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Kultur und Wissen
Die kulinarische Ecke - alle 14 Tage - Folge 5
Dolci - Süßes aus Sizilien
Von Erika Casparek-Türkkan

Fische und Muscheln, Gemüse und Früchte in den Auslagen sizilianischer Konditoreien? Tatsächlich! Doch nichts ist so, wie es scheint. Alles ist aus Marzipan, täuschend geformt und bunt bemalt. Farbenfroh und phantasievoll lieben die Sizilianer ihre Süßigkeiten aus Marzipan und die üppig verzierte Cassata. Andere Dolci, die fruchtige Zitronentorte oder Cannoli, die knusprigen Teigrollen zeigen sich "ungeschminkt". Und trotzdem lässt sich jeder von ihnen besonders gerne verführen.

Fest der Karren und Trachten in Taormina
Bunt und phantasievoll wie das Fest der Karren und Trachten in Taormina sind auch Siziliens Süßigkeiten.



"Als der Commissario ankam, war schon fast Essenzeit, und das ganze Auto war erfüllt vom Duft der zwölf riesigen Cannoli, die er gekauft hatte." - Die mit süßem Ricotta-Käse und kandierten Fruchtstückchen, Pistazien und Schokolade gefüllten, knusprigen Teigrollen lässt der sizilianische Schriftsteller und Feinschmecker Andrea Camilleri in seinem Erzählband "Das Paradies der kleinen Sünder" seinen Commissario Montalbano zu einem Essen bei Freunden mitbringen.

Cannoli gehören zu den süßen Höhepunkten der Insel. Frisch aus der Backstube sind sie ein Gedicht. Dabei wetteifern die Regionen um die beste Füllung und Verzierung. Zum Beispiel in Palermo und in Taormina besteht sie aus Ricotta, aus einer sahnigen, mit feinen Zutaten angereicherten Quarkcreme, die nach Vanille und Zimt duftet und mit Pistazien oder kandierten Kirschen verziert wird. Die Pasticceria Siligato (Via del Ginnasio 19) gilt als beste Adresse für Cannoli in Taormina. In anderen Orten rund um den feuerspeienden Ätna füllt man sie mit einer hellen oder dunklen, schokoladigen Konditorcreme und drückt die Enden in gehackte Pistazien oder Haselnüsse. In der Barockstadt Catania fallen die Cannoli besonders groß und üppig aus und wurden einst dem Benediktinerkloster zum Verhängnis. Nachdem die dort lebenden Mönche ein gewaltiges Vermögen für ein unmäßiges Schlemmerleben ausgaben und infolge dessen wohl auch körperlich ausuferten, erhielten sie von den Bewohnern der Stadt den Beinahmen "Porci di Cristo", - "Schweine Christi". Finito war es mit dem üppigen Klosterleben, als die Regierung des vereinigten Italiens im 19. Jahrhundert die Mönche verjagte. Doch beim Umfang der Cannoli blieb es bis heute.

Sizilianische Konditorei
Die Schaufenster der Konditoreien quellen fast über vor lauter bunt bemalten Marzipanfrüchten in kleinen Körbchen

Viele Dolci verdankt Sizilien seinen zahlreichen Heiligen, die rund ums Jahr geehrt werden möchten. Ihre Namens- und Totentage bieten immer Anlass zum Backen und Naschen. Mandeln, Pistazien, kandierte Früchte, Honig, Schokolade, Zimt und Gewürze sind die unverzichtbaren Zutaten der nicht selten ausufernden süßen Verehrung. Wie im östlichen Inselteil, wo zum Fest Allerseelen am 2. November die Ossa di mortu, die Totenknochen aus leckerem Nelkenteig gebacken und verzehrt werden. Hochburgen der Süßigkeiten waren früher und sind teils noch heute die Klöster. In ihren Mauern entstanden - vor allem zu Weihnachten - kleine süße Kunstwerke mit Zuckerfiligranen, bunten Mandeln und süßen Perlen verziert. Heute bieten die frommen Frauen hauptsächlich einfaches Backwerk wie Krapfen und kleine Törtchen an, um die Klosterkasse aufzubessern. Sie selbst bleiben dabei unsichtbar. An der Pforte wird vor einem Sichtschutz das Gewünschte bestellt und an einer Luke auf einem Drehteller bezahlt und geliefert.

Phönizier, Griechen, Römer, Normannen, Spanier - wer nach den Erfindern der vielen sizilianischen Süßigkeiten forscht, entdeckt die Quellen in ihrer langen Geschichte, bei Besatzern dieser Insel zwischen Afrika und Europa. Am einflussreichsten waren jedoch die Araber. Bei ihrer Eroberung im neunten Jahrhundert wurde Sizilien für ein viertel Jahrhundert zum kulturellen und geistigen Mittelpunkt des Südens. Dank ihres raffinierten Bewässerungssystems gedieh die Insel zu einem fruchtbaren Garten. Die Araber brachten nicht nur ihre Kultur mit, sondern unter anderem auch Zucker, Reis, Gewürze und vor allem Zitrusfrüchte, die noch heute ein wichtiges wirtschaftliches Standbein Siziliens bilden.

Am sizilianischen Süßigkeitenhimmel aus Orient und Okzident spielt die Mandel eine der wichtigsten Rollen. Pasta di mandorle, Marzipan, Basis für allerlei Gebäckvariationen und für die bunten Marzipanfrüchte sind der Stolz vieler kreativer Konditoren. Fast noch üppiger als auf den Obst-, Gemüse- und Fischmärkten der Städte bilden die süßen Miniaturausgaben in ihren Auslagen ein phantastisches Bild, an dem man kaum vorbei gehen kann. In ihrer Farbenpracht konkurrieren die Naschereien mit den vielerorts veranstalteten temperamentvollen bunten Umzügen, wie auf dem Corso in Taormina zum "Fest der sizilianischen Trachten und Karren" im Mai.

Marzipan-Fische
Ihre Liebe zum Meer und zu Süßem zeigen die Sizilianer in wunderlichen Kreationen, in süßen Marzipan-Fischen und Muscheln zum Vernaschen.

Wenn es um Feste, Taufen oder Hochzeiten geht, darf auch die Cassata, die Prachttorte aus Biskuit, Ricotta, Schokolade und kandierten Früchten nicht fehlen. Ihre Erfindung, wie auch die der berühmten sizilianischen Eiskreationen geht auf das Konto der Araber. Tipp für Sizilienurlauber: In der traditionsbewussten Barockstadt Noto, einst Hochburg von Adel und Klerus, gilt die älteste Konditorei der Stadt, das Caffè Sicilia (Corso Vittorio Emanuele 125) als Inbegriff feinster Dolci, und nicht nur ihre Cassata ist berühmt. Doch es muss keine Prachttorte sein, an der man sich zu Hause abmüht. Sizilianisch sinnenfroh lässt es sich auch weniger arbeitsaufwändig schlemmen, kann man sich und die Gäste mit einfacheren Dolci nach Hausfrauenart beglücken, wie in folgenden Rezepten beschrieben.

Bunte Torten
Bunt verzierte Torten wie die Cassata siciliana sind ein Souvenir der Muselmanen, doch das hat noch niemanden auf Sizilien gestört

Anmerkung:
In "Das Paradies der kleinen Sünder" und weiteren Kriminalerzählungen und
-romanen des Sizilianers Andrea Camilleri (Edition Lübbe) kommt Commissario Montalbano nicht nur Verbrechern, korrupten Staatsdienern und der Mafia auf die Spur. Der spannende Lesestoff vermittelt außerdem viel über sizilianische Mentalität und macht Appetit auf Inselspezialitäten, die der Commisario in jedem Kapitel genießt und die dem Leser das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Zum Trost: einige Rezepte gibt´s zum Schluss jedes Bandes.

Teigrollen mit Ricottacreme - Cannoli

Giovanni
Mit Recht stolz ist Giovanni, Chef der kleinen Konditorei Siligato auf seine Canneloni, den besten in Taormina.

Warnung! Die Herstellung der Teigrollen ist knifflig und macht Arbeit, weil man sie bei uns nicht wie auf Sizilien einfach in einer Konditorei besorgen kann. Trotzdem für Unerschrockene hier das Rezept in geraffter Fassung. Zum Formen der Rollen im Haushaltsgeschäft einige 12 cm lange Metallhülsen für Waffelrollen besorgen.

Für 12 Rollen
Für den Teig: 150 g Mehl mit 1 EL reinem Kakaopulver, 1 TL Zimtpulver, 2 EL Zucker, 1 Prise Salz mit 1 Eiweiß, 20 g weicher Butter und 3 EL Weißwein zu einem festen Teig verkneten, in Folie gewickelt 2 Stunden ruhen lassen. Den Teig halbieren. Jede Hälfte dünn ausrollen, insgesamt 12 Kreise von 12-13 cm Durchmesser ausstechen und mit geschmolzener Butter einpinseln. Um jede Metallhülse 1 Teigkreis wickeln, überlappende Seiten mit Eiweiß einpinseln und andrücken. Die Rollen in heißem Öl schwimmend goldbraun fritieren, abkühlen lassen und von den Hülsen streifen.
Für die Füllung: 500 ungesalzene Ricotta durch ein Sieb passieren. 80 g Zucker, je 30 g gewürfeltes Zitronat und Orangeat, 40 g gehackte Zartbitterschokolade unterrühren und die Rollen damit füllen. An den Enden glatt streichen und je1 kandierte Kirsche eindrücken.

Gefüllte Pfirsiche - Pesche ripiene

Pfirsiche
Ein beliebtes Dessert auf sizilianische Art, das sich auch bei uns leicht und schnell zubereiten lässt.

Ein einfaches, schnelles Dessert das auch Ungeübte hinkriegen.

Für 4 Portionen
4 große, mittelweiche Pfirsiche (ersatzweise Nektarinen)
80 g Amaretti, kleine fertig gekaufte Mandelmakronen
4 EL Marsala (ersatzweise ein anderer süßer Dessertwein)
2 TL Zitronensaft, 1/2 TL Zimtpulver
1 Eigelb, 2 EL Butter für die Form und zum Belegen
8 gehäutete Mandeln, 1 EL Puderzucker

Zubereitung: etwa 40 Minuten

1 Die Pfirsiche sind feiner, wenn man sie häutet. Dazu die Früchte in eine Schüssel legen, mit kochendheißem Wasser übergießen, kurz stehen lassen, kalt abschrecken und häuten. Die Pfirsiche halbieren, leicht drehen, dann lassen sich die Hälften auseinander nehmen und die Steine kann man entfernen.

2 Die Amaretti mit Marsala und Zitronensaft tränken, mit der Gabel zerdrücken. Zimt und Eigelb untermischen. Den Backofen auf 200 Grad vorheizen. Eine Form mit etwas Butter einpinseln. Die Pfirsichhälften mit der Masse füllen, auf jede eine Mandel drücken. Die Pfirsiche in die Form setzen, mit Butterflöckchen belegen und in der Ofenmitte 15-20 Minuten überbacken. Mit Puderzucker bestreuen.

Zitronentorte - Crostata di limone

Zitronentorte
Rundum köstlich zitronig schmeckt die Crostata di limone, eine einfach herzustellende Torte für den Kaffeeklatsch oder als Dessert.
Fotos: Erika Casparek-Türkkan


Mit dem Duft und Geschmack sizilianischer Zitronen - ein süßer Hit zum Kaffee oder als Dessert, das sich vorbereiten lässt.

Für 1 Tortenform von 28 cm Durchmesser
Für den Teig:
250 g Mehl, 125 g kalte Butter und Butter für die Form
50 g Zucker, 1 Prise Salz, 2 Eigelbe
Für die Zitronencreme:
3 Eier, 1 Eigelb, 150 g Zucker
abgeriebene Schale von 2 unbehandelten Zitronen
Saft von 2 Zitronen, 125 g süße Sahne
Außerdem:
2 große Stücke Klarsichtfolie zum Teigausrollen
1 Stück Back- oder Butterbrotpapier
500 Hülsenfrüchte zum Blindbacken (kann wiederverwendet werden)
Puderzucker zum Bestreuen

Zubereitung: etwa 40 Minuten zuzüglich Ruhe- und Backzeit

1 Mehl, Butter in Stückchen, Zucker, Salz und Eigelbe zu einem Teig verkneten, in Folie einwickeln und 1/2 Stunde in den Kühlschrank legen. Den Backofen auf 180 Grad vorheizen. Die Form mit Butter einpinseln.

2 Den Teig zwischen zwei Lagen Klarsichtfolie etwas größer als der Formboden rund ausrollen. Die Form einschließlich Rand damit auslegen. Ein Stück Back oder Butterbrotpapier darauf legen und die Hülsenfrüchte gleichmäßig darauf verteilen. In der Ofenmitte 15-20 Minuten vorbacken. Papier und Hülsenfrüchte abnehmen und den Tortenboden kalt werden lassen. Den Ofen auf 160 Grad herunter schalten.

3 In einer Schüssel Eier, Eigelb und Zucker zu einer hellen Creme aufschlagen. Zitronenschale und -saft unterrühren. Die Sahne steif schlagen und mit dem Schneebesen unterziehen. Die Zitronencreme auf den Tortenboden gießen und auf der mittleren Schiene 50 Minuten backen, in der Form abkühlen lassen. Den Puderzucker aufstreuen und die Torte unter dem Backofengrill oder bei starker Oberhitze 1 Minute hellbraun karamelisieren lassen. Vor dem Anschneiden die Torte richtig kalt werden lassen.
Tipp: Wer es besonders üppig liebt, setzt neben jedes Tortenstück eine Kugel fertig gekauftes Mandeleis.

Erika Casparek-Türkkan Erika Casparek-Türkkan ist Verfasserin zahlreicher Kochbücher vor allem über die Küchen rund ums Mittelmeer. STERN-Leser kennen sie außerdem als Mitautorin der STERN-Küche. Die gebürtige Kölnerin arbeitete als Journalistin in der Lokalredaktion der NRZ, Neue Rhein-Zeitung, bis zu deren Schließung 1974. Nach einem mehrjährigen Zwischenspiel als Reise- und Food-Redakteurin beim Burda-Verlag in München schreibt sie seit vielen Jahren als freiberufliche Autorin für Buch- und Zeitschriftenverlage. Sie ist verheiratet mit einem Fremdenführer türkisch-finnischer Abstammung und verfasste mit ihm mehrere Reisebücher über die Türkei. Beide leben - wenn nicht in der Türkei unterwegs - im bayerischen Voralpenland. Künftig finden hier kulinarisch Interessierte alle zwei Wochen die besten Rezepte, die Erika Casparek-Türkkan von ihren Reisen mitbrachte. Eins ihrer jüngeren Bücher "Küchen der Welt, Griechenland" erschien unter dem Alias Kristina Likidis-Königsfeld, Originalrezepte und Interessantes über Land und Leute, Verlag Gräfe und Unzer, 9,95 Euro im Buchhandel oder bestellen über www.amazon.de
Kontakt: casparek-tuerkkan@ect-web.de

Online-Flyer Nr. 64  vom 03.10.2006

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