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Kultur und Wissen
Buchkritik: Amerika und die Wurzeln des Terrors
"Guter Moslem, böser Moslem" 
Von Endy Hagen

Während allerorten vom "Kampf der Kulturen" die Rede ist und der Westen diskutiert, ob der Islam denn nun per se eine unterdrückerische Weltanschauung sei oder ob es auch gute Moslems geben könne, hat Mahmood Mamdani, Professor an der Columbia Universität in New York, ein Buch geschrieben, mit dem er die Ereignisse der Welt aus dem Reich der Religionen zurückholt auf den Boden der Politik und der ökonomischen Interessen.
Islamischer Fundamentalismus, so Mamdani, sei eine Reaktion auf die Zumutungen einer imperial auftretenden westlichen Moderne. Dass islamischer Fundamentalismus im Westen häufig ausschließlich als rückschrittliche Bewegung wahrgenommen und zugleich mit dem Terrorismus identifiziert werde, sei nur aus einer Sicht zu begreifen, die aufgrund eigener Herrschaftsinteressen keine Entwürfe zulasse, die nicht ausschließlich auf der Nachahmung der westlichen Moderne und damit auch der Unterwerfung unter diese bestehen. Unabhängige nationale Bestrebungen, die eigene Wege suchen und denen dabei auch das Recht des Irrtums und der Korrektur vorbehalten sei, würden aus dieser Sicht immer denunziert werden müssen.

Hier sieht Mamdani, selbst als Sohn indischer Einwanderer in Uganda geboren, Parallelen zum Blick des Westens auf Afrika in der Zeit des Kalten Krieges: "Während des Kalten Kriegs wurden Afrikaner als das Beispiel für Völker stigmatisiert, die offensichtlich zur Moderne unfähig seien." Gleiches gelte heute für den Islam. Diesem werde aber zusätzlich auch ein Unwille zur Moderne unterstellt. Kein Wunder also, dass die Vielzahl und Differenziertheit der Strömungen innerhalb des Islams unbeachtet bleiben müssten.

Mamdani unterscheidet strikt zwischen islamischem Fundamentalismus und politischem Islam. Letzterer, so führt Mamdani aus, sei eine politische Bewegung, die sich einer "religiösen Idiomatik befleißigt". Über die Natur einer Bewegung gebe aber "nicht ihre Sprache, sondern vielmehr ihre Zielsetzung Aufschluss." Der staatszentrierte politische Islam, der "das Problem des Staates auf Kosten der Demokratie in der Gesellschaft" formuliert und daher nicht die gesellschaftliche Veränderung, sondern die Übernahme der Macht im Staat anstrebt "aber ist der Verkünder von islamistischem politischen Terror." Allerdings gehe Terrorismus aus einer bestimmten politischen Konstellation hervor und müsse, "auch wenn er den einen oder anderen Aspekt von Tradition oder Kultur für sich beansprucht, doch als moderne politische Bewegung im Dienste moderner Machtverhältnisse begriffen werden. Als solche kann die Form des politischen Terrorismus, der für die Tragödie des 11. September 2001 verantwortlich ist, in ihrer Entstehung bis in die letzte Phase des Kalten Krieges zurückverfolgt werden."

Im Folgenden enthält das Buch eine exzellente Darstellung der US-Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese wartet nicht mit überraschenden Neuigkeiten auf, bietet in ihrem Detailreichtum und ihrer Prägnanz jedoch einen anschaulichen Überblick über die verschiedenen Etappen dieser Politik sowie deren Auswirkungen sowohl auf die betroffenen Länder als auch die USA selbst. Mahmood Mamdani beschreibt die Veränderung der US-amerikanischen Politik von der direkten Intervention in Vietnam hin zu Stellvertreterkriegen, der Unterstützung von Guerillabewegungen und paramilitärischen Geheimdienstoperationen, die sich auf einheimische Gruppierungen stützten und notfalls Kämpfer rekrutierten. Am Beispiel Nicaraguas, des Kongo, Afghanistans und des Krieges zwischen Irak und Iran erläutert Mamdani die ideologischen Rechtfertigungen dieser Politik und ihre Hindernisse. Er schildert, wie die Außenpolitik der USA auf innen- wie auf außenpolitischer Ebene einer demokratischen Kontrolle entzogen und mit welchen Mitteln sie finanziert wurde.

In dieser Tradition stand auch die Unterstützung des islamischen Terrorismus gegen die sowjetische Armee in Afghanistan. Mit der weltweiten Rekrutierung, Finanzierung und Aufrüstung islamistischer Kämpfer schufen sich die USA eben jene Gruppierungen selbst, die heute im Irak, Afghanistan oder auch im Kosovo als internationale Kampfgruppen gegen sie antreten.

"Die Vereinigten Staaten und Al Qaida - beide sind Veteranen des Kalten Krieges, in dem sie sogar auf derselben Seite standen, und beide wurden nachhaltig von ihm geprägt. Beide sind durchdrungen von einer ideologisch aufgeladenen Weltanschauung, die sie in einer stark religiös gefärbten politischen Sprache artikulieren. Die ideologische Sprache rechtfertigt, unabhängig davon, ob sie sich religiös oder säkular gibt, den straflosen Gebrauch der Macht. (...) Schlimmer noch, sobald der Kampf gegen politische Gegner als ein Kampf gegen das Böse definiert wird, wird er zum Heiligen Krieg. Und in einem Heiligen Krieg kann es keine Kompromisse geben. Das Böse kann nicht verändert, es muss ausgetrieben werden." Kein Wunder also, dass für beide Seiten "bei ihrem Kampf um die Macht der Rest der Welt nur noch ,kollateral' existiert."

Wer den Terrorismus bekämpfen wolle, müsse zugleich auch versuchen, Antworten auf die Machtkonstellationen und sozialen Verhältnisse zu geben, aus denen er hervorgegangen sei, schreibt Mamdani. So sei es an den USA zu lernen, "die Legitimität nationaler Bestrebungen im Zeitalter des Imperialismus zu akzeptieren und mit ihnen zu leben". Doch in einer Situation, in der beide Seiten "erklären, den Terror des jeweils anderen mit den Waffen des Terrors zu bekämpfen, kann einzig und allein eine globale Bewegung für den Frieden die Menschheit retten."

Guter Moslem, böser Moslem

Mahmood Mamdani: "Guter Moslem, böser Moslem. Amerika und die Wurzeln des Terrors". Aus dem Englischen von Sophia Deeg, Nautilus, Hamburg 2006, 19,90 Euro

Online-Flyer Nr. 56  vom 08.08.2006

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