NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 30. April 2024  

Fenster schließen

Aktuelles
WANTED - Julian Assange, ein Leben
Folge 5: CYPHERPUNKS
Von Delphine Noels (Belgium4Assange) in Zusammenarbeit mit Marc Molitor, Pascale Vielle und Bogdan Zamfir - ins Deutsche übersetzt von Claudia Daseking

Ab Ende Oktober 2021 geht es in London wieder um den Antrag der USA auf Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Am 27. Oktober 2021 wird das Berufungsgericht zum ersten Mal tagen. Die Zeit bis dahin begleitet die NRhZ mit einem CountDown von 34 Folgen über das Leben von Julian Assange. Sie wiederholt damit den Countdown von Belgium4Assange, der zum 4. Januar 2021 führte, als die britische Justiz ihr Urteil im Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange in der ersten Instanz gesprochen hatte. Belgium4Assange schrieb dazu: "Was steht bei diesem Prozess auf dem Spiel? Inwiefern betrifft uns das persönlich? Schwierig, hierzu klare Vorstellungen zu haben, da so viele Falschmeldungen und Desinformationen kursieren... Tag für Tag zeichnen wir seinen Weg voller Überraschungen und Enthüllungen nach und richten den Blick auf die näheren Umstände einer der fundamentalsten Kämpfe unserer Zeit." (Auf der website pour.press auf Französisch nachzulesen). Hier jetzt Folge 5:


Die Cypherpunks (aus "Cypher", "Verschlüsselung" und "Punk") sind eine Gruppe von Leuten, die sich ab 1992 über eine Mailingliste gebildet haben. Gründungsmitglieder sind E. Hughes (Mathematiker) ), TC. May (ehemaliger Chefwissenschaftler bei Intel) und John Gilmore (ein weiterer Informatiker, der eine Organisation zur Förderung der Freiheit des Cyberspace, die Electronic Frontier Foundation, mitbegründet hat).

Die Gruppe war um die tausend Personen stark. Julian war eine von ihnen (ab 1995). Gemeinsam reflektieren sie über diese E-Mail-Liste das Thema Datenschutz im Internet. Eine ihrer großen Bezugspunkte ist Orwells Buch "1984". Da unter den Cypherpunks viele Informatiker sind, sind sie besonders gut in der Lage, die staatliche Überwachung der Bürger zu beobachten. Sie arbeiten daran, diese Maßnahmen des Staates zu vereiteln. Sie stellen das sehr beliebte Argument in Frage, dass "wenn Sie nichts zu verbergen haben, haben Sie nichts zu befürchten". Hier ein Auszug aus ihrem Manifest: "Datenschutz ist in einer offenen Gesellschaft im elektronischen Zeitalter notwendig. ... Wir können nicht erwarten, dass Regierungen, Unternehmen oder andere große gesichtslose Organisationen unser Privatleben schützen. ... wir müssen unsere Privatsphäre selbst verteidigen, wenn wir sie haben wollen ... Codierer schreiben Codes. Wir wissen, dass jemand eine Software schreiben muss, um die Privatsphäre zu verteidigen, und ... wir werden das tun".

Es war ein utopischer Moment, als es noch möglich war, sich das Internet als Instrument zur Emanzipation der Völker vorzustellen. Diese Emanzipation beruhte auf dem Austausch von Wissen sowie auf der Möglichkeit der privaten, also geschützten Kommunikation. Ihr Optimismus beruhte auf der Kryptographie, die es den Bürgern der Welt ermöglichen würde, ihr Wissen und ihren Protest zu teilen. Die revolutionäre Erfindung der asymmetrischen Kryptographie mit öffentlichen Schlüsseln von Whitfield Diffie und Martin Hellman Mitte der 1970er Jahre, die von Rivest, Shamir und Adleman (RSA) in die Praxis umgesetzt wurde, ermöglicht den zuverlässigen und sicheren Austausch von E-Mails, verschlüsselt, ohne dass der Entschlüsselungsschlüssel abgefangen wird. (Die US-Regierung hat sich entschieden gegen den freien Kryptofluss RSA gestellt und hat versucht, Kryptoschlüssel durchzusetzen, die von der NSA knackbar sind.)
 
1991 schuf Philip Zimmermann die Pretty Good Privacy-Software (PGP, abgeleitet von RSA), die bis heute eine der am weitesten verbreiteten Softwares der Welt ist. Diese Erfindung stellt sich den damals getroffenen politischen Entscheidungen der USA direkt entgegen. Tatsächlich wurde 1991 ein Gesetz verabschiedet, das das Abfangen jeglicher Kommunikation im Rahmen der Verbrechensbekämpfung gestattet.

1993 sollte Zimmermann, der beschuldigt wurde, die Regeln für den Export kryptografischer Software übertreten zu haben, das Ziel einer strafrechtlichen Untersuchung durch die amerikanische Regierung werden. Die Untersuchung wurde 1996 endgültig eingestellt. Es war auch 1993, als die Cypherpunks ihr Manifest veröffentlichten (siehe Link unten).

Julian Assange trägt zu den Überlegungen der Cypherpunks bei. Er ist an der Entwicklung von NetBSD beteiligt (einem Open-Source-Betriebssystem, das vom ursprünglichen Quellcode von Berkeley Software Distribution abgeleitet ist). 1997 arbeitete er an der Entwicklung der "Rubberhose" -Software. Ihr Zweck war es, sich gegen eine Person wehren zu können, die gewaltsam versucht, die Daten von deinem Computer zu erlangen, indem man sie glauben macht, dass sie sie erhalten hat, während aber tatsächlich die realen Daten auf dem Computer erhalten bleiben.

Julians Beiträge zu den Cypherpunks zeugen auch von seiner Faszination für Sprache. Er erwarb Software, mit der man Anagramme erstellen konnte. (Zum Beispiel hatte er Spaß daran haben, Anagramme für die NSA (National Security Agency) zu finden) und war daran interessiert, "die sprachliche Drift zu verfolgen, d.h. die relative Änderung der Häufigkeit von Wörtern im Internet im Laufe der Zeit". So ergaben zum Beispiel seine Recherchen, dass aus einem "10 Milliarden Wortkorpus" das Wort Gott 2.177.242 Mal und das Wort Amerika 2.178.046 Mal vorkommt...

1998, unternimmt Julian eine große Reise. Er fährt zu einem Treffen der Cypherpunks durch die ganze « worldefull (sic) world». Er möchte sich physisch mit den Leuten treffen, mit denen er sich bis dato nur über die Mailing List ausgetauscht hatte.
  • 28. Oktober 98 San Francisco
  • 05. November 98 London
  • 06. November 98 Berlin Frankfurt
  • 09. November 98 Polen, Slowenien, Osteuropa
  • 15. November 98 Helsinski
  • 20. November 98 Moskau
  • 25. November 98 Irkutsk
  • 29. November 98 Ulan Bator
  • 03. Dezember 98 Peking…
Im Laufe dieser Reise trifft er zahlreiche Leute, die seine Freunde und Mitarbeiter werden sollten. Unter ihnen Daniel Mathews, der später Co-Gründer von Wikileaks wurde und Sprecher vom Chaos Computer Club (CCC).

Das war's für heute. Dies war die 5. Folge der Serie über Julian Assanges' Leben. Morgen werden wir erfahren, wie er einen Umweg über die Quantenphysik brauchte, um WikiLeaks zu entwickeln.


Anhänge und Quellen:

Welche berühmten Leute waren Cypherpunks ? S Nakamoto, Erfinder des Bitcoin, Adam Back (Erfinder des Hashcash und Mitbegründer von Blockstream  de Blockstream ) ; Jon Callas ( OpenPGP) ; Hugh Daniel (früher verantwortlich für FreeS/WAN) ; Hal Finney (Verschlüsselungsexperte; Hauptautor von PGP 2.0; designer de RPOW,) ; John Gilmore (Einer der Gründer von Electronic Frontier Foundation) ; Ian Goldberg (Chief Scientist, Radialpoint) ; Lucky Green (Autor der ersten Verwendung von Ringsignaturen) ; Eric Hughes (Autor du Manifeste Cypherpunk) ; Tim May (Ancien scientifique en chef chez Intel, Autor von “ Manifeste d'un crypto-anarchiste”) ; Jude Milhon  (Gründungsmitglied von Cypherpunks,) ; Len Sassaman (aktueller Inhaber der Software Mixmaster Remailer)…
Quellen– Über die Cypherpunks empfehlen wir wärmstens:
Une utopie déchue, une contre-histoire d’Internet du XVième au XXIième siècle, Félix Tréguer, éditions Fayard.
Cypherpunks, Freedom and the future of Internet, Julian Assange, mit Jacob Applebaum, Andy Müller Maghun, Jeremy Zimmermann, 2012 + la vidéo qui a été à l’origine du livre (Julian Assange’s show, the world tomorrow): https://www.youtube.com/watch?v=i85fX9-sKYo


Korrespondenz Julian Cypherpunks Emailliste:
http://cryptome.org/0001/assange-cpunks.htm


Das Cypherpunk-Manifest:

auf Französisch: https://activisme.fr/cypherpunk/manifesto.html
Auf Englisch: https://www.activism.net/cypherpunk/manifesto.html
Artikel im Contrepoint: Pour protéger nos données, devenons cypherpunks: https://www.contrepoints.org/2019/11/07/357268-pour-proteger-nos-donnees-devenons-cypherpunks
Eine Geschichte der Cypherpunks:
https://medium.com/the-capital/a-brief-history-of-the-cypherpunks-31ae447a14f
Archive der Cypherpunk mailinglist:
http://mailing-list-archive.cryptoanarchy.wiki
Über Pretty Good Privacy
https://youtu.be/xN0Z3w_ci9I
Über Anonymität im Internet:
Memoiren von Guillaume Pillot:
https://corpus.ulaval.ca/jspui/retrieve/b80b8e47-882b-402b-9ebb-e21440e1e0bd
Ein Artikel über die Anonymität als Kunst des Widerstands, der Fall des tunesischen Cyberspace: https://journals.openedition.org/terminal/1862
Über Kryptographie: Crypto, how the code rebel beats the Government – saving Privacy in the digital age, Levi, Penguin Books, Ltd, 2001.
https://hackernoon.com/whitfield-diffie-on-the-history-of-cryptography-cae4d2469268
https://paquetteetpangloss.wordpress.com/2017/01/24/bibliographie/


Link zu Folge 4: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27667
Link zu Folge 6: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27669


Siehe auch:

In einer Zeit, in der unter dem Deckmantel der Gesundheitsvorsorge eine ungeahnte digitale Überwachungsstruktur etabliert wird, fehlt WikiLeaks
Julian Assange: dem kommenden Überwachungsregime trotzen!
Von Erich Sturm
NRhZ 777 vom 22.09.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27648

Online-Flyer Nr. 777  vom 26.09.2021



Startseite           nach oben