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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Inland
Freidenker-Verband sagt Friedensveranstaltung aus Angst vor Angriffen ab
»Transatlantifa« droht Antifaschisten
Von Susan Bonath

Für den 9. März 2016 hatten die Berliner Freidenker eine Veranstaltung zum Thema „Die drohende Kriegsgefahr und was wir dagegen tun können“ geplant - mit Ken Jebsen als Referent und Diskussionspartner. Ähnlich wie in Aachen am 12. Februar gab es im Vorfeld Attacken gegen das Auftreten von Ken Jebsen. Während die Veranstaltung in Aachen - wenn auch in hitziger Atmosphäre - stattfand, wurde die in Berlin aufgrund von Drohungen abgesagt. Klar ist, dass eine Veranstaltung wie die geplante mit Ken Jebsen die Gegenseite auf den Plan ruft. Und diese Gegenseite ist die, die den Planeten mit Krieg überzieht. Sie gibt Milliarden für ihre Operationen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und zur Desorientierung und Zerstörung wirkungsvoller Gegenbewegungen aus. Das mussten auch die Berliner Freidenker erleben. Stimmung gemacht wurde u.a. bei indymedia - mit einem Gegenartikel und großenteils anonymen Kommentaren. junge-Welt-Autorin Susan Bonath kommentiert diesen Vorgang und findet einen treffenden Begriff: Transatlantifa.


Gegenkräfte am 12. Februar 2016 in Aachen (arbeiterfotografie.com)

Als »links« und »Antifas« getarnte Transatlantiker, die heute zumeist unter dem Label »Antinationale« firmieren (besser bekannt als »Antideutsche«, im Artikel als »Transatlantifa« bezeichnet) machen wieder mobil. Diesmal richtet sich ihr Hass gegen den Freidenker-Verband, der sich als antifaschistisch, antimilitaristisch und antikapitalistisch versteht. Wegen Gewaltdrohungen auf dem Internetportal »linksunten.indymedia.org«, wo jeder anonym schreiben kann, ließ der Verband jetzt seine »Berliner Runde« platzen, die am 9. März in der Hauptstadt unter dem Motto »Die drohende Kriegsgefahr und was wir dagegen tun können« geplant war. Es sei »unerträglich, die Diskussion wegen mit der SA geistesverwandten Gruppen absagen zu müssen«, erklärte dazu der Verbandsvorsitzende Klaus Hartmann. Künftig müsse man wohl über einen effektiven Schutz der Veranstalter und Besucher nachdenken.

Hintergrund ist, dass der Freidenker-Verband das Feindbild der Transatlantifa schlechthin als Inputgeber eingeladen hatte: Ken Jebsen. Der Betreiber der Plattform KenFM sollte Fragen für eine Diskussionsrunde anreißen. Geplant war laut Aufruf das Thema Friedensbewegung und was getan werden könne für deren Aufschwung. Zudem wollten sich die Protagonisten und Gäste über »Grundlinien der US-amerikanisch-deutschen Mobilisierung gegen Russland« austauschen. Gewünscht habe sich der Verband »eine streitbare und auf praktische Förderung der Friedensinitiativen gerichtete Diskussion«.

Auch diesmal ging die Transatlantifa vor, wie immer: Mit Verleumdungen, Lügen und aus dunklen Zeiten bekannten Kontaktschuld-Vorwürfen. Ihre Anhänger wiegelten in dem am 1. März auf »indymedia« veröffentlichten Aufruf dazu auf, die Veranstaltung zu verhindern. Darüber hinaus seien Drohbriefe eingegangen, berichteten die Veranstalter. Das von den angriffswütigen, bekennenden Pro-Imperialisten oft benutzte Schlagwort hieß erneut: »Querfront«. Historisch meint der Begriff den Versuch faschistischer Kräfte in den 30er Jahren, linke, wie Kommunisten oder Sozialdemokraten, für ihre Ziele zu vereinnahmen. Seit Jahren schreit die Transatlantifa Jebsen als »Querfrontler« und »Verschwörungstheoretiker« mehr oder weniger öffentlich nieder. Der Journalist biete »bekennenden Rechtsextremisten wie Jürgen Elsässer eine Bühne«, führten die Schreiber auch jetzt als Grund an.

Dies zeigt erstens, dass die Verfasser die Vergangenheitsform nicht beherrschen, denn die gemeinten öffentlichen Gespräche mit Elsässer liegen mehrere Jahre zurück. Zweitens hat sich Elsässer erst in der jüngeren Vergangenheit zu einem Rassisten entwickelt und vor allem in den letzten Monaten extrem radikalisiert, offensichtlich, um die Auflage seines zum AfD-Werbeblatt mutierten Monatshefts »Compact« zu steigern. Bis vor kurzem behauptete Elsässer sogar noch, ein »Linker« zu sein. Bis Januar 2009 hatte er für die linke Zeitung »Neues Deutschland« geschrieben. Davor war er als Autor und Redakteur für weitere linksgerichtete Blätter tätig, darunter »konkret« und die »junge Welt«. Anfang der 90er war Elsässer selbst, gemeinsam mit der Publizistin Jutta Ditfurth, in der damals jungen antideutschen Bewegung aktiv. Und drittens geht es beim politischen Journalismus darum, politische Entwicklungen zu verfolgen und darzustellen. Dazu gehören auch Meinungen, die der Journalist nicht teilt. Gesellschaftliche Zustände im Zusammenhang mit unterschiedlichen Ansichten zu verstehen, gelingt nur, wenn man Andersdenkende hört.

»Abbruchunternehmen der Linken« in Action

Die Freidenker befürchten zurecht gewaltsame Angriffe der linksgetarnten Schlägertrupps. Auch zu einer Filmvorführung im Berliner Kino Movimento am Freitagabend hatten sie eine Gegendemo angemeldet. In dem Streifen begleitet der Regisseur Dror Dayan einen jungen israelisch-jüdischen Friedensaktivisten bei seinen Aktionen mit Palästinensern. Das Kino erklärte, es gehe um die »innere Zerrissenheit der Linken in Israel«. Der Regisseur hatte angekündigt, seine Premiere in Deutschland mit politischen Gruppen zu eröffnen, die sich gegen die israelische Regierung wenden. Im Sprachrohr der Transatlantifa, der Wochenzeitung »Jungle World« wetterte am Donnerstag der Autor Arthur Buckow in einem Kommentar, es sei »schade«, dass Kritik an Israels politischer Linie nicht verboten sei. Die Filmemacher nannte er »Minnesänger der »Israeli Apartheit Week 2016«, die mit »der Sehnsucht nach Entjudung«, dem »Kitt linker und alternativer Milieus«, durch Deutschland tourten. Sein Aufruf: »Man müsste es den antiimperialistischen Kampañeros (…) nicht so leicht machen. Man könnte diese Zeitung auch einfach einmal zuschlagen und etwas tun.« Was genau getan werden sollte, ließ der Autor wohlwissend weg. Ob es am Freitag vor oder im Kino zu Gewaltattacken kam, war beim Schreiben des Artikels noch nicht klar.

Gewaltattacken verübten Anhänger der Transatlantifa bereits vor einem Jahr in Leipzig. Dort stellte die Autorin Susann Witt-Stahl an der Universität ihr Buch »Antifa heißt Luftangriff« vor, das sich mit dem Abdriften einst antifaschistischer Gruppen in US-imperialistische und prozionistische Ideologie befasst. Zunächst hätten die Angreifer Israelfahnen entrollt. Bier trinkend hätten sie Gäste und Autorin beschimpft und seien schließlich handgreiflich geworden, teilten die Veranstalter mit. Zum Schluss seien auch Flaschen geflogen. Auch im Dezember 2013 hatten Stoßtrupps dieses Spektrums eine Veranstaltung des Bundesarbeitskreises Antimilitarismus und Frieden (bakauf) unter dem Motto »Der Iran im Fadenkreuz westlicher Interessen« mit Stühlen und roher Gewalt attackiert. Begriffe wie »Nazis«, »Islamlistenversteher« und »Judenschlächter« seien gefallen, wie auf der Webseite des bakauf zu lesen ist. Aber auch auf Friedensdemonstrationen oder -mahnwachen war »das Abbruchunternehmen der Linken«, wie es der Kopf des antideutschen Zentralorgans »Bahamas«, Justus Wertmüller, in die Agenda des Blattes schrieb, in den letzten Monaten rege mit US- und Israelfähnchen, Hassgebrüll und Übergriffen zugange. Es geht gegen Antikapitalisten, soziale Protestbewegungen und Friedensaktionen. Und offenkundig lassen die Straßenkämpfer der NATO-Apologeten und Befürworter imperialistischer Kriege nicht locker. Der Freidenker-Verband ist nur eins von vielen Opfern dieser verkappten braunen Terroristen.


Erstveröffentlichung am 6. März 2016 bei KenFM


Anhang:

Einladung zur Veranstaltung am 09.03.2016 – veröffentlicht am 25.2.2016:


Liebe Freidenkerin, lieber Freidenker, liebe Freunde, wir laden ein zu unserer nächsten „Berliner Runde – Freidenker im Gespräch“ am Mittwoch, den 9. März 2016, 18.00 Uhr in den Räumen der „Berliner Compagnie“, Muskauer Strasse 20A, 10997 Berlin

„Die drohende Kriegsgefahr und was wir dagegen tun können“
Referent und Diskussionspartner: Ken Jebsen
Moderation: Daniel Becker, Dr. Klaus-Peter Kurch

Ken Jebsen wird kein umfassendes Referat halten, sondern eher Probleme für die Diskussion anreißen, etwa zu diesen Fragen: „Grundlinien der US-amerikanisch-deutschen Mobilisierung gegen Russland“, „Wer, was, wo ist die deutsche Friedensbewegung?“, „Was können wir tun für den so notwendigen Aufschwung der Friedensbewegung?“ Diese unsere thematischen Interessen stehen in engem Zusammenhang mit dem Aufruf „Sagt NEIN, ächtet Aggressionen, bannt die Weltkriegsgefahr!“ (Nein zur NATO) und dem dringenden Appell „Multipolare Welt gegen Krieg“ (Für eine multipolare Koalition des Friedens)

Wir wünschen uns eine intensive, streitbare und auf die praktische Förderung der Friedensinitiativen gerichtete Diskussion. Es erübrigt sich, unserer Meinung nach, Ken Jebsen im Rahmen dieser Einladung vorzustellen. Wir verweisen jedoch auf problemorientierte Beiträge wie diesen oder diesen auf unserer Webseite und gegebenenfalls weitere, die in den nächsten Tagen erscheinen. Selbstverständlich steht die Webseite für Meinungsäußerungen offen.

Mit solidarischen Grüßen Daniel Becker, Klaus-Peter Kurch im Auftrag des Leitungskollektivs


Absage der Veranstaltung – verfasst vom Leitungskollektiv der Berliner Freidenker – veröffentlicht am 3.3.2016:

Das für den 9. März 2016 geplante öffentliche Gespräch der Berliner Freidenker zum Thema „Die drohende Kriegsgefahr und was wir dagegen tun können“ mit Ken Jebsen als Referent und Diskussionspartner ist hiermit abgesagt. Erläuternde Informationen hierzu morgen auf dieser Webseite.


"Mehr als eine Absage" – Erläuterung der Absage – verfasst vom Leitungskollektiv der Berliner Freidenker – veröffentlicht am 5.3.2016:


Die gestern veröffentlichte Absage des Leitungskollektivs der Berliner Freidenker die öffentliche Diskussion betreffend, die mit Ken Jebsen zu dem Thema „Die drohende Kriegsgefahr und was wir dagegen tun können“ geführt werden sollte, verlangt nach Begründung, Erläuterungen und, wie wir meinen, auch Schlussfolgerungen.

1. Unsere Absage ist nicht freiwillig erfolgt. Es sind keinerlei bisher unbekannte Argumente aufgetaucht, die uns zu neuen Einsichten verholfen und in der Folge zur Änderung unserer Position bewogen hätten. Es ist in keiner Weise argumentiert worden, stattdessen wurde Druck aufgebaut.

2. Der Druck wurde organisiert auf der bekannten Webseite „indymedia“. Das Startposting strapazierte reflexartig aber offenbar frei von Sachkenntnis den Begriff „Querfront“. An dieses Posting schlossen sich 29 Kommentare an, 28 davon anonym. Aus der Anonymität heraus zu kommunizieren, genauer: Druck aufzubauen, gilt dort offensichtlich als normale Verhaltensweise.

3. Wir standen vor der Frage, der angedrohten Verhinderung der Veranstaltung entgegen zu treten. Sicherheitsmaßnahmen jedoch, die üblich sein mögen, wenn ein Enkel etwa von Frau v. d. L. durch die Muskauer Strasse gefahren wird, hatten für uns keinen Reiz. Das eigentliche Ziel der Veranstaltung wäre im Tumult auf der Strecke geblieben. Ganz abgesehen von den Belastungen für unsere Mitglieder und Gäste.

4. Am großen Thema und Ziel der nun abgesagten Veranstaltung halten wir gegen alle Widerstände mit aller Energie fest. Es sei hier noch einmal hervorgehoben: „Thema: 'Die drohende Kriegsgefahr und was wir dagegen tun können', Diskussionsfragen: 'Grundlinien der US-amerikanisch-deutschen Mobilisierung gegen Russland', 'Wer, was, wo ist die deutsche Friedensbewegung?', 'Was können wir tun für den so notwendigen Aufschwung der Friedensbewegung?'. Alle unsere Diskussionen stellen wir in engen Zusammenhang mit den Aufruf 'Sagt NEIN, ächtet Aggressionen, bannt die Weltkriegsgefahr!' (Nein zur NATO) und den dringenden Appell 'Multipolare Welt gegen Krieg' (Für eine multipolare Koalition des Friedens). Wir wünschen uns eine intensive, streitbare und auf die praktische Förderung der Friedensinitiativen gerichtete Diskussion.“

5. Diese unsere politische und Diskussionsorientierung vor Augen, sollte sich keiner der anonymen Eiferer (die sich „linksunten“ sehen) nunmehr als Sieger fühlen. Sie mögen glauben, für diesmal eine Diskussion verhindert zu haben, eine Diskussion, die sie eigentlich aus tiefstem Herzen begrüßen sollten. Ob der Eine oder die Andere bei all dem kämpferischen Gebaren nicht einmal ein Gefühl von Leere oder gar Schwäche erlebt? Ein Gefühl, gegen das der ruhige Austausch mit vernünftigen Menschen, die Linke sind oder auch mit vernünftigen Menschen, die keine Linken sind, hilfreich sein könnte?

6. Wir meinen nicht, dass „Anonyme“ und „Freidenker“ Kanonen aufeinander richten sollten. (Wenn Spatzen das machen, haben Andere ihr Gaudi.) Wir sollten miteinander reden, je zeitiger, je offener, je öffentlicher, umso besser. Wir haben oben unseren Themenvorschlag noch einmal hervorgehoben. Wir sind aber auch für andere Themenvorschläge offen.

Machen wir also aus der Absage mehr – ein Angebot, das sich auf die Zukunft richtet. Wir wollen doch alle Zukunft oder?


Siehe auch:
Ken Jebsen in Aachen
Veranstaltung gegen Casinokapitalismus und Krieg
NRhZ 549 vom 17.02.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22551

Es wird wieder wild geschossen
Veranstaltung mit Ken Jebsen am 12. Februar 2016 in Aachen
NRhZ 548 vom 10.02.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22522


Top-Foto:
Ken Jebsen (arbeiterfotografie.com)


Online-Flyer Nr. 552  vom 09.03.2016



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