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Inland
Kommentiertes Transkript eines Interviews mit dem russischen Politologen Alexej Fenenko
Irreführende Behauptungen zur Souveränität Deutschlands
Von LUFTPOST

RT Deutsch hat am 27.05.2019 zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes in seiner Reihe "Der fehlende Part" ein Videointerview seiner Reporterin Margarita Bityutski (1) mit Alexej Fenenko (2), einem russischen Politikwissenschaftler und Mitglied des Russischen Sicherheitsrates, veröffentlicht, in dem sich dieser zur angeblich "eingeschränkten Souveränität" der Bundesrepublik Deutschland äußert (3)(4). Wir haben ein Transkript der gesprochenen deutschen Übersetzung dieses Interviews angefertigt und kommentiert.


Margarita Bityutski: Genau vor 70 Jahren, am 23. Mai 1949, trat in der Bundesrepublik Deutschland das Grundgesetz in Kraft. Darüber sprechen wir heute mit dem Politologen Alexej Fenenko. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.

Wenn man das Wort Grundgesetz im Wörterbuch nachschlägt, findet man unter anderem die Definition "Konstitution" (Verfassung). Das gleiche steht auf Wikipedia. Das Grundgesetz gleicht einer Verfassung. Allerdings gibt es im Grundgesetz den Art. 146, der wie folgt lautet:

"Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist." (5)

Können Sie das erklären?

Alexej Fenenko: Das kann ich. Erst einmal danke ich Ihnen für die Einladung, und dann sollten wir uns gleich die Situation im Jahr 1949 anschauen.

Wie Sie schon richtig gesagt haben, wurde das Grundgesetz 1949 angenommen, als Deutschland noch nicht souverän war. Es war ein in Besatzungszonen aufgeteiltes Gebiet. Die Tatsache, dass im Herbst 1949 zwei Regierungen ernannt wurden, (für) die BRD und die DDR, hat nichts daran geändert. Das waren zwei Regierungen, die in der Sphäre internationaler Beziehungen keine subjektiven Rechte hatten. Das Paradoxe daran war, dass zuerst eine Verfassung angenommen wurde und erst danach, im Jahr 1952, der Deutschlandvertrag über eine teilweise Wiederherstellung der Souveränität der Bundesrepublik unterzeichnet wurde. Die BRD unterzeichnete diesen Vertrag mit den drei westlichen Alliierten, den USA, Großbritannien und Frankreich.

Der Sinn davon war folgender: Erstens sollte die BRD als ein souveräner Staat wieder hergestellt werden – nicht 1949 sondern 1952. Die BRD sollte eine eingeschränkte Rechtssubjektivität auf internationaler Ebene bekommen, also das Recht Verträge mit anderen Ländern abzuschließen, diese zu unterzeichnen und zu verhandeln. Im Vertragstext gab es jedoch auch den Vorbehalt, dass die BRD keine Verhandlungen über die Unterzeichnung eines selbständigen Friedensvertrages mit der Sowjetunion führen durfte. Dieses Recht hat die BRD nicht. Auch hat sie kein Recht, einen Friedensvertrag ohne die Genehmigung der Siegermächte zu schließen und ebenfalls kein Recht, Verträge mit anderen Ländern zu schließen, ohne sich mit den Siegermächten zu beraten. Außerdem gab es die Einschränkung, dass die BRD kein Recht hatte, die Truppenbewegungen der Alliierten auf ihrem Gebiet zu überwachen. Der BRD war es untersagt, den Abzug der Truppen von ihrem Gebiet zu fordern, so lange es keinen vollwertigen Friedensvertrag gab.

So stand es dort, und wie wir wissen, gibt es diesen (den Friedensvertrag) bis heute nicht.


LUFTPOST-Kommentar

Von Anfang an soll der Eindruck erweckt werden, die drei westlichen Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich hätten ihren Besatzungszonen das Grundgesetz einfach "übergestülpt". Es sei deshalb nicht als Verfassung eines souveränen Staates zu werten, der angeblich erst dann entstehen könne, wenn das vereinte deutsche Volk eine gemeinsame Verfassung beschlossen habe.

Dass diese Sichtweise nicht zutrifft, ist bei wikipedia (6) nachzulesen. Außerdem geht schon aus dem GG-Zitat hervor, dass dieses Grundgesetz "nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk" gelten soll, bis es eine andere Verfassung beschließt.

Wer die Gültigkeit des Grundgesetzes als Verfassung der um die DDR erweiterten Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt, leitet Wasser auf die Mühlen der "Reichsbürger" und anderer ewig Gestriger, die das "Großdeutsche Reich in den Grenzen von 1939" wieder herstellen wollen, und macht damit ein sehr gefährliches Fass auf.

Max Reimann, der 1949 bis 1953 Bundestagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender der KPD war, hat übrigens bei der Ablehnung des Grundgesetzes durch die KPD gesagt: "Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!".

Der "Deutschlandvertrag" oder Generalvertrag heißt eigentlich Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei (West-)Mächten. Der komplette Text dieses Vertrages ist nachzulesen bei "documentArchiv.de" (7). Er bildet das Kernstück der Pariser Verträge, zu denen auch der Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland - der so genannte Truppenstationierungsvertrag (8) und der Überleitungsvertrag gehören, der eigentlich Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen heißt (9).

Im Zuge der Verhandlungen wurden im Deutschlandvertrag von 1952 eine Reihe von Bestimmungen überarbeitet, weil sie die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland zu sehr eingeschränkt hätten. Gestrichen wurde u. a. das Recht der drei westlichen Siegermächte, nach eigenem Ermessen Streitkräfte in der Bundesrepublik zu stationieren. Auf die heute noch gültigen Regelungen aus dem Überleitungsvertrag kommen wir später zurück.

Die Behauptungen, die BRD habe nach dem Deutschlandvertrag nicht das Recht gehabt, ohne die Genehmigung der westlichen Siegermächte einen Friedensvertrag mit der Sowjetunion oder irgendwelche Verträge mit anderen Staaten zu schließen oder auf die Truppenbewegungen der Siegermächte in der BRD einzuwirken, ist mit dem überarbeiteten Text des Deutschlandvertrages (7) nicht zu belegen. Außerdem beweisen die Unterzeichnung des Moskauer Vertrages mit der Sowjetunion im Jahr 1970 (10)(11) und die Unterzeichnung des Warschauer Vertrages mit der Volksrepublik Polen ebenfalls im Jahr 1970, dass die Bundesrepublik Deutschland durchaus völkerrechtlich verbindliche Verträge mit friedenspolitischen Inhalten mit anderen Staaten abschließen konnte und für solche Verträge auch keine Genehmigung der westlichen Siegermächte brauchte.

Der Deutschlandvertrag und der Überleitungsvertrag in ihren überarbeiteten Fassungen untersagen es der BRD auch keinesfalls, den Abzug der ausländischen Truppen von ihrem Gebiet zu fordern, so lange es keinen "vollwertigen Friedensvertrag" gibt (12). Im Deutschlandvertrag ist außerdem an keiner Stelle von einem "vollwertigen Friedensvertrag", sondern immer nur von einer "friedensvertraglichen Regelung" die Rede.


Fortsetzung des Transkripts

M. Bityutski: Warum?

A. Fenenko: Das ist eine interessante Frage. Die Frage ist die, dass im Jahr 1990, als die Souveränität Deutschlands wiederhergestellt wurde, in Moskau der Zwei-plus-Vier-Vertrag über die Wiedervereinigung Deutschlands, genauer gesagt über äußere Probleme, die mit der Wiedervereinigung Deutschlands verbunden waren, unterzeichnet wurde. Dabei wurde sogleich unterstrichen, dass es sich hier nicht um einen Friedensvertrag handelt. Es war einfach nur ein Vertrag über die Vereinigung der DDR und der BRD, nichts weiter. Und er bewahrte vier Einschränkungen der Souveränität der BRD, genauer gesagt, nicht nur der Vertrag selbst, sondern die auch damit verbundenen Dokumente:

Erstens das Verbot, Referenden bezüglich Kriegs-und Politikfragen durchzuführen. So einen Artikel gibt es im Grundgesetz, und der Moskauer Vertrag hat diesen nicht aufgehoben.

Zweitens das Verbot, den Abzug ausländischer Truppen vom Staatsgebiet zu fordern, so lang kein Friedensvertrag unterschrieben ist. Die Siegermächte können zwar ihre Truppen freiwillig abziehen, so wie es die Sowjetunion getan hat – aufgrund eines Sondervertrages vom 16. Oktober 1990. Fordern durfte man das aber nicht. Freiwillig abziehen (ja), fordern nein!

Und die dritte Einschränkung: Man darf keine außenpolitischen Entscheidungen treffen, ohne sich mit den (westlichen) Siegermächten zu beraten. Dieser Artikel des Deutschlandvertrages ist nach wie vor gültig.

Und schließlich viertens: Deutschland ist im Ausbau der Bundeswehr beschränkt. Alle diese Satzungen stehen in dem 1990 in Moskau geschlossen Zwei-pus-Vier-Vertrag. Juristisch ist dieser Vertrag also kein Friedensvertrag, obwohl manche sagen, dass dieser einem Friedensvertrag gleichkommt, es stimmt nicht.

Einen Friedensvertrag gibt es also nach wie vor nicht. Warum nicht? Ich denke, dass das der perfekte Mechanismus ist, um die äußere Kontrolle der westlichen Siegermächte über Deutschland zu bewahren.


LUFTPOST-Kommentar

Der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der eigentlich Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland heißt (13), regelt – wie der Name schon sagt – alle Fragen, die der Zweite Weltkrieg in Europa aufgeworfen hat, abschließend, ist also durchaus eine "friedensvertragliche Regelung".

"Ein zusätzlicher Friedensvertrag ist daher weder geplant, noch machte er Sinn. Alles, was ein Friedensvertrag füglich enthalten sollte, ist mithin geregelt. Der Zwei-plus-vier-Vertrag ersetzt damit kraft seines auf mehr als Frieden gerichteten Inhalts jeden Friedensvertrag mit den Kriegsgegnern." (Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band V, § 135, S. 2071)

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages kommen in einem 2007 veröffentlichten Gutachten zum Zwei-plus-Vier-Vertrag (14) zum gleichen Ergebnis.

Der Art. 7 des Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland lautet:

    Artikel 7

    (1) Die Französische Republik, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Vereinigten Staaten von Amerika beenden hiermit ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes. Als Ergebnis werden die entsprechenden, damit zusammenhängenden vierseitigen Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken beendet und alle entsprechenden Einrichtungen der Vier Mächte aufgelöst.

    (2) Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.

Die Bundesrepublik Deutschland ist also auch völkerrechtlich ein Staat mit uneingeschränkter Souveränität. Im Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages heißt es dazu:

"Nach Ansicht der Literatur stellt der Zwei-plus-Vier-Vertrag als abschließende Regelung in bezug auf Deutschland die volle Souveränität der Bundesrepublik Deutschland wieder her. Soweit ersichtlich wird ein (zukünftiger) 'Friedensvertrag' dafür nicht für erforderlich gehalten."

Das Grundgesetz sieht Volksabstimmungen nur bei der Neugliederung des Bundesgebietes (Art. 29 Abs. 2 GG) und bei der Beschlussfassung über eine neue Verfassung (Art. 146 GG) vor. Deshalb trifft es nicht zu, dass Referenden bezüglich Kriegs- und Politikfragen "verboten" seien.

Es ist dem Bundestag oder der Bundesregierung auch keinesfalls verboten, den Abzug aller ausländischen Truppen aus der Bundesrepublik Deutschland zu fordern. Der Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (15) war nämlich nur bis zum Abschluss des so genannten Zwei-plus-Vier-Vertrages unkündbar. Einem Notenwechsel mit den westlichen Siegermächten vom November 1990 (16) ist unter Ziffer 3. zu entnehmen, dass der so genannte Truppenstationierungsvertrag jetzt mit einer Frist von nur zwei Jahren jederzeit kündbar ist:
    "Jede stationierende Vertragspartei kann durch Anzeige an die anderen Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren von dem Aufenthaltsvertrag zurücktreten. Die Bundesrepublik Deutschland kann den Aufenthaltsvertrag in Bezug auf eine oder mehrere Vertragsparteien durch Anzeige an die Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren beenden."
Einen Artikel, der die Bundesrepublik dazu verpflichtet, sich vor außenpolitischen Entscheidungen mit den westlichen Siegermächten zu beraten, konnten wir in der überarbeiteten Form des Deutschlandvertrages (7) nicht finden.

Was den "Ausbau der Bundeswehr" angeht, haben die BRD und die DDR in Art. 3 (2) des so genannten Zwei-plus-Vier-Vertrages Folgendes erklärt:
    "(2) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat in vollem Einvernehmen mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik am 30. August 1990 in Wien bei den Verhandlungen über Konventionelle Streitkräfte in Europa folgende Erklärung abgegeben:

    'Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sich, die Streitkräfte des vereinten Deutschland innerhalb von drei bis vier Jahren auf eine Personalstärke von 370000 Mann (Land-, Luft- und Seestreitkräfte) zu reduzieren. Diese Reduzierung soll mit dem Inkrafttreten des ersten KSE-Vertrags beginnen. Im Rahmen dieser Gesamtobergrenze werden nicht mehr als 345000 Mann den Land- und Luftstreitkräften angehören, die gemäß vereinbartem Mandat allein Gegenstand der Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa sind. Die Bundesregierung sieht in ihrer Verpflichtung zur Reduzierung von Land- und Luftstreitkräften einen bedeutsamen deutschen Beitrag zur Reduzierung der konventionellen Streitkräfte in Europa. Sie geht davon aus, daß in Folgeverhandlungen auch die anderen Verhandlungsteilnehmer ihren Beitrag zur Festigung von Sicherheit und Stabilität in Europa, einschließlich Maßnahmen zur Begrenzung der Personalstärken, leisten werden.'

    Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat sich dieser Erklärung ausdrücklich angeschlossen."
Über diese auch für die erweiterte Bundesrepublik geltende Verpflichtung sollte sich ein russischer Politologe nach den im Zweiten Weltkrieg mit der "Großdeutschen Wehrmacht" gemachten Erfahrungen eigentlich freuen.


Fortsetzung des Transkripts

M. Bityutski: Welcher genau der drei (westlichen Siegermächte wollte die äußere Kontrolle über Deutschland bewahren)?

A. Fenenko: Alle drei. Lassen Sie uns daran zurückdenken, wie Deutschland wiedervereint wurde.

Frankreich war strikt gegen die Vereinigung der BRD mit der DDR, und setzte sich dafür ein, dass sie getrennt blieben. Großbritannien war 1990 nur mit einer Konföderation der DDR und der BRD einverstanden. Die USA hielten sich komplett heraus.

Nur die Tatsache, dass Gorbatschow die Variante Zwei-plus-Vier unterstützte, machte die Umsetzung dieser Formel möglich.

Und dennoch nicht allumfassend, denn eben Frankreich setzte sich dafür ein, dass die Souveränität Deutschlands beschränkt blieb. Das war die Politik Mitterrands. Daraus können wir den Schluss ziehen, wer am meisten an der äußeren Kontrolle Deutschlands interessiert ist.

M. Bityutski: Gab es deutsche oder sonstige Politiker, die sich für die Unterzeichnung eines Friedensvertrages einsetzten?

A. Fenenko: Wissen Sie, es gab sie. Recht offen setzte sich dafür Verteidigungsmister Rudolf Scharping Anfang des 21. Jahrhunderts ein, und das Interessanteste ist, dass er ziemlich schnell des Amtes enthoben wurde.

Dann versuchte auch Helmut Kohl diese Frage irgendwie zu lösen, so weit bekannt ist. Im August 1994 sollte Jelzin Berlin besuchen, um die Frage nach dem Abzug sowjetischer Truppen aus Deutschland zu lösen. Damals wurde erwartet, dass diese Frage nach der Aufhebung der Einschränkung der deutschen Souveränität geklärt werden würde, dass Russland und Deutschland mit einer gemeinsamen Erklärung aufkommen, die danach den restlichen Mächten übergeben wird, und dass man danach einen vollwertigen Friedensvertrag diskutiert.

Das ist jedoch nicht geschehen, und ich erinnere daran, dass kurz zuvor, etwa im Juli 1994, Spannungen von Seiten Londons und Paris herrschten. Sie sagten damals offen, dass sie in Verbindung mit den Ereignissen auf dem Balkan – es war der 80. Jahrestag seit Beginn des Ersten Weltkrieges – in keiner Form ein Wiederaufleben des deutschen Militarismus zulassen würden.

Der zweite Moment war im Mai 1995, als sich der Tag des Sieges (im Zweiten Weltkrieg) zum 50. Mal jährte und Kanzler Kohl zu den Feierlichkeiten in Moskau eingeladen war. Auch der Präsident der USA, Bill Clinton, war dort, und man erwartete, dass sie zu dritt eine Verkündung über eine Revision der eingeschränkten Souveränität Deutschlands machen würden. Doch auch das führte zu nichts, wie wir wissen. Den letzten Versuch machte Scharping. Danach verblieb diese Frage bis heute in einem vollkommen eingefrorenen Zustand.


LUFTPOST-Kommentar

Die in Großbritannien und in Frankreich besonders von Mitterand geäußerten Bedenken gegen eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten hat auch die Bundeszentrale für politische Bildung bestätigt (17).

Aus dieser verlinkten Quelle geht außerdem hervor, dass sich die USA keineswegs "vollkommen heraushielten". Sie stimmten dem so genannten Zwei-plus-Vier-Vertrag nur unter der Bedingung zu, dass auch das vereinte Deutschland in der NATO und in der Europäischen Gemeinschaft bleiben würde.

Die Sowjetunion war durch die Öffnung der Berliner Mauer in eine schwierige Situation geraten. Weil die DDR nur noch mit einer sowjetischen Militärintervention zu retten gewesen wäre, war die Vereinigung der beiden deutschen Staaten eigentlich nicht mehr aufzuhalten. Da beim Ausscheiden der DDR auch mit dem Ausstieg Polens, Ungarns und der Tschechoslowakei aus dem Warschauer Vertrag zu rechnen war, warnte Michail Gorbatschow, der Generalsekretär der KPDSU, die Mitgliedsstaaten des Warschauer Vertrages zunächst davor, "in die Flammen zu blasen". Erst als der damalige CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl die Lieferung großer Mengen von Lebensmitteln in die Sowjetunion und eine umfassende Zusammenarbeit für die Zeit nach der Vereinigung der DDR mit der BRD anbot, stimmte Gorbatschow den deutschen Vereinigungsplänen zu.

Die Bundeszentrale für Politische Bildung führt in einer Information mit dem Titel "Von der beschränkten zur vollen Souveränität Deutschlands" zu den Plänen der Kohl/Genscher-Regierung Folgendes aus (18):
    "Was wollte die Bundesregierung in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen erreichen? Vorrangiges Ziel war die Wiederherstellung der Einheit und Souveränität Deutschlands. Dabei sollten die Bindungen an NATO, EG und WEU erhalten bleiben. Bundeskanzler Kohl wollte die Sowjetunion so schnell wie möglich zum Abzug ihrer Truppen aus dem dann östlichen Teil des vereinten Deutschland bewegen und zugleich die Präsenz der Alliierten in Berlin im Einvernehmen mit allen Beteiligten beenden. Darüber hinaus sollte das politische System der Bundesrepublik auf die DDR ausgeweitet, der Kernstaat Bundesrepublik um das Beitrittsgebiet DDR zum Grundgesetz erweitert werden. Bei den Sechsmächte-Verhandlungen sollte es lediglich um eine vertragliche Regelung gehen, aufgrund derer bestehende Rechte der Alliierten obsolet würden. Das Interesse der Bundesregierung an einem Friedensvertrag war äußerst gering. Ein Diktatfriede à la Versailles 1919 war ebenso wenig akzeptabel wie ein Sonderstatus, der Deutschland singularisieren und diskriminieren würde. Angesichts möglicher materieller Forderungen der Vielzahl ehemaliger Kriegsgegner war es ratsam, auf eine Friedenskonferenz zu verzichten. Die Deutschen wollten nicht mehr Angeklagte sein."
Auch die Behauptung, Rudolf Scharping, der Verteidigungsminister der auf die Kohl/Genscher-Regierung folgenden Schröder/Fischer-Regierung, sei "seines Amtes enthoben worden", weil er unbedingt einen "Friedensvertrag" wollte, trifft nicht zu. Scharping wurde wegen seiner "Mallorca-Affäre", seiner "Hunzinger-Affäre" und seines deshalb geschwundenen Ansehens bei der Bundeswehr von Bundeskanzler Gerhard Schröder entlassen.


Fortsetzung des Transkripts

M. Bityutski: Ich würde gern auf die Frage der Souveränität eingehen. Sie sagen, dass Deutschland nicht souverän ist.

A. Fenenko: Eingeschränkt. Das ist ein Unterschied, man kann eine eingeschränkte Souveränität haben oder nicht souverän sein. Nicht souverän war Deutschland bis 52. Nachdem dann der Besatzungsstatus aufgehoben wurde, wurde Deutschland teilweise souverän, genau wie Japan übrigens. Niemand sagt, dass Japan kein souveräner Staat ist, doch es gibt Dokumente, die die Souveränität einschränken.

M. Bityutski: Sie haben das Besatzungsrecht angesprochen. Sie schreiben, dass der Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland, der so genannte Zwei-plus-Vier-Vertrag, den Rest des Besatzungsstatus der BRD aufhob und die Rechte der Siegermächte auf ihrem Gebiet aufhob.

Im Jahr 2006 veröffentlichte die wissenschaftliche Abteilung des Bundestages eine Expertise. Hier steht, dass Deutschland souverän ist, aber das Besatzungsrecht immer noch gültig ist. Deutschland sei zwar kein besetztes Land mehr, aber das Besatzungsrecht gilt nach wie vor. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass Deutschland immer noch Besatzungskosten für die Stationierung ausländischer Truppen zahlt.

A. Fenenko: Mehr noch. Erst im Jahr 2009 hat Deutschland die Reparationskosten vom Ersten Weltkrieg abbezahlt. Das ist schon kurios. Was das Besatzungsrecht angeht, so äußert sich das folgendermaßen:

Erstens sind das – wie Sie sagen – die Kosten für die Stationierung der Truppen, deren Abzug Deutschland nicht fordern darf, und zweitens ist es folgender Punkt – denken Sie darüber nach – Deutschland darf von den Alliierten nicht fordern, dass sie es von Truppenbewegungen auf dem Gebiet Deutschlands in Kenntnis setzen. Wenn also eine amerikanische Kolonne von der Basis in Ramstein zu einer anderen fährt –

M. Bityutski: Was ständig passiert –

A. Fenenko: Dann könnten die Deutschen freiwillig davon in Kenntnis gesetzt werden, und die Deutschen könnten die Amerikaner darum bitten, sie in Kenntnis zu setzen. Wenn die Amerikaner aber nicht darauf eingehen, dann können die Deutschen gar nichts fordern. Und so wird die Souveränität in der Praxis eingeschränkt.

Ein Referendum darüber, ob sie eine amerikanische Militärbasis auf ihrem Gebiet möchten, können die deutschen Bürger nicht abhalten. Das ist verboten. Daran äußern sich die Überbleibsel des Besatzungsstatus.

M. Bityutski: Ich würde gerne aus der Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes zitieren. Man kommt zu folgendem Schluss (zitiert aus S. 8 der im unserem nachfolgenden Kommentar verlinkten "Expertise"):

"Die Tatsache, dass sich ein Staat gegenüber anderen Staaten Bindungen auferlegt, ist jedoch kein Beweis für eine nur unvollständige Souveränität des Staates, sondern im Gegenteil gerade Ausfluss seiner Souveränität."

Ein etwas komplizierter Satz, finden Sie nicht, dass hier Begriffe verdreht werden?

A. Fenenko: Es kommt darauf an, was wir für Souveränität halten. Im Vergleich zum Jahr 1952 ist das wahrscheinlich tatsächlich ein Beweis für Souveränität. Es kommt darauf an, wovon wir ausgehen und wie wir rechnen.

M. Bityutski: Es ist schon viel Zeit vergangen.

A. Fenenko: Ist die BRD souveräner als Deutschland im Jahr 1952? Natürlich ist sie souveräner als die BRD im Jahr 1952, natürlich. Aber es geht darum, dass sie bis heute keine Souveränität wie Großbritannien und Frankreich oder sogar Italien hat.

M. Bityutski: Stimmen alle darin überein, oder gibt es Politiker, die sagen: Nein, Deutschland ist ein vollkommen souveräner Staat?

A. Fenenko: Wissen Sie, man könnte ja auch über Japan sagen, dass es ein vollkommen souveräner Staat ist. Doch so lange entsprechende Artikel in der Verfassung oder der amerikanisch-japanische Sicherheitsvertrag nicht aufgehoben sind, bleiben das leere Worte. Man kann natürlich freudig verkünden, dass man keine Souveränitätseinschränkungen hat, und in einer Parallelwelt leben, warum auch nicht? Man kann so tun, als gäbe es das alles nicht. Stellen Sie sich vor, Sie sind erkältet, trinken morgens viel Kaffee, gehen zur Arbeit und tun so, als wäre man nicht erkältet. Wozu führt das? Vermutlich wird der Kaffe für ein paar Stunden puschen, doch danach kommt die Krankheit mit neuer Wucht zurück.

M. Bityutski: Was bedeutet das für Deutschland, wie könnte diese Krankheit zurückkommen?

A. Fenenko: Für Deutschland hat sich das schon 2010 gezeigt, als sie versucht haben, die Frage nach einem Abzug amerikanischer taktischer Atomwaffen aus Deutschland aufzuwerfen. Damals hat der Bundestag am 24. April 2009 eine Resolution über den Abzug taktischer Atomwaffen aus Deutschland (LUFTPOST: Es muss 24. April 2010 heißen) verabschiedet (19). Die Amerikaner haben sofort die NATO einberufen und in Tallinn 2010 eine entsprechende Regel beschlossen, dass Deutschland nur in Absprache mit allen NATO-Mitgliedern so etwas fordern darf (20). Und das war's. So lange nicht alle anderen NATO-Mitgliedsstaaten zustimmen, wird es keinen Abzug amerikanischer Atomwaffen geben.

M. Bityutski: Einen freien Willen hat Deutschland also nicht.

A. Fenenko: Genauso wie Japan.

M. Bityutski: Es gibt noch einen interessanten Satz in diesem Gutachten:

"Der Fortbestand des Besatzungsrechts basiert darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland freiwillig eine entsprechende völkerrechtliche Bindung eingegangen ist."

Wovon ist hier die Rede, hier steht nicht wie und wann?

A. Fenenko: Hier sind der Zwei-plus-Vier-Vertrag und der Deutschlandvertrag der Jahre 1990 und 1952 gemeint.

M. Bityutski: War das wirklich freiwillig?

A. Fenenko: Was heißt schon freiwillig? Man will ja nicht gerne zugeben, dass einem das diktiert wurde, das ist nicht angenehm.

M. Bityutski: Was ist mit Russland, dem heutigen Russland? Hat es tatsächlich keine vergleichbaren Druckmittel auf Deutschland, oder gab es vielleicht irgendwelche geheimen Verträge mit der Sowjetunion?

A. Fenenko: Wir hatten nie Druckmittel, wenn wir von der Bundesrepublik Deutschland reden und nicht von der DDR. Ich denke, Russland hegte in den 90er Jahren große Hoffnungen, bezüglich dessen, dass je mehr Deutschland auf seine Souveränität pochen würde, sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen entsprechend verschlechtern würden.

M. Bityutski: Warum ist das nicht passiert?

A. Fenenko: Die Amerikaner haben Deutschland an die Wand gedrückt, verstehen Sie. Es ist nichts passiert, sie haben Deutschland an die Wand gedrückt. Ich denke, das ist damit verbunden, dass das deutsche Establishment zwei Parteien hat. Die erste Partei, zu der Kohl und Schröder gehörten, setzt sich für eine Revision dieser Abmachungen ein, für die Wiederherstellung einer vollkommenen Souveränität Deutschlands. Das würde den Weg einer Freundschaft mit Russland bedeuten, anders lässt sich diese Frage nicht lösen. Die zweite Partei setzt sich dafür ein, dass das Besatzungsrecht erhalten bleibt: Es soll bleiben, und wir erschließen uns herrschaftlich Osteuropa (Damit meint er wohl, die Merkel-"Partei" wolle sich Osteuropa "aneignen".) Das bedeutet dann einen Konflikt mit der Russischen Föderation. Merkel ist eine klassische Vertreterin dieser zweiten Partei.


LUFTPOST-Kommentar

Bei der "Expertise" handelt es sich um eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages mit dem Titel "Überleitungsvertrag und 'Feindstaatenklauseln' im Lichte der völkerrechtlichen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland" (21).

Die Interviewerin Margarita Bityutski behauptet, in dieser "Expertise" stünde, Deutschland sei zwar souverän, das Besatzungsrecht sei aber immer noch gültig.

Das trifft nicht zu, denn in Wirklichkeit haben nur einige Bestimmungen aus dem so genannten Überleitungsvertrag (9) ihre Gültigkeit behalten. In der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste heißt es dazu ab S. 7:
    "Im Zuge des '2+4-Vertrages' kam es am 27./28. September 1990 zu einem Notenwechsel zwischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs. Dieser Notenwechsel sieht in Art. 2 das Außerkrafttreten des 'Überleitungsvertrages' vor, verbunden jedoch mit der Einschränkung nach Art. 3, dass verschiedene enumerativ aufgezählte Regelungen trotz der Aussage von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 des „2+4-Vertrages“ weiterhin in Kraft bleiben. Demnach bleiben auch nach 1990 folgende [im Anhang aufgeführten] Bestimmungen des Überleitungsvertrages (9) wirksam.

    Bei den fortgeltenden Bestimmungen handelt es sich im wesentlichen um sog. 'versteinertes Besatzungsrecht', also Besatzungsrecht, welches bereits bei Abschluß des 'Überleitungsvertrages' keinerlei Disposition durch die deutsche Staatsgewalt unterlag. Zusammenfassend lässt sich das weiter gültige Besatzungsrecht in drei große Bereiche einteilen:

    Gültig bleiben alle Rechte und Verpflichtungen, die durch gesetzgeberische, gerichtliche oder Verwaltungsmaßnahmen der Besatzungsbehörden oder aufgrund solcher Maßnahmen begründet oder festgestellt worden sind.

    Ferner bleiben alle Maßnahmen, die für 'Zwecke der Reparation oder Restitution oder aufgrund des Kriegszustandes' gegen das 'deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind', einschließlich eines diesbezüglichen Klagestopps, gültig.

    Schließlich bleiben 'Maßnahmen, welche von den Regierungen oder mit ihrer Ermächtigung in der Zeit zwischen dem 1. September 1939 und dem 5. Juni 1945 wegen des in Europa bestehenden Kriegszustandes getroffen wurden', einschließlich eines diesbezüglichen Klagestopps, wirksam.

    Die Tatsache, dass verschiedene Bestimmungen und Maßnahmen der Besatzungsmächte bestandskräftig sind, führt nicht zu dem Ergebnis, dass die Bundesrepublik Deutschland heute völkerrechtlich nicht vollständig souverän ist. Der Fortbestand des Besatzungsrechts basiert darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland freiwillig eine entsprechende völkerrechtliche Bindung eingegangen ist. Die Tatsache, dass sich ein Staat gegenüber anderen Staaten Bindungen auferlegt, ist jedoch kein Beweis für eine nur unvollständige Souveränität des Staates, sondern im Gegenteil gerade Ausfluß seiner Souveränität. Daher sind die fortgeltenden Bestimmungen des 'Überleitungsvertrages' nicht als Beschränkung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland anzusehen."
Die Interviewerin greift aus der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste nur zwei Sätze heraus, die am Ende des von uns abgedruckten längeren Zitates stehen, und zitiert sie auch noch in umgekehrter Reihenfolge:
    Erster Satz "Die Tatsache, dass sich ein Staat gegenüber anderen Staaten Bindungen auferlegt, ist jedoch kein Beweis für eine nur unvollständige Souveränität des Staates, sondern im Gegenteil gerade Ausfluß seiner Souveränität."

    Zweiter Satz: "Der Fortbestand des Besatzungsrechts basiert darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland freiwillig eine entsprechende völkerrechtliche Bindung eingegangen ist."
Fenenko schließt aus diesen buchstäblich aus dem Zusammenhang gerissenen Sätzen und der Tatsache, dass die im Versailler Vertrag festgelegten Reparationskosten aus dem Ersten Weltkrieg vollständig bezahlt wurden, die Bundesrepublik Deutschland verfüge demzufolge – wie Japan – nur über eine "eingeschränkte Souveränität".

Der Vergleich mit Japan hinkt schon deshalb, weil der "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" mit allen vier Siegermächten geschlossen wurde, auf dem mit Japan vereinbarten "Friedensvertrag von San Francisco" aber die Unterschriften von China, Russland und Indien fehlen und der Kurilenkonflikt zwischen Russland und Japan immer noch schwelt.

Auch die Behauptung, deutsche Behörden müssten nicht über Fahrten von US-Militärkolonnen – zum Beispiel von der Air Base Ramstein zu anderen US-Militärbasen – informiert werden, trifft nicht zu, weil sie regelmäßig von der deutschen Polizei oder von Feldjägern der Bundeswehr begleitet werden.

Mit der Feststellung, "Deutschland zahle immer noch Besatzungskosten für die Stationierung ausländischer Truppen", greift Fenenko ein Problem auf, das nichts mit der Souveränität der Bundesrepublik zu tun hat, weil auch andere NATO-Staaten, in denen fremde Streitkräfte stationiert sind, durch das NATO-Truppenstatut (22) und das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (23) dazu verpflichtet sind, sich an den Stationierungskosten zu beteiligen. Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen haben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages in einer weiteren Ausarbeitung untersucht (24).

Wie hoch diese Stationierungskosten wirklich sind, ist eines der am besten gehüteten "Staatsgeheimnisse" der Bundesrepublik. Ältere Angaben dazu finden sich in der Süddeutschen Zeitung (25), in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage (26), bei Wikipedia (27) und bei goldseiten.de (28). Um die tatsächliche Höhe der Stationierungskosten sollte sich die Kampagne "Abrüsten statt Aufrüsten" kümmern, denn auch die Stationierungskosten sind gut versteckte Rüstungsausgaben.

Fenenko behauptet außerdem: "So lange nicht alle anderen NATO-Mitgliedsstaaten zustimmen, wird es keinen Abzug amerikanischer Atomwaffen geben."

Das ist schon deshalb falsch, weil die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 13 des Nordatlantikvertrages (29) jederzeit mit einer Frist von nur einem Jahr aus der NATO austreten kann. Dieser Artikel lautet:

    Artikel 13

    Nach zwanzigjähriger Geltungsdauer des Vertrags kann jede Partei aus dem Vertrag ausscheiden, und zwar ein Jahr, nachdem sie der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die Kündigung mitgeteilt hat; diese unterrichtet die Regierungen der anderen Parteien von der Hinterlegung jeder Kündigungsmitteilung.

Wenn ein Jahr vor dem Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO auch der Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland gekündigt würde, müssten ein Jahr nach der Erklärung des Austritts aus der NATO nicht nur alle ausländischen Truppen, sondern auch die US-Atombomben in Büchel aus unserem Land verschwunden sein.

Eine Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages müsste nur den Mut haben, unsere uneingeschränkte Souveränität voll auszuschöpfen, und die Kündigung des Vertrages über den Aufenthalt ausländischer Truppen und den Austritt aus der NATO beschließen, um den tatsächlich von allen US-Regierungen – nicht nur von der Trump-Regierung – ausgeübten Druck auf die Bundesrepublik Deutschland definitiv zu beenden.


Fortsetzung des Transkripts

M. Bityutski:
Und wir sehen, das (der von den USA ausgeübte Druck) trägt Früchte. Ich würde gern noch auf die Feindstaatenklausel in der UNO-Satzung eingehen. Können Sie in zwei Sätzen beschreiben, was das ist und warum es die immer noch gibt?

A. Fenenko: Warum sollte es die nicht mehr geben?

M. Bityutski: Weil sich zum Beispiel Kofi Annan 2004 selbst für die Abschaffung einsetzte.

A. Fenenko: Man kann sich für vieles einsetzen, doch wie real ist die Umsetzung. Schauen Sie, mit Japan ist der Friedensvertrag von San Francisco kein vollständiger Friedensvertrag, Russland und China haben ihn nicht unterschrieben. Mit Deutschland gibt es keinen Friedensvertrag. Was sollen die zuständigen Mitglieder des Sicherheitsrates machen, allen ist klar, dass das in einer solchen Situation eher wenig realistisch ist.

M. Bityutski:
Aber braucht man diese Klauseln noch? Hier im Gutachten ist auch von dieser Feindstaatenklausel die Rede, und steht das Wort obsolet. Die Klausel sei obsolet und hätte keine faktische Wirkung mehr.

A. Fenenko: Doch, sie hat faktische Wirkung, schließlich wird die Einschränkung der Souveränität dieser Staaten beibehalten.

M. Bityutski: Man hat also einen Grund, daran festzuhalten.

A. Fenenko: Natürlich, das ist die Logik unserer Weltordnung. Und wir leben in einer Welt, die aufgrund des Ausgangs des Zweiten Weltkriegs umformatiert wurde. Sie beruht auf einer Einschränkung der Befugnisse Deutschlands und Japans, ihrer Souveränität. Sie sind nach wie vor besiegte Staaten, Warum regieren wir zu fünft als ständige Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates die Welt? Weil wir im Zweiten Weltkrieg die Sieger waren. Das legitimiert unsere Macht über die Welt als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates der UNO.

M. Bityutski: Es ist klar, dass alle anderen davon profitieren, doch warum unternimmt die Regierung Deutschlands keine Versuche, diese Situation zu lösen?

A. Fenenko: Wie sollte sie das tun? Sie darf ja keine außenpolitischen Entscheidungen ohne den Beirat der Siegermächte treffen. Das ist das erste. Und zweitens achten die Siegermächte ja auch genau darauf, wer in Deutschland in der Regierung ist. Wenn Deutschland aktiv zu handeln beginnt, wird es in Europa zu einer Revision des Ausgangs des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Aggression kommen. Es gibt ein interessantes Land – Polen. Stellen Sie sich zum Beispiel nur einmal vor, wie Polen darauf reagieren würde?

M. Bityutski: In welchem Zustand befindet sich das heutige Deutschland, wenn wir zusammenfassen?

A. Fenenko: Das heutige Deutschland, es gibt den Begriff "deponieren" – zur Seite legen, auf unbestimmte Zeit einfrieren und nicht anrühren. Ich würde den Zustand Deutschlands als deponiert bezeichnen, so wie auch den Japans. Sie teilen, so gesehen, ein Schicksal.

Beiden Staaten fehlt eine rechtliche Gleichstellung mit anderen Staaten. Beide Staaten haben eine wirtschaftliche Macht erlangt, die schnell in militärisches Potential umgesetzt werden könnte, und beide sind deponiert. Doch wann die Bombe hochgeht, ist eine andere Frage. Ich glaube, dass sie im Falle einer rasanten Verschlechterung der amerikanisch-russischen Beziehungen hochgehen kann.

M. Bityutski: Auf welche Art könnte sie hochgehen?

A. Fenenko: Stellen Sie sich eine unangenehme Kriegsvariante vor, dass Russland und die USA eine direkte Auseinandersetzung in Syrien haben, dass die USA zum Beispiel russische Abwehrsysteme bombardieren und Russland amerikanische Schiffe, das, worüber wir im Frühling 2018 gesprochen haben. Würde der UNO-Sicherheitsrat nach solchen Ereignissen in der jetzigen Form noch fortbestehen bleiben?

M. Bityutski: Die Deutschlandfrage wurde also nie geklärt?

A. Fenenko: Niemals. Diese Frage wurde nicht geklärt. Sie bleibt bestehen und wartet wohl auf ihre Zeit.

M. Bityutski: Kann sie denn geklärt werden?

A. Fenenko: Stellen Sie sich mehrere Varianten vor: Erste Variante, nach dem Brexit zerfällt die Europäische Union, was passiert dann mit Deutschland? Wahrscheinlich wird es sich mit Ländern wie Österreich, Luxemburg oder Liechtenstein vereinen. Dann würde es eine Revision der Grenzen von 1990 geben. Geben wir hier noch die hysterischen Schreie Polens über Antistalinismus hinzu, denn sie vergessen, dass (ihnen) ein Drittel Polens von Stalin geschenkt wurde – Schlesien, Posen, Vorpommern und der Rest von Ostpreußen. Dann stellt sich die Frage, wie legitim die Macht Warschaus über diese Gebiete ist, wenn das Stalin-Regime verbrecherisch war? Ein Zerfall der Europäischen Union könnte also tatsächlich zu einer vollständigen Revision der Grenzen in Europa führen, auch der Grenzen Deutschlands.

Die zweite Variante haben wir bereits angesprochen. Es kommt zu einem bewaffneten Konflikt zwischen den Siegermächten. Dann würde Deutschland, wie Japan, aus dem Schatten treten. Es würde sich also das Szenario des 19. Jahrhunderts wiederholen. Der Krimkrieg zwischen Russland und Großbritannien, den Hauptsiegern der Napoleonischen Kriege, bot allen anderen Staaten die Chance zum Aufschwung.

Und schließlich die dritte Variante, ich würde sagen, recht interessante Variante, die für uns unangenehmste und gefährlichste, wenn die USA Deutschland in einen Konflikt mit Russland hetzen.

M. Bityutski: Welche dieser drei Varianten halten Sie für die wahrscheinlichste?

A. Fenenko: Wissen Sie, ich würde wohl leider auf die zweite tippen.

M. Bityutski: Gut, vielen Dank, das war wirklich sehr interessant.

A. Fenenko: Ich danke Ihnen.


LUFTPOST-Kommentar

Um unseren Kommentar nicht völlig mit Zitaten aus Verträgen und Vereinbarungen zu überfrachten, möchten wir hier nicht näher auf die Feindstaatenklauseln in der UN-Charta eingehen. Wer sich damit befassen will, sollte das mit Hilfe der bereits zitierten Ausarbeitung "Überleitungsvertrag und 'Feindstaatenklauseln' im Lichte der völkerrechtlichen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland" (S. 10) der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages tun (21).

Wir fragen uns, was der russische Politologe Fenenko, der Mitglied des Russischen Sicherheitsrates sein soll, mit der ständigen Wiederholung unzutreffender Behauptungen und der Formulierung äußerst fragwürdiger Thesen erreichen will? Warum versucht er den Eindruck zu erwecken, das Grundgesetz sei eigentlich keine Verfassung? Warum behauptet er, der Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland sei keine vollwertige friedensvertragliche Reglung und die Bundesrepublik Deutschland sei deshalb ein Staat mit "eingeschränkter Souveränität"? Was soll die abenteuerliche Vorhersage bewirken, wenn die EU nach dem Brexit zerfalle, werde sich die vereinte Bundesrepublik Deutschland zunächst Österreich, Luxemburg und Liechtenstein (?) einverleiben und dann von Polen die "ihm von Stalin geschenkten" ehemals deutschen Gebiete Schlesien, Posen, Vorpommern und den polnischen Teil Ostpreußens zurückfordern?

Das vereinte Deutschland hat doch in Art. 1 (3) des Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland, dessen friedenspolitische Bedeutung Fenenko immer wieder in Frage stellt, völkerrechtlich verbindlich zugesichert, "keinerlei Gebietsansprüche gegen andere Staaten zu haben und auch in Zukunft solche nicht erheben zu wollen".

Können sich die Redakteure von RT und RT Deutsch nicht vorstellen, was sie politisch anrichten, wenn sie ein Video-Interview verbreiten, in dem die These vertreten wird, "die Deutschlandfrage sei noch nicht geklärt, bleibe bestehen und warte wohl auf ihre Zeit"?

Erkennt der russische Politologe Fenenko nicht, dass er mit dieser These Wasser auf die Mühlen der "Reichsbürger" und aller ewig Gestrigen und Revanchisten in der Bundesrepublik Deutschland und anderswo leitet?

Ist Fenenko entgangen, dass er mit seinen Thesen von der "eingeschränkten Souveränität" der Bundesrepublik Deutschland und der daraus abzuleitenden "eingeschränkten Entscheidungsfreiheit" der Deutschen, ihres Parlamentes und ihrer Regierung revisionistischen deutschen Kriegstreibern gleichzeitig "Persilscheine" für alle Untaten ausstellt, die sie in Komplizenschaft mit US-Imperialisten seit 1990 begangen haben und künftig begehen wollen?

Begreifen die Redakteure von RT und RT Deutsch nicht, dass sie durch die Verbreitung der unzutreffenden Behauptung, die Deutschen, ihre Parlamente, Regierungen und Behörden, könnten keine eigenständigen, von den USA und den anderen Siegermächten unbeeinflusste Entscheidungen treffen, auch der neuen Friedenskampagne "Nato raus – raus aus der NATO", die vom Deutschen Bundestag die Kündigung des Vertrages über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO und die Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zu Russland einfordert, in den Rücken fallen?


Fußnoten:

1 Margarita Bityutski:
https://twitter.com/bityutski?lang=de

2 Alexej Fenenko:
https://russiancouncil.ru/en/aleksey-fenenko/

3 RT-Interview mit Fenenko:
https://www.youtube.com/watch?v=YKV6UxyCq3g

4 RT-Interview mit Fenenko:
https://deutsch.rt.com/programme/der-fehlende-part/88629-deutschlandfrage-ist-nicht-geklaert-politikwissenschaftler

5 Grundgesetz Artikel 146:
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_146.html

6 Wikipedia über das Grundgesetz:
https://de.wikipedia.org/wiki/Grundgesetz_f%C3%BCr_die_Bundesrepublik_Deutschland

7 Deuschlandvertrag:
http://www.documentarchiv.de/brd/dtlvertrag.html

8 Truppenstationierungsvertrag:
https://www.cvce.eu/content/publication/1999/1/1/54a13f91-b0ed-410e-a44c-7e1259728541/publishable_de.pdf

9 Überleitungsvertrag:
https://www.hackemesser.de/ueberleitungsvertrag.html

10 Bundeszentrale für Politische Bildung über die Unterzeichnung des Moskauer Vertrags am 12. August 1970, 10.8.2015:
https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/210710/moskauer-vertrag

11 Wikipedia über den Moskauer Vertrag:
https://de.wikipedia.org/wiki/Moskauer_Vertrag

12 Siehe dazu auch NRhZ-Artikel "Deutschland trotz 2+4-Vertrag noch Besatzungsrecht unterworfen?"
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25918

13 Zwei-plus-Vier-Vertrag:
http://www.documentarchiv.de/brd/2p4.html

14 Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags zum Zwei-plus-Vier-Vertrag:
https://www.bundestag.de/resource/blob/579362/47b6ac2d55fcb4c12dfcce3cedc0e7d0/WD-2-149-07-pdf-data.pdf

15 Truppenstationierungsvertrag:
https://www.auswaertiges-amt.de/blob/241738/437ac3ab7bc1f06f6a66039695c3256b/vertragstextbgbl-data.pdf

16 Notenwechsel vom 25.09.1990 zum Truppenstationierungsvertrag:
https://www.auswaertiges-amt.de/blob/243520/3af71503aa1387a6c8648aaad5de697d/notenwechsel-september90-data.pdf

17 Bundeszentrale für Politische Bildung über die "Verhandlungen mit den Vier Mächten", 19.03.2009
http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/deutsche-teilung-deutsche-einheit/43771/2-plus-4-verhandlungen?p=all

18 Bundeszentrale für Politische Bildung, 22.4.2005
Von der beschränkten zur vollen Souveränität Deutschlands
http://www.bpb.de/apuz/29084/von-der-beschraenkten-zur-vollen-souveraenitaet-deutschlands?p=all

19 Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24.03.2010
Deutschland muss deutliche Zeichen für eine Welt frei von Atomwaffen setzen
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/011/1701159.pdf

20 NATO blockiert atomare Abrüstung (Neues Deutschland, 24.04.2010):
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/NATO/atom.html

21 Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags, 21.06.2006
Überleitungsvertrag und „Feindstaatenklauseln“ im Lichte der völkerrechtlichen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland
https://www.bundestag.de/resource/blob/414956/52aff2259e2e2ca57d71335748016458/wd-2-108-06-pdf-data.pdf

22 NATO-Truppenstatut:
http://www.abg-plus.de/abg2/ebuecher/abg_all/NATO-Truppe.htm

23 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut:
http://www.abg-plus.de/abg2/ebuecher/abg_all/Zusatzabkom.htm

24 Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags, 01.12.2008
NATO-Truppenstatut, Zusatzabkommen, Verwaltungsvereinbarungen
https://www.bundestag.de/resource/blob/418456/12c72156e0e29422d9933848bc4c6b0e/wd-3-416-08-pdf-data.pdf

25 Süddeutsche Zeitung, 16.11.2013
Deutschland zahlt Millionen für US-Militär
https://www.sueddeutsche.de/politik/geheimer-krieg-deutschland-zahlt-millionen-fuer-us-militaer-1.1820318

26 Antwort der Bundesregierung vom 18.04.2013 auf eine Kleine Anfrage der Linken
Leistungen des Bundes für die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten US-Streitkräfte und Entwicklungen an der Militärbasis Ansbach
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/131/1713166.pdf

27 Wikipedia über "Ausländische Militärbasen in Deutschland"
https://de.wikipedia.org/wiki/Ausl%C3%A4ndische_Milit%C3%A4rbasen_in_Deutschland

28 goldseiten.de, 20.08.2014
Deutschland: Aktuelle "Besatzungskosten" belaufen sich geschätzt auf über 30 Mrd. Euro jährlich
https://www.goldseiten.de/artikel/215315--Deutschland~-Aktuelle-Besatzungskosten-belaufen-sich-geschaetzt-auf-ueber-30-Mrd.--jaehrlich.html

29 NATO-Vertrag
https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_17120.htm?selectedLocale=de

   
Anhang:

Bestimmungen aus dem Überleitungsvertrag, die Gültigkeit behalten

(Nach den nur enumerativ aufgeführten Bestimmungen, die wirksam bleiben, ist – abgesetzt und in Klammern – ihr jeweiliger Wortlaut im Überleitungsvertrag eingefügt.)

aus dem ersten Teil: Art. 1 Absatz 1 Satz 1 bis "... Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern' sowie die Absätze 3, 4 und 5, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 und 3, Art. 5 Abs. 1 und 3, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8,
    (Art. 1 Absatz 1 Satz 1 bis 'Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern' lautet: "Die Organe der Bundesrepublik und der Länder sind gemäß ihrer im Grundgesetz festgelegten Zuständigkeit befugt, von den Besatzungsbehörden erlassene Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern."

    Art 1 Absätze 3, 4 und 5 lauten: "(3) Der in diesem Vertrag verwendete Ausdruck 'Rechtsvorschriften' umfaßt Proklamationen, Gesetze, Verordnungen, Entscheidungen (mit Ausnahme gerichtlicher Entscheidungen), Direktiven, Durchführungsbestimmungen, Anordnungen, Genehmigungen oder sonstige Vorschriften ähnlicher Art, die amtlich veröffentlicht worden sind. Die Bezugnahme auf eine einzelne Rechtsvorschrift schließt alle und jeden ihrer Teile, einschließlich der Präambel, ein, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.
    (4) Die amtlichen Texte der in diesem Artikel erwähnten Rechtsvorschriften sind diejenigen Texte, die zur Zeit des Erlasses maßgebend waren.

    (5) Der Ausdruck 'Besatzungsbehörden', wie er in diesem Teil verwendet wird, bedeutet den Kontrollrat, die Alliierte Hohe Kommission, die Hohen Kommissare der Drei Mächte, die Militärgouverneure der Drei Mächte, die Streitkräfte der Drei Mächte in Deutschland, sowie Organisationen und Personen, die in deren Namen Befugnisse ausüben oder im Falle von internationalen Organisationen und Organisationen anderer Mächte (und der Mitglieder solcher Organisationen) – mit deren Ermächtigung handeln, schließlich die bei den Streitkräften der Drei Mächte dienenden Hilfsverbände anderer Mächte."

    Art. 2 Absatz 1 lautet: "(1) Alle Rechte und Verpflichtungen, die durch gesetzgeberische, gerichtliche oder Verwaltungsmaßnahmen der Besatzungsbehörden oder auf Grund solcher Maßnahmen begründet oder festgestellt worden sind, sind und bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht in Kraft, ohne Rücksicht darauf, ob sie in Übereinstimmung mit anderen Rechtsvorschriften begründet oder festgestellt worden sind. Diese Rechte und Verpflichtungen unterliegen ohne Diskriminierung denselben künftigen gesetzgeberischen, gerichtlichen und Verwaltungsmaßnahmen wie gleichartige nach innerstaatlichem deutschem Recht begründete oder festgestellte Rechte und Verpflichtungen."

    Art. 3 Absätze 2 und 3 lauten: "(2) Soweit nicht in Absatz (3) dieses Artikels oder durch besondere Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Drei Mächte oder der betreffenden Macht etwas anderes bestimmt ist, sind deutsche Gerichte und Behörden nicht zuständig in strafrechtlichen oder nichtstrafrechtlichen Verfahren, die sich auf eine vor Inkrafttreten dieses Vertrags begangene Handlung oder Unterlassung beziehen, wenn unmittelbar vor Inkrafttreten dieses Vertrags die deutschen Gerichte und Behörden hinsichtlich solcher Handlungen oder Unterlassungen nicht zuständig waren, ohne Rücksicht darauf, ob sich diese Unzuständigkeit aus der Sache oder aus der Person ergibt.

    (3) Vorbehaltlich der Bestimmungen des Absatzes (1) dieses Artikels und jeder anderen einschlägigen Bestimmung des Vertrags über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten oder der in seinem Artikel 8 aufgeführten Zusatzverträge dürfen deutsche Gerichte die ihnen nach deutschem Recht zustehende Gerichtsbarkeit ausüben:

    (a) in nichtstrafrechtlichen Verfahren, für die das Privatrecht maßgebend ist:

    (i) gegen juristische Personen, wenn die Gerichtsbarkeit der deutschen Gerichte vorher allein deswegen ausgeschlossen war, weil diese juristischen Personen der Kontrolle der Besatzungsbehörden nach den Gesetzen Nr. 52 des SHAEF und der Militärregierung, betreffend Sperre und Kontrolle von Vermögen, nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 9, betreffend Beschlagnahme und Kontrolle des Vermögens der I. G. Farbenindustrie, oder nach dem Gesetz Nr. 35 der Alliierten Hohen Kommission, betreffend Aufspaltung der Vermögens der I. G. Farbenindustrie A. G., unterworfen waren;

    (ii) gegen natürliche Personen, es sei denn, daß solche Verfahren aus Pflichten oder Diensten für die Besatzungsbehörden entstehen oder Handlungen oder Unterlassungen im Zuge der Erfüllung solcher Pflichten oder der Leistung solcher Dienste betreffen oder aus Ansprüchen entstehen, auf die in Artikel 3 des Neunten Teils dieses Vertrags Bezug genommen wird. Für Unterhaltsklagen sind deutsche Gerichte jedoch nur zuständig, soweit Unterhalt für die Zeit nach Inkrafttreten dieses Vertrags verlangt wird;

    (b) in Strafverfahren gegen natürliche Personen, es sei denn, daß die Untersuchung wegen der angeblichen Straftat von den Strafverfolgungsbehörden der betreffenden Macht oder Mächte endgültig abgeschlossen war oder diese Straftat in Erfüllung von Pflichten oder Leistung von Diensten für die Besatzungsbehörden begangen wurde.

    Entsteht in einem strafrechtlichen oder nichtstrafrechtlichen Verfahren, auf das in diesem Absatz Bezug genommen wird, die Frage, ob jemand in Erfüllung von Pflichten oder Leistung von Diensten für die Besatzungsbehörden gehandelt hat, oder ob die Strafverfolgungsbehörden der betreffenden Macht oder Mächte die Untersuchung wegen der angeblichen Straftat endgültig abgeschlossen haben, so wird das deutsche Gericht eine Bescheinigung des Botschafters oder in seiner Abwesenheit des Geschäftsträgers der betreffenden Macht als schlüssigen Beweis für diese Frage in der in der Bescheinigung angegebenen Umfang anerkennen."

    Art. 5 Absätze 1 und 3 lauten: "(1) Alle Urteile und Entscheidungen in nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten, die von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde der Drei Mächte oder einer derselben bisher in Deutschland erlassen worden sind oder später erlassen werden, bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln und auf Antrag einer Partei von diesen in der gleichen Weise wie Urteile und Entscheidungen deutscher Gerichte und Behörden zu vollstrecken.

    (3) Im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Urteilen können Einwendungen gegen einen durch Urteil festgestellten Anspruch durch ein Verfahren nach § 767 der deutschen Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen deutschen Gericht geltend gemacht werden."

    Art. 7 Abs. 1 lautet: "(1) Alle Urteile und Entscheidungen in Strafsachen, die von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde der Drei Mächte oder einer derselben bisher in Deutschland gefällt worden sind oder später gefällt werden, bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln."

    Art. 8 lautet: "Folgende Personen genießen in bezug auf Handlungen, die sie in Ausübung ihres Amtes vorgenommen haben, während ihrer Amtsdauer und nach deren Ablauf Immunität gegen gerichtliche Verfolgung im Bundesgebiet:

    (a) Mitglieder der in Absatz (2) des Artikels 4 dieses Teils bezeichneten Gerichte;

    (b) Mitglieder der in Absatz (1) des Artikels 6 des Dritten Teiles dieses Vertrags bezeichneten Gerichte, an deren Stelle das Oberste Rückerstattungsgericht tritt;

    (c) von einer der Drei Mächte ernannte Mitglieder des gemäß Absatz (1) des Artikels 6 dieses Teils errichteten Gemischten Ausschusses und des in Absatz (5) des Artikels 7 dieses Teiles bezeichneten Gemischten Beratenden Gnadenausschusses;

    (d) von einer der Drei Mächte ernannte Mitglieder des in Absatz (1) des Artikels 12 dieses Teils bezeichneten Prüfungsausschusses;

    Während ihrer Amtsdauer genießen diese Personen im Bundesgebiet ferner die gleichen Vorrechte und Immunitäten, die Mitgliedern diplomatischer Missionen gewährt werden."
aus dem dritten Teil: Art. 3 Abs. 5 Buchstabe a des Anhangs und Art. 6 Abs. 3 des Anhangs,
    (3. Teil Art. 3 Absatz 5, Buchstabe a des Anhangs lautet: "(a) Die Richter haben während ihrer Amtszeit den Rang der entsprechenden Mitglieder des Bundesgerichtshofes und genießen während ihrer Amtszeit und nach deren Ablauf Immunität gegenüber gerichtlicher Verfolgung für Handlungen, die sie in Ausübung ihres Amtes vorgenommen haben."

    3. Teil Art. 6 Absatz 3 des Anhangs: "(3) Absatz (3), (4) und (5) des Artikels 2 und Absatz (4) und (5) des Artikels 3 dieser Satzung finden auf die Geschäftsstellenleiter des Gerichtes entsprechende Anwendung.")
aus dem sechsten Teil: Art. 3 Abs. 1 und 3,
    (6.Teil Art. 3, Absätze 1 und 3 lauten: "(1) Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen, das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden.

    (3) Ansprüche und Klagen gegen Personen, die auf Grund der in Absatz (1) und (2) dieses Artikels bezeichneten Maßnahmen Eigentum erworben oder übertragen haben, sowie Ansprüche und Klagen gegen internationale Organisationen, ausländische Regierungen oder Personen, die auf Anweisung dieser Organisationen oder Regierungen gehandelt haben, werden nicht zugelassen.")
aus dem siebten Teil: Art 1 und Art. 2,
    (7. Teil Art. 1 und 2 lauten:

    "Artikel 1: Die Bundesrepublik verpflichtet sich:

    (a) (gestrichen) (b) (gestrichen) (c) (gestrichen)

    (d) die Fortführung der Arbeiten zu gewährleisten, die gegenwärtig vom Internationalen Suchdienst durchgeführt werden;

    (e) die ordnungsgemäße Betreuung und Instandhaltung der Gräber alliierter ziviler Kriegsopfer (falls von den beteiligten Staaten nicht anderweitig vorgesehen), verschleppter Personen und nichtdeutscher Flüchtlinge im Bundesgebiet zu übernehmen und Pilgerfahrten von Angehörigen zu diesen Gräbern zu erleichtern;

    (f) den Behörden der Drei Mächte und anderer beteiligter alliierter Staaten bei der Exhumierung und überführung der Leichen von Kriegsopfern die gleichen Möglichkeiten wie bisher zu gewähren.

    Artikel 2: Die Bundesrepublik wird für die ordnungsgemäße Betreuung und Instandhaltung der Gräber alliierter Soldaten im Bundesgebiet (falls von den beteiligten Staaten oder den diesen Zwecken dienenden Organisationen dieser Staaten nicht anderweitig vorgesehen) Sorge tragen und die Tätigkeit dieser Organisationen erleichtern. Jede der Drei Mächte wird in ihrem Mutterland für die ordnungsgemäße Betreuung und Instandhaltung der Gräber deutscher Soldaten Sorge tragen und die Tätigkeit von Organisationen erleichtern, die diesen Zwecken dienen.")
aus dem neunten Teil: Art. 1,
    (9. Teil Art. 1 lautet: "Vorbehaltlich der Bestimmungen einer Friedensregelung mit Deutschland dürfen deutsche Staatsangehörige, die der Herrschaftsgewalt der Bundesrepublik unterliegen, gegen die Staaten, welche die Erklärung der Vereinten Nationen vom 1. Januar 1942 unterzeichnet haben oder ihr beigetreten sind oder mit Deutschland im Kriegszustand waren oder in Artikel 5 des Fünften Teils dieses Vertrags genannt sind, sowie gegen deren Staatsangehörige keine Ansprüche irgendwelcher Art erheben wegen Maßnahmen, welche von den Regierungen dieser Staaten oder mit ihrer Ermächtigung in der Zeit zwischen dem 1. September 1939 und dem 5. Juni 1945 wegen des in Europa bestehenden Kriegszustandes getroffen worden sind; auch darf niemand derartige Ansprüche vor einem Gericht der Bundesrepublik geltend machen.")
aus dem zehnten Teil: Art. 4
    (10. Teil Art. 4 lautet: "Die Bundesrepublik bestätigt, daß nach deutschem Recht der Kriegszustand als solcher die vor Eintritt des Kriegszustandes durch Verträge oder andere Verpflichtungen begründeten Verbindlichkeiten zur Bezahlung von Geldschulden und die vor diesem Zeitpunkt erworbenen Rechte nicht berührt.")

Mit Dank übernommen von LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein – dort veröffentlicht am 08.07.2019 (mit zusätzlichen Hinweisen)
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_19/LP07919_080719.pdf


Siehe auch:

Diskussion um das RT-deutsch-Interview mit dem russischen Politologen Alexej Fenenko und dessen LUFTPOST-Kommentierung
Kommentierung hochkarätig oder irreführend?
Von NRhZ-LeserInnen
NRhZ 714 vom 31.07.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26091

Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland
Den Hebel zur Beseitigung verschweigen?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 710 vom 19.06.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25997

RT-Deutsch-Redakteur Florian Warweg stellt bei Bundespressekonferenz die Frage nach dem Besatzungsrecht
Deutschland trotz 2+4-Vertrag noch Besatzungsrecht unterworfen?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 706 vom 22.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25918

Grünes Licht für die Friedensbewegung
Zwei-plus-Vier-Vertrag kein Hindernis für "NATO raus – raus aus der NATO"
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 704 vom 04.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25871

Online-Flyer Nr. 713  vom 17.07.2019



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