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Kommentar
Da War doch noch was?
Rassenidiotie
Von Harald Schauff
Vor einigen Jahren kursierte ein satirisches Video im Internet. Es zeigte Ausschnitte aus dem legendären Fußball-WM-Spiel Deutschland gegen Österreich (2 : 3), das 1978 im argentinischen Cordoba stattfand. Zu Originalbildern war ein neu eingespielter Kommentar zu vernehmen. Er schilderte Spielszenen und Tore aus ‚großdeutscher‘ Sicht. Dieser zufolge spielten beide Nationalteams nicht gegeneinander, sondern miteinander für ‚Großdeutschland‘. Jedes gefallene Tor, gleich ob für Österreich oder Deutschland, zählte somit für das ‚Deutsche Reich‘.
Gemäß dieser Lesart aus den Jahren 1938- 45 endete die Partie also nicht 3 : 2 für Österreich, sondern 5 : 0 für ‚Großdeutschland‘. Durch die Brille von nationalistischem Größenwahn und Rassenideologie betrachtet, standen damals 22 ‚Volksdeutsche‘ bzw., moderner formuliert, ‚Bio‘- oder ‚Ethnodeutsche‘ auf dem Platz. Die Satire verstand es gekonnt, mit wenig Aufwand das nationalistisch-rassistische Wahnkonstrukt als genau solches zu entlarven.
Und doch hat dieser Wahn mit dem Erstarken des Rechtspopulismus wieder Konjunktur. Rechtsradikale Hasspredigten finden erschreckend viel Gehör beim Versuch, nationalistisches und rassistisches Gedankengut wieder salonfähig zu machen. Weil der Begriff ‚Rasse‘ historisch vorbelastet ist, wird er von rechten Aufpeitschern vermieden. Sie sprechen stattdessen von ‚Selektion‘, ‚Reinhaltung‘ oder ‚Ethnopluralismus‘. Dies zielt im Endeffekt in dieselbe Richtung und bedient entsprechende Klischees und Ressentiments.
Genau darauf wiesen Naturforscher der Friedrich-Schiller-Universität und der Universität Rostock in der gemeinsam verfassten ‚Jenaer Erklärung‘ September 2019 hin. Dort steht auch der denkwürdige Satz zu lesen: ‚Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung.‘
Die Erklärung war anlässlich des 100. Todestages von Ernst Haeckel veröffentlicht worden. Der Zoologe begründete in Jena einst die Stammesgeschichtsforschung. Dabei beschritt er einen fatalen Irrweg, als er Menschen in einen ‚Stammbaum‘ von ‚Rassen‘ einordnete und so mithalf, einen scheinbar wissenschaftlich begründeten Rassismus zu etablieren. Die Verfasser der ‚Jenaer Erklärung‘, unter denen auch Zoologen vertreten sind, widersprechen ihrem Vorgänger Haeckel entschieden. Sie schreiben, es sei eindeutig widerlegt, dass sich Merkmale wie die Hautfarbe mit ‚Eigenschaften oder angeblich genetisch fixierten Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen‘ verknüpfen lassen.
Sie bezeichnen es als ‚falsch und niederträchtig‘, in dieser Weise noch heute zu argumentieren. Im menschlichen Erbgut findet sich nicht der geringste Anhaltspunkt, um ‚rassische‘ Unterschiede zu begründen. Keine Spur also z.B. von einem ‚Germanen-Gen‘, das rechte Rassisten in ihren Hirngespinsten gern erträumen. Weiter heißt es in der Erklärung: ‚Aus stammesgeschichtlicher Sicht sind alle Menschen Afrikaner‘. Anders ausgedrückt: Wir alle sind Nachfahren afrikanischer Migrant/inn/en. Die historisch und naturwissenschaftlich erwiesenen Fakten sprechen eine klare Sprache. Und zeigen: Die Vorstellungen bzw. das Konzept von Rassen ist ein ‚Konstrukt des menschlichen Geistes‘. Besser gesagt: Ein Wahngebilde, menschenverachtender Humbug des rechten Ungeistes.
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe Februar 2020, erschienen.
Siehe auch:
Dem Kampf gegen Apartheid und Völkerrechtsbruch in den Rücken gefallen
Rassistische Querfront im Reichstag
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 707 vom 29.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25936
Online-Flyer Nr. 738 vom 04.03.2020
Da War doch noch was?
Rassenidiotie
Von Harald Schauff
Vor einigen Jahren kursierte ein satirisches Video im Internet. Es zeigte Ausschnitte aus dem legendären Fußball-WM-Spiel Deutschland gegen Österreich (2 : 3), das 1978 im argentinischen Cordoba stattfand. Zu Originalbildern war ein neu eingespielter Kommentar zu vernehmen. Er schilderte Spielszenen und Tore aus ‚großdeutscher‘ Sicht. Dieser zufolge spielten beide Nationalteams nicht gegeneinander, sondern miteinander für ‚Großdeutschland‘. Jedes gefallene Tor, gleich ob für Österreich oder Deutschland, zählte somit für das ‚Deutsche Reich‘.
Gemäß dieser Lesart aus den Jahren 1938- 45 endete die Partie also nicht 3 : 2 für Österreich, sondern 5 : 0 für ‚Großdeutschland‘. Durch die Brille von nationalistischem Größenwahn und Rassenideologie betrachtet, standen damals 22 ‚Volksdeutsche‘ bzw., moderner formuliert, ‚Bio‘- oder ‚Ethnodeutsche‘ auf dem Platz. Die Satire verstand es gekonnt, mit wenig Aufwand das nationalistisch-rassistische Wahnkonstrukt als genau solches zu entlarven.
Und doch hat dieser Wahn mit dem Erstarken des Rechtspopulismus wieder Konjunktur. Rechtsradikale Hasspredigten finden erschreckend viel Gehör beim Versuch, nationalistisches und rassistisches Gedankengut wieder salonfähig zu machen. Weil der Begriff ‚Rasse‘ historisch vorbelastet ist, wird er von rechten Aufpeitschern vermieden. Sie sprechen stattdessen von ‚Selektion‘, ‚Reinhaltung‘ oder ‚Ethnopluralismus‘. Dies zielt im Endeffekt in dieselbe Richtung und bedient entsprechende Klischees und Ressentiments.
Genau darauf wiesen Naturforscher der Friedrich-Schiller-Universität und der Universität Rostock in der gemeinsam verfassten ‚Jenaer Erklärung‘ September 2019 hin. Dort steht auch der denkwürdige Satz zu lesen: ‚Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung.‘
Die Erklärung war anlässlich des 100. Todestages von Ernst Haeckel veröffentlicht worden. Der Zoologe begründete in Jena einst die Stammesgeschichtsforschung. Dabei beschritt er einen fatalen Irrweg, als er Menschen in einen ‚Stammbaum‘ von ‚Rassen‘ einordnete und so mithalf, einen scheinbar wissenschaftlich begründeten Rassismus zu etablieren. Die Verfasser der ‚Jenaer Erklärung‘, unter denen auch Zoologen vertreten sind, widersprechen ihrem Vorgänger Haeckel entschieden. Sie schreiben, es sei eindeutig widerlegt, dass sich Merkmale wie die Hautfarbe mit ‚Eigenschaften oder angeblich genetisch fixierten Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen‘ verknüpfen lassen.
Sie bezeichnen es als ‚falsch und niederträchtig‘, in dieser Weise noch heute zu argumentieren. Im menschlichen Erbgut findet sich nicht der geringste Anhaltspunkt, um ‚rassische‘ Unterschiede zu begründen. Keine Spur also z.B. von einem ‚Germanen-Gen‘, das rechte Rassisten in ihren Hirngespinsten gern erträumen. Weiter heißt es in der Erklärung: ‚Aus stammesgeschichtlicher Sicht sind alle Menschen Afrikaner‘. Anders ausgedrückt: Wir alle sind Nachfahren afrikanischer Migrant/inn/en. Die historisch und naturwissenschaftlich erwiesenen Fakten sprechen eine klare Sprache. Und zeigen: Die Vorstellungen bzw. das Konzept von Rassen ist ein ‚Konstrukt des menschlichen Geistes‘. Besser gesagt: Ein Wahngebilde, menschenverachtender Humbug des rechten Ungeistes.
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe Februar 2020, erschienen.
Siehe auch:
Dem Kampf gegen Apartheid und Völkerrechtsbruch in den Rücken gefallen
Rassistische Querfront im Reichstag
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 707 vom 29.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25936
Online-Flyer Nr. 738 vom 04.03.2020