügen haben ihre Kontinuität. Höchste Zeit, sich mal wieder mit alten und neuen Kriegslügen und deren schnellem Vergessen zu beschäftigten.
1914: Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers

Auch heute noch wird in den Schulbüchern die Ermordung des österreichischen Thronfolgers durch einen Serben als Grund für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs genannt. Tatsache ist aber, dass Deutschland sich durch Österreich nur allzu gern in diesen Krieg hineinziehen ließ, um sich dann als eigentliche Ziele Russland und Frankreich vorzunehmen. Dem Volk gegenüber schob Kaiser Wilhelm II. aber die Serben vor, weil der Mörder ein Serbe war. Er höre "bei ernsten Leuten vielfach den Wunsch, es müsse einmal gründlich mit den Serben abgerechnet werden." - "Jetzt oder nie" oder "Serbien muß sterbien", hieß es plötzlich überall

Wilhelm II
Wilhelm II.: "Der Welt den Frieden erhalten"

Am 16. August 1914 log er dann weiter: "Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre Mein und Meiner Väter heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit." So bekam er für den Krieg gegen Russland auch die Sozialdemokraten ins Boot. Selbst Franz Mehring schrie damals ins Parlament: "Krieg dem Zarismus", und Friedrich Stampfer: "Wir wollen nicht, dass unsere Frauen und Kinder Opfer kosakischer Bestialitäten werden." Worum es tatsächlich ging, machte der spätere Reichskanzler Max von Baden am 20. März 1918 klar: "Will der deutsche Imperialismus dem Ansturm der Demokratie mit ihrem Anspruch auf Weltverbesserung Stand halten, so muss er sich ethisch fundamentieren. Wir können nunmehr getrost Menschheitsziele in unser Programm aufnehmen."

1939: Der vorgetäuschte Überfall auf den Sender Gleiwitz

Genau 25 Jahre nach dem Friedens-Kaiser ging Friedensfreund Adolf Hitler auf Sendung. Nachdem seine SS am 31. August 1939 drei tote KZ-Häftlinge in polnische Uniformen gesteckt hatte, um deren Überfall auf den Radiosender Gleiwitz vorzutäuschen, erklärte er am 1. September um sechs Uhr morgens per Radio-Sondermeldung: "Danach bleibt mir kein anderes Mittel, als von jetzt ab Gewalt gegen Gewalt zu setzen". Um 10 Uhr wurde seine Rede im Reichstag übertragen: "Seit fünf Uhr fünfundvierzig wird zurück geschossen. Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten." Mit dem Überfall auf Polen begann noch am gleichen Tag ein Vernichtungskrieg bis dahin nicht gekanntem Ausmaßes - und ein beispielloser Genozid an der jüdischen Bevölkerung Europas.

Und wieder dienten auch die Serben als Zielscheibe und Vorwand. Die "serbische Verbrecherclique" war laut Hitler "endgültig zu beseitigen". Ebenso wurde für den Überfall auf die "Rest-Tschechei" nach Annexion des tschechoslowakischen Sudetengebiets im Zusammenhang mit dem Münchner Abkommen ein Grund vorgetäuscht. General Alfred Jodl wusste ihn schon am 24. August 1938: "Die Aktion Grün wird ausgelöst durch einen Zwischenfall in der Tschechei, der Deutschland den Anlass zum militärischen Eingreifen gibt."

Tatsächlich ging es Hitler - wie vorher Wilhelm II. - vor allem darum, die Welt neu aufzuteilen, um dem deutschen Großkapital und dessen Konzernen wie Thyssen, Krupp und IG Farben weltweit Zugriff auf wichtige Rohstoff-Ressourcen zu ermöglichen. Diesen Hintergrund formulierte im Juli 1941 die NS-Führung so: "Grundsätzlich kommt es also darauf an, den riesenhaften Kuchen handgerecht zu zerteilen, damit wir ihn erstens beherrschen, zweitens verwalten und drittens ausbeuten können." Und schon damals spielte Afghanistan für Deutschland eine Rolle, wie der amerikanische Geologe German Shah 1939 feststellte: "Man traf deutsche Kaufleute in Kabul und deutsche Autobahn-Ingenieure auf dem Land. Deutscher Stahl ging in die neuen Brücken auf den Autobahnen. Die deutsche Lufthansa war die einzige Fluggesellschaft, die auf dem Flughafen von Kabul landete."

1990: Die Lüge von den irakischen Babykillern

Am 10. Oktober 1990 wurde in der Boulevard-Presse berichtet, irakische Soldaten hätten Säuglinge auf kalten Fußböden sterben lassen. Die Lüge wurde zwar später als Bestandteil einer 10 Mio. Dollar teuren und verlogenen PR-Aktion der CIA entlarvt. Sie wirkte aber bis zum 16. Januar 2001, als der Irak zum zweiten Mal überfallen wurde. Wegen der dort später nie gefundenen Massenvernichtungswaffen.

Zwei Tage nach dem Angriff auf das New Yorker "World Trade Center" stimmten uns die Medien von ARD bis "Bild-Zeitung" schon auf Krieg ein. Bild: "Bin Laden. Sein Terror erschüttert die Zivilisation". Dass es diese "Zivilisation" ist, die Terrorismus provoziert und dann gegen fremde Staaten Krieg führt, stand weder dort noch im Kölner "Express". Der hetzte am 12. September: "Terrorbestie, wir wünschen dir ewige Hölle" - ohne einen einzigen Beweis.

1999: Die Lüge von der humanitären Katastrophe im Kosovo

Auch auf den Krieg gegen Jugoslawien stimmte uns Außenminister Klaus Kinkel (FDP) - der bereits als BND-Chef durch Infiltration des jugoslawischen Gemeindienstes die Zerstörung des Staates vorbereitet hatte, schon am 24. Mai 1992 ein: Ziel Deutscher Außenpolitik sei es: "Wir müssen Serbien in die Knie zwingen". So wie 1914 und 1939? Diesmal ging es darum, die transnationale Vereinigung des prosperierenden Staates Jugoslawien zu verhindern, was Gerhard Schröder am 24. März 1999 als Co-Brandstifter so ankündigte: "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute Abend hat die NATO mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. Der jugoslawische Präsident Milosevic führt dort einen erbarmungslosen Krieg. Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen."

Joschka Fischer
Joschka Fischer: "Nie wieder Auschwitz"

Ein Krieg ohne Kriegserklärung, den man nicht Krieg nennen darf? In den Medien wurde gemeldet, dass in einem Stadion von Serben internierte Kosovaren einem Massaker zum Opfer gefallen seien. Fotoarrangements angeblicher weiterer Massaker wurden hergestellt und veröffentlicht. Und Außenminister Fischer gewann die Herzen mit dem Ausspruch: "Nie wieder Auschwitz!". Dass es die von Verteidigungsminister Scharping am 27. März 1999 verbreitete "humanitäre Katastrophe im Kosovo" tatsächlich gar nicht gab, erfuhr man später vom deutschen OSZE-General Heinz Loquai: "Die Legitimationsgrundlage für die deutsche Beteiligung war die sogenannte humanitäre Katastrophe. Eine solche humanitäre Katastrophe als völkerrechtliche Kategorie, die einen Kriegseintritt rechtfertigte, lag vor Kriegsbeginn im Kosovo nicht vor." Wie man inzwischen weiß, ist die deutsche Kriegsbeteiligung völkerrechtswidrig gewesen.

Die Flut der Kriegslügen ist unübersehbar

Beschäftigt man sich mit dem Thema der Kriegslügen, wird ihre Flut fast unübersehbar. Allein zum Irak-Krieg konnten US Präsident G. W. Bush weit über 200 Kriegslügen und Falschinformationen in etwa 100 öffentlichen Auftritten nachgewiesen werden. Und entgegen den Verlautbarungen von Gerhard Schröder, sich nicht am Irak-Krieg beteiligen zu wollen, haben wir den US-Amerikanern den Weg hinein tatsächlich in mancher Hinsicht geebnet, zum Beispiel mit Überflugrechten und Geheimdienstberichten aus Bagdad. Und zu Afghanistan sei hier nur auf die inzwischen enttarnte Duldung von CIA-Folterflügen und die Entführung des Deutschen Murat Kurnaz nach Guantanamo verwiesen. So wird sich wohl auch bald die eingangs erwähnte Taliban-Frühjahrsoffensive als neue Kriegslüge herausstellen. Sie soll uns eben klar machen, dass ein Präventivschlag gerechtfertigt und notwendig sei.

Busch und Merkel
Gemeinsam für "Frühjahrsputz" in Afghanistan
Collage: Carl H. Ewald


Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Nürnberg Nazis wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt, weil sie mit erlogenen Gründen Präventivkriege geführt hatten. Wenn uns unsere Kinder und Enkel eines Tages vorwerfen, dass wir es hätten besser wissen, Katastrophen verhindern müssen, können wir uns dann nur noch auf Kardinal Meisner und die katholische Kirche berufen. Bei seinen Soldatengottesdiensten im Kölner Dom hebt er immer wieder, zuletzt im Januar, die Bedeutung der Bundeswehr für die Friedenssicherung hervor - in guter Tradition mit den Päpsten des 20sten Jahrhunderts von Leo XIII. und Pius X. im Ersten bis Pius XI. und XII. im Zweiten Weltkrieg.

Gegen wen richten sich die nächsten?

Die nächsten Ziele von Kriegslügen? Möglicherweise Iran, weil Ahmadinedjad angeblich Atombomben bauen will? Und zwar "böse" - zusätzlich zu den "guten" in Israel, USA, Frankreich etc.? Und danach dann China, weil es den USA den Rang in der Weltbeherrschung abjagt und "uns" den Exportweltmeister? Gegenüber beiden scheinen die Messer in den USA schon gewetzt. Und was werden "wir" dann machen, Frau Merkel oder ihr Nachfolger? Eine Prognose stammt aus dem Jahr 1900, vom kaiserlichen Generaloberst von Moltke: "Wenn wir ganz ehrlich sein wollen, so ist es Geldgier, die uns bewogen hat, den großen chinesischen Kuchen anzuschneiden. Wir wollten Geld verdienen, Eisenbahnen bauen, Bergwerke in Betrieb setzen, europäische Kultur bringen, das heißt mit einem Wort ausgedrückt, Geld verdienen."

Online-Flyer Nr. 84  vom 28.02.2007

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