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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Kommentar
Die neue Freiheits-Bewegung will gewonnen werden
Links macht Platz für Rechts
Von Ulrich Gellermann

Links: Ein Begriff, der noch aus der französischen Revolution und ihren Zielen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit stammt und über die Jahrhunderte seiner Verwendung aufs Engste mit den Grundrechten, den Menschenrechten, verbunden war und ist. Der klassische Gegensatz zur Linken war traditionell die Rechte: In den Parlamenten zumeist durch die Konservativen vertreten. Denen galt und gilt die Freiheit eher als die Freiheit der Märkte, selten als Freiheit der Vielen gegen die herrschenden Minderheiten, vom Adel bis zur Finanzoligarchie. Die radikalste Vorstellung von Freiheit entwickelten Marx und Engels in ihrer Vision von einer postrevolutionären Gesellschaft, in der „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“.

Immer mehr Menschen für die Verteidigung der Freiheit

In diesen Tage versammeln sich, häufig an Samstagen, immer mehr Menschen für die Verteidigung der Freiheit, wie sie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland angelegt ist: Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit stehen im Zentrum einer neuen Bewegung, die sich inzwischen in mehr als 50 Städten findet: Von Stuttgart bis Hamburg, von Berlin bis München, die Zahl der Städte und auch die der Versammelten wächst wöchentlich. Zugleich hat sich mit "Widerstand 2020" eine neue Partei etabliert, die mit mehr als 100.000 Parteimitgliedern viel größer ist als AfD oder Linke. Sie ist zur Zeit die einzige Partei, die Medienmanipulation thematisiert. Die traditionelle Linke, sie wird in Deutschland zumeist bei SPD, GRÜNEN oder der LINKEN verortet, spielt bei den Aktionen für die Freiheit keine Rolle. Im Gegenteil: Von den Zentralen der wie auch immer linken Parteien werden die Bürgerrechtler mit einer Mischung von Kritik, Schweigen und Misstrauen beäugt.

Stilisierung der Rechten als Vertreter der Freiheit

Es sind vor allem als links firmierende Medien, an denen die Haltung der etablierten Linken zur Grundgesetzbewegung ablesbar ist: Zeitungen wie TAZ, JUNGE WELT oder NEUES DEUTSCHLAND ordnen die neuen Bürgerrechtler als eher rechts ein und suchen geradezu verzweifelt nach namhaften rechten Protagonisten bei den Aktionen, um ihre These von der Rechtslastigkeit der Bewegung zu beweisen. Nicht selten kommandieren linke Stadtregierungen wie in Berlin ihre Polizei in den Kampf gegen jene Bürger, die sich für traditionell linke Werte auf die Straße begeben. Dass die deutsche Linke ihre eigene Herkunft aus den Freiheitskämpfen der französischen und der deutschen 48er Revolution verleugnet, fällt ihr ebensowenig auf, wie die sonderbare Stilisierung der Rechten als Vertreter bürgerlicher Freiheit, wenn sie die neue Bewegung als rechtslastig brandmarkt.

Corona-Schutzschild für die Wirtschaft

Doch während Blätter wie TAZ, JUNGE WELT oder NEUES DEUTSCHLAND eher konjunkturell auf die neue Bewegung reagieren, gibt es im Augsteinschen FREITAG einen durchaus ernsten Aufsatz der juristisch gebildeten Daniela Dahn, der das gravierende Unverständnis der traditionellen Linken mit erstaunlicher Radikalität belegt. Dahn glaubt tatsächlich, „in der (Corona) Krise gehen Menschenleben vor Wirtschaft.“ Und so fragt sie denn hoffnungsfroh: „Wie war es mit einem Mal möglich, im Namen der Humanität alle bisher geltenden Spielregeln außer Kraft zu setzen?“ Dass der Staat rund 600 Milliarden Euro mit einem „Corona-Schutzschild“ für die Wirtschaft bereitstellt, der üblicherweise den großen Betrieben zugute kommt, spielt bei ihr ebensowenig eine Rolle, wie jene 7,5 Milliarden Euro für einen „Impf-Fonds“ der EU, der der Pharma-Industrie zur Gewinnsteigerung dienen wird. Was soll sich an den Spielregeln geändert haben? Ohne eine kämpferische Alternative werden sich die Konzerne, nach einem kurzen Schaulaufen staatlicher Humanität, aus der Steuerkasse so bedienen und sanieren, wie sie es im Ergebnis der Bankenkrise 2008 erfolgreich geschafft haben. Das wird die Freiheit der da oben sein. Zwar kommen die Freiheitsrechte der da unten bei den von der Autorin erwähnten Spielregeln in einem knappen Satz vor, aber als eine Art Kollateralschaden im Krieg gegen die Seuche. Für eine Frau, die aus der Bürgerrechtsbewegung der DDR kommt, ist das eine erstaunlich bescheidene Erkenntnis.

Der neuen Bewegung ohne Vorurteile nähern

Die deutsche Rechte, von der AfD bis hin zu offenen Nazi-Varianten, wäre blöd, wenn sie die sich neu formierende Bewegung nicht ins Visier nehmen würde: Frisch politisierte, aber im politischen Kampf eher unerfahrene Bürger, sind ein verlockendes Ziel rechter Agitation. Zumal das Feld offen ist: Die deutsche Linke, befangen im Glauben, dass sie in den Parlamenten etwas Grundlegendes bewegen könne, hat sich selbst aus dem Kampf für Bürgerrechte entfernt. Nur wenn sie sich der neu entstandenen Bewegung ohne Vorurteile nähert, und ihr die linken Organisations-Potentiale und Kenntnisse zur Verfügung stellt, kann sie ihrem historischen Auftrag gerecht werden. Sonst macht sie einfach nur Platz für die Rechte. Zu hoffen bleibt, dass die Grundrechtsbewegung eigene Ziele, eigene Strukturen und eigene Persönlichkeiten herausbilden wird. Ihr bisheriger Weg lässt diese Hoffnung zu.


Erstveröffentlichung am 6. Mai 2020 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer

Top-Bild: aus Karikatur von Kostas Koufogiorgos



Siehe auch:

Petition – gerichtet an Bundes- und Landesregierungen
Sofortige Aufhebung aller in der "Corona-Krise" verfügten Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten!
Von Helene und Dr. Ansgar Klein
NRhZ 740 vom 18.03.2020
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26705

ARTIKELÜBERSICHT Corona-Manöver
Allen Spins und Hintergründen nachspüren
Von NRhZ-AutorInnen
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26721

Online-Flyer Nr. 744  vom 13.05.2020



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