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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Krieg und Frieden
Martin-Luther-Uni Halle-Wittenberg (MLU): Studierende für eine Zivilklausel
NATO-Varwick contra Friedens-Uni
Von Dietrich Schulze

Am 18. Mai hatte MLU-Student und Freischreiber Max Zeising im Neuen Deutschland an die Auseinandersetzung um „den kriegerischen Professor“ und seit 2013 Lehrstuhlinhaber Prof. Johannes Varwick erinnert. Varwick versucht, die neudeutsche Kriegspolitik an der ehrwürdigen MLU zu verankern. Die Uni wurde 1836 gegründet. In zwei furchtbaren von deutschem Boden ausgegangen Weltkriegen waren Hallenser Uni-Angehörige beteiligt. Nach 180 Jahren ist es endlich an der Zeit, den antimilitaristischen auf weltweite Verständigung orientierten Frieden zum Maßstab des Uni-Alltags zu machen und im Sinne des MLU-Leitbildes solche Kriegsprofessuren zu überwinden. Diesem Gedanken soll dieser Beitrag gewidmet sein.


Uni Halle Löwengebäude (1836), Uni-logo und aktiver Friedensforscher aus hastuUNI 4-2012 (Collage: Dietrich Schulze)

AK Zivilklausel MLU

An der MLU wird seit 5 Jahren über Kriegsforschung und Zivilklausel debattiert. Hier ein Auszug aus der WebDoku der Initiative gegen Militärforschung [1]. Vor einem Jahr hat sich der Arbeitskreis Zivilklausel der MLU gebildet, der das friedliche Leitbild durch Einführung einer Zivilklausel für die universitäre Forschung und Lehre in der Grundordnung präzisieren will. Im letzten Oktober gab es eine AK-Vorlesungsreihe, die vom Autor am 22. Oktober zum Thema Zivilklausel eingeleitet wurde. Just einen Tag zuvor war bei IMI e.V. der Artikel „Professor Johannes Varwick und die Militarisierung der Hochschule“ erschienen. Keine Frage, dass das ein Schlüsselthema der Veranstaltung war.

Der AK hatte am 2. November eine Stellungnahme [2] herausgegeben, in der es heißt: »Prof. Varwicks Forschung wurde unter anderem durch das Militärbündnis NATO, das Verteidigungsministerium, militärpolitische Think Tanks und indirekt durch die Rüstungsindustrie finanziert. Des Weiteren ist Prof. Varwick Mitglied des „Arbeitskreises Sozialwissenschaften und Militär“, welcher am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam angesiedelt ist. Hier treten Wissenschaft und Militär in direkten Austausch. Ebenfalls in seine Lehre werden militärische Akteure integriert. Bei Vorlesungen ist schon ein Generalleutnant a.D. aufgetreten und in einem Seminar wurde das Planspiel der Bundeswehr durchgeführt.«

Das ist allein ein Widerspruch zum MLU-Leitbild, in dem es heißt: »Sie [die Universität] setzt sich für die friedliche Nutzung ihrer Forschungsergebnisse ein«. Für die von den Studierenden geforderte Zivilklausel ist der Widerspruch eindeutig. Auf die Frage „Was tun?“ komme ich gleich zurück.

NATO-Professor an MLU

Es ist bereits einiges über diese Kriegsprofessur berichtet worden. Werfen Sie doch bitte einen Blick in eine aktuelle Presseschau zum Suchwort “Uni Halle Varwick“ [3]. Sie lesen Kriegspolitik zum Teil pfiffig, häufig plump wie ein Bundeswehr- oder NATO-Pressesprecher. Zentrales Thema: Das Verteidigungsbündnis NATO muss sich gegen den neuen Aggressor Moskau zur Wehr setzen. Hören Sie sich nur den zitierten Tonmitschnitt eines Interviews bei detektor.fm am 13. März 2015 an. Das ist an primitiver Geschichtsfälschung schwer zu überbieten. Solche NATO-Promoter haben an einer öffentlichen alma mater, die der Redlichkeit, der Wahrheitssuche und dem vorurteilsfreien Geschichtsbewusstsein verpflichtet ist, nichts zu suchen.

Zurück zum Frieden

„Was tun?“ hatte ich gefragt. Die allerwichtigste Lehre aus der deutschen Geschichte ist, beharrlich und zielorientiert aufzuklären und Kooperationen aller Art für den Frieden zu schmieden, d.h. bei aller Problematik des heutigen Studienbetriebs nicht nachzulassen. Ein bewährtes Mittel zur Mobilisierung ist die Urabstimmung über einen konkret vorzulegenden Zivilklausel-Text, zweckmäßig zu verbinden als Parallelabstimmung zur StuPa-Wahl. Als Vorbereitung dafür sind regelmäßige Veranstaltungen zweckmäßig und vernünftig.

Torsten Bultmann BdWi 

Und dafür gibt es einen prima Termin. Am Dienstag 7. Juni spricht der BdWi-Geschäftsführer Torsten Bultmann in Halle zur Zivilklausel. Der Bund demokratischer Wissenschaftler (BdWi) hat die Zivilklausel-Bewegung von Beginn an unterstützt. Hier als Beispiel ein Vorabauszug [4] aus dem BdWi-Studienheft 7 Ende 2010 mit dem Beitrag des Autors unter dem Titel  "Universitäten zivilisieren statt militarisieren".

Zivilklausel und Zivilcourage

Aus bestimmtem Anlass soll an den engen Zusammenhang der Zivilklausel mit beständiger Wachsamkeit und Zivilcourage bei der Aufdeckung von Rüstungsforschung und bei Verstößen gegen die Zivilklausel erinnert werden. Unter dem Titel "Zivilklausel-Verstöße: Was tun?" [5] hatte der Autor im Oktober 2014 Verstöße in Bremen, Tübingen, Rostock, Kassel und Karlsruhe analysiert und Schlussfolgerungen gezogen.

Just an der Hochschule Bremen gibt es seit einem Monat heftige Auseinandersetzungen über einen „Frauenstudiengang Informatik“ in Kooperation mit der Bundeswehr. Ein eklatanter Verstoß gegen die existierende Zivilklausel. AStA und ein Gutachten des Fakultätsrats stellen das fest. Hochschulleitung und Senat regieren nicht. Nur ein Pressebericht zur Sache [6].

Ralf E. Streibl reagiert

Der Friedens-Wissenschaftler Ralf E. Streibl von der Uni Bremen hat in einem Offenen Brief [7] am 18. Mai gegenüber der Rektorin der Hochschule Bremen erklärt, dass er aus Protest gegen die Kooperation mit der Bundeswehr seine Lehrtätigkeit im IFI-Studiengang der Hochschule beendet. Eine nachahmenswerte und vorbildliche Konsequenz des Friedens-Wissenschaftlers. Mögen diese Überlegungen als Material für den Bultmann-Termin am 7. Juni dienen.


Quellen:

[1] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20160521wd.pdf
[2] https://www.stura.uni-halle.de/wp-content/uploads/2015/11/stellungnahmeazk.pdf
[3] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20160521jv.pdf
[4] http://antikrieg.blogsport.de/images/Studienheft_vorab.pdf
[5] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20882
[6] http://www.taz.de/!5295242/
[7] http://www.kramschubla.de/hsb


Über den Autor: Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT Campus Nord). 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit sowie in der Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“ und publizistisch tätig. Für das Karlsruher Vorbereitungsteam der Whistleblower-Preisverleihung 2015 zeichnet er verantwortlich. Email dietrich.schulze@gmx.de

Online-Flyer Nr. 563  vom 25.05.2016



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