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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Rede auf der BAYER-Hauptversammlung 2016
„Die Schreckensbilanz des Vorstandsvorsitzenden“
Von Axel Köhler-Schnura

„Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.“ Und: „Für Ethik ist die Ethik-Kommission zuständig. Für die Moral die Kirche. Wir sind für den Profit zuständig.“ An diese Äußerungen von Vorstandsvorsitzenden des BAYER-Konzerns erinnerte Axel Köhler-Schnura am Freitag, dem 29. April 2016 als Vertreter der Initiative "Coordination gegen BAYER-Gefahren" und des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre - im Rahmen der Hauptversammlung der BAYER-Aktiengesellschaft in der KölnMesse, und protestiert gegen das Profitdenken, nachdem bereits vor den Toren der KölnMesse Protest laut geworden war. Die NRhZ dokumentiert die ungekürzte Rede.


Axel Köhler-Schnura vor Beginn der BAYER-Hauptversammlung, KölnMesse, 29.4.2016 (foto: arbeiterfotografie.com)

Meine Damen und Herren, guten Tag, mein Name ist Axel Köhler-Schnura (1). Ich spreche als Einzelaktionär in eigenem Namen, vertrete darüber hinaus die Coordination gegen BAYER-Gefahren (2) und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre (3) sowie mehrere Hundert KleinaktionärInnen, die ihre Stimmrechte übertragen haben.

Die normalen Aktionärs-Vertreter fordern nur eines: Dividende, Dividende, Dividende. Wir haben das heute morgen wieder gehört.

Uns Kritischen BAYER-AktionärInnen hingegen geht es um die Geschäftstätigkeit des Konzerns und dabei insbesondere um die Kehrseiten, um die mit der Erwirtschaftung der Gewinne und Dividende verbundenen Verbrechen gegen die Umwelt, gegen die menschliche Gesundheit, gegen die Rechte der Menschen und gegen den Frieden.

Ich bin übrigens auch davon überzeugt, dass die KleinaktionärInnen, die sich von den anderen Aktionärsvereinigungen vertreten lassen, in Zeiten von Prozessen gegen Vorstandsvorsitzende der DEUTSCHEN BANK und von organisiertem Verbrechen bei VW und anderen Automobilkonzernen zu großen Teilen ebenfalls an dieser Problematik interessiert sind.

Meine Damen und Herren, uns Kritischen BAYER-AktionärInnen wird von den Vorständen oft vorgeworfen, wir würden die Hauptversammlung als politische Bühne missbrauchen. Das weise ich energisch zurück. Wir sprechen hier stets völlig korrekt zur Sache, zur aktuellen Geschäftstätigkeit des Konzerns. Wir können nichts dafür, dass all die Skandale, Vergehen und auch Verbrechen, die wir vortragen, mit eben dieser Geschäftstätigkeit verbunden sind. Dafür sind die Vorstände und Aufsichtsräte verantwortlich und nicht wir, die wir das kritisieren.

Doch jetzt zur Verabschiedung von Herrn Dekkers.

Herr Dekkers, als wir Sie vor sechs Jahren bei Antritt Ihres Jobs hier bei BAYER begrüßten, taten wir das mit der Losung: „Herr Dekkers, Profite sind nicht lecker!“ Doch leider muss ich heute bei Ihrem Abgang ganz klar feststellen: Sie haben sich unsere als Mahnung gemeinte Begrüßung nicht zu Herzen genommen. Im Gegenteil, Sie haben für die Profite rücksichtslos Menschenleben, soziale Rechte und die Umwelt geopfert.

Entsprechend können wir Kritische AktionärInnen die Rekordprofite und Rekorddividenden Ihrer Amtszeit nicht mit rauschendem Applaus feiern, wie das heute Mittag von einem Aktionärsvertreter hier gefordert wurde. Aus unserer Sicht sieht die Bilanz Ihres Schaffens ganz anders aus. Hier drei Beispiele:
  1. Herr Dekkers, mit Ihrem Namen verbinden sich die vielen Menschen, die durch XARELTO ihr Leben und ihre Gesundheit lassen mussten.
  2. Mit Ihrem Namen verbinden sich die vielen Arbeitsplätze, die Sie im Konzern vernichtet haben. Alleine die Ausgliederung von COVESTRO wird auf Perspektive Tausende von ehemaligen BAYER-Beschäftigten den Arbeitsplatz kosten und mehr oder weniger für alle Betroffenen soziale Unsicherheit bringen.
  3. Und schließlich sind da die unzähligen jungen Frauen, denen die von Ihnen durchgepeitschte Anti-Babypille YASMIN die Gesundheit und auch das Leben kostete. Aktuelle Zahlen sprechen von mehr als 17.000 Opfern. Bei einer hohen Dunkelziffer wohlgemerkt, da Sie die entsprechenden Zahlen geheim halten.
Wobei ich die Gelegenheit nutzen möchte und frage:
  • Wie viele Menschen kamen weltweit durch XARELTO ums Leben? Wie viele Menschen erlitten gesundheitliche Schäden?
  • Wie viele Menschen kamen weltweit durch Produkte der YASMIN-Reihe ums Leben, wie viele erlitten gesundheitliche Schäden?
Herr Dekkers, von uns erhalten Sie heute für Ihre BAYER-Leistung drei T-Shirts. Jedes T-Shirts thematisiert eines der genannten Themen:
  • eines Ihre YASMIN-Opfer
  • eines die von Ihnen vernichteten Arbeitsplätze
  • und eines Ihre XARELTO-Opfer
Herr Dekkers, wir hätten noch eine ganze Reihe weiterer T-Shirts machen können. Ihre Schreckensbilanz umfasst reichlich mehr Positionen. Eine ganze Menge davon kam in den Jahren Ihrer Amtszeit von 2010 bis heute auch hier an den Mikrofonen der Hauptversammlungen zur Sprache.
  • Z.B. die unsägliche Giftgas-Pipeline in Deutschland von Dormagen nach Krefeld, die Millionen von Menschen in Lebensgefahr bringt, oder Ihre Pestizidprodukte, die weltweit mitverantwortlich sind für das Bienensterben.
  • Die genetische Verseuchung von Reis und die GLYPHOSAT-Produktion.
  • Ihre Verantwortung für das TTIP-Vertragswerk für ungezügelte Profite und Abschaffung von Gesundheits-, Sozial- und Umweltschutz sowie Ihre asoziale Kreativität bei der Schädigung der Staatsfinanzen durch Steuerhinterziehung.
Herr Dekkers, in den Büchern des Konzerns stehen Rücklagen in Multi-Milliardenhöhe für Prozesse und Entschädigungen von Opfern. Für die Opfer von YASMIN haben sie bereits zwei Milliarden gezahlt. Meine Frage dazu:
  • Wie hoch sind aktuell die Rücklagen im Konzern für etwaige Prozesskosten, Entschädigungen und Strafen im Zusammenhang mit Umwelt-, Gesundheits- und Sachschäden durch BAYER-Produkte und Produktion?
  • Wie haben diese Rücklagen sich seit Ihrem Amtsantritt entwickelt?
Herr Dekkers, Prozesse, Strafen und Entschädigungen hinderten Sie nicht daran, tödliche und gefährliche Produkte weiter zu vermarkten, die Vernichtung von Arbeitsplätzen zu beenden, den Umwelt-Terror einzustellen.

Jetzt fragt man sich als normaler Mensch, weshalb machen Sie das, Herr Dekkers? Weshalb lassen Sie Gesundheitsschäden und auch den Tod von Menschen zu. Noch dazu bei Medikamenten, die doch der Gesundheit und dem Leben dienen sollen?

Die Antwort haben Sie heute morgen mit Ihrer Hymne auf die Rekord-Gewinne selbst gegeben: All das einfach nur, weil diese Machenschaften die Profite immer prächtiger sprudeln lassen.

Ich wiederhole es gerne: Noch 1990 wurde bei BAYER eine Dividende von 13 DM je 50-DM-Aktie gezahlt. Das entspricht einer Gewinnquote je Aktie von 26 Prozent. Heute wird auf eine Aktie im Wert von 2,56 Euro eine Dividende von 2,50 Euro ausgeschüttet. Das entspricht einer Rendite auf das gezeichnete Kapital je Aktie von 98 Prozent. Nach Kosten und Steuern wohlgemerkt.

Ihr Vorgänger, Herr Schneider, sprach es einmal ganz offen aus: „Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.“ Und ein anderer Ihrer Vorgänger, Herr Grünewald, meinte: „Für Ethik ist die Ethik-Kommission zuständig. Für die Moral die Kirche. Wir sind für den Profit zuständig.“ Also macht es auch keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden. In diesem Sinne mögen unsere drei T-Shirts Ihnen, Herr Dekkers, Denkanstoß, Erinnerung und Mahnung zugleich sein. Und natürlich auch Ihnen, Herr Baumann, der Sie jetzt neu antreten und als Vorstandsvorsitzender bei BAYER folgen werden.

Doch nun, meine Damen und Herren, zu unseren Gegenanträgen. Die Anträge werden gestellt
  • von mir persönlich
  • von der Coordination gegen BAYER-Gefahren,
  • vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
  • sowie von mehreren hundert EinzelaktionärInnen, die ich nicht alle namentlich nenne.
Zunächst zum Gewinnantrag: Wir beantragen die Kürzung der Dividende auf 10 Cent je Aktie. Die frei werdenden Gelder sollen verwendet werden
  • für Erhalt und Schaffung sicherer Arbeitsplätze und für die Zahlung sozial gerechter Löhne;
  • für einen Fonds zum angemessenen Ausgleich von Schäden, die infolge der Geschäftstätigkeit an Mensch und Umwelt eingetreten sind;
  • für den umfassenden ökologischen und sozialen Umbau des Konzerns ohne doppelte Standards.
  • und schließlich für die Zahlung von Wiedergutmachungen für die Verbrechen von BAYER und des von BAYER mitbetriebenen IG FARBEN-Zusammenschlusses an die Opfer bzw. an deren Angehörige und Nachkommen.
Es sei wie jedes Jahr angemerkt, dass wir durchaus auch den völligen Verzicht auf jede Dividendenausschüttung im Sinne der erläuterten Sozial-, Menschenrechts- und Ökologie-Leistungen beantragen würden, doch nach der Lage der Gesetze ist das nicht möglich.

Weiterhin stellen wir die Anträge,
A. den Vorstand nicht zu entlasten und
B. auch dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern.

Wir begründen diese Anträge damit, dass beide Gremien ihrer Verantwortung im heute vielfältig dargelegten Sinne im zur Debatte stehenden Geschäftsjahr in keiner Weise gerecht wurden und zudem uns AktionärInnen hier im Saal und die breite Öffentlichkeit immer wieder in die Irre führen.

Meine Damen und Herren, bevor ich nun zum Ende komme, möchte ich insbesondere die KleinaktionärInnen im Saal bitten: Lassen Sie sich nicht von Geld und Dividende leiten. Sie tragen als AktionärInnen Verantwortung für die gesellschaftlichen und ökologischen Folgen der Tätigkeit dieses Konzerns

Wie zu Beginn meiner Ausführungen dargestellt, vertreten wir Kritische BAYER-AktionärInnen hier Aktien im Wert von ca. 3,5 Mio. Euro. Spätestens das macht deutlich, dass Umweltschutz, soziale Sicherheit, Menschenrechte und Frieden auch in Kreisen der BAYER-AktionärInnen von großer Bedeutung sind.

Stimmen Sie deshalb bitte mit uns Kritischen BAYER-AktionärInnen bei ALLEN Anträgen mit NEIN. Stärken Sie das wichtige Signal für soziale Sicherung, Umweltschutz und Menschenrechte.

Sollten Sie die HV vorzeitig verlassen, so lassen Sie bitte Ihre Aktien von uns vertreten. Geben Sie die Stimmrechte nicht einfach beim Verlassen der HV unten am Ausgang an BAYER. Es ist Ihr gutes Recht, uns Ihre Stimmrechte zu übertragen. Sie finden uns hier vorne, von Ihnen aus gesehen links vorne.

Vielen Dank.


Fussnoten:

1 Axel Köhler-Schnura ist u.a. Gründungsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren und des Dachverbandes Kritischer Aktionäre und Aktionärinnen und spricht seit 1983 auf den Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns. Die gewährte Redezeit betrug 7 Minuten, die Rede musste gekürzt vorgetragen werden.

2 Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) entstand im Jahr 1978 als Bürgerinitiative in Wuppertal, als es im dortigen BAYER-Werk kurz hintereinander zu zwei Unglücksfällen kam, die weite Teile der Bevölkerung in Mitleidenschaft zogen. Heute ist die CBG ein weitgehend ehrenamtlich arbeitendes BAYER-kritisches Selbsthilfe-Netzwerk, in dem rund 70 Tausend Menschen und Organisationen den Konzern rund um den Globus und rund um die Uhr unter kritischer Beobachtung halten.

3 Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre wurde 1986 auf Initiative der Coordination gegen BAYER-Gefahren von dem kritischen Schering Aktionsnetzwerk, den kritischen Schering AktionärInnen sowie der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) gegründet. Es ging darum, die von der CBG seit 1982 im Rahmen ihrer Aktivitäten als Kritische BAYER-AktionärInnen erworbenen Erfahrungen auch für andere kritische AktionärInnen nutzbar zu machen und die bis dahin unbekannte und zerstreute Bewegung kritischer AktionärInnen breiter und wirksamer zu organisieren.


Siehe auch:

Fotogalerie zum Protest anlässlich der BAYER-Hauptversammlung 2016
Rekord-Umsätze, Rekord-Gewinne, Rekord-Dividende
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22753

Antibabypillen-Opfer von Bayer-Pharma schlagen weiter Alarm
Ich kann von Glück sagen, dass ich noch hier stehe
Anneliese Fikentscher im Gespräch mit Susan Tabbach
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22771


Online-Flyer Nr. 560  vom 04.05.2016



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