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Globales
Interview mit Gerardo Hernández, einem der frei gekommenen Cuban 5
Kampf um eine unabhängige, souveräne Heimat
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

„Wir träumen von einem Kuba, das seine Lebensbedingungen für unser Volk verbessern kann, aber das muss man uns überlassen, wir müssen für unsere Träume frei und ohne Behinderung von Seiten irgendeines Landes arbeiten können und ohne dass irgend ein Land Millionen oder Milliarden Dollar dafür ausgibt, unser System oder unsere Gesellschaft zu untergraben.“ Das sagt Gerardo Hernández, geboren am 4. Juni 1965 in Havanna, seit 1993 Mitglied der Kommunistischen Partei Kubas und kubanischer Agent, einer der "Cuban Five", der Gruppe von fünf Kubanern, deren Aufgabe es war, Anschläge, die Terrororganisationen in den USA gegen Kuba planten, auszukundschaften. Am 12. September 1998 wurde er in den USA verhaftet und 2001 zu zweimal lebenslänglich plus 15 Jahre Gefängnis verurteilt. Die Haftzeit verbrachte er in US-Hochsicherheitsgefängnissen. Am 17. Dezember 2014 wurde er im Rahmen der Entspannungsbemühungen zwischen USA und Kuba nach 16 Jahren Haft freigelassen. Im Januar 2016 kam er zum ersten Mal nach Deutschland, am 13. Januar 2016 in die Außenstelle der Kubanischen Botschaft in Bonn, wo wir ihn interviewten.

Frage: Gerardo, Du bist angetreten zum Kampf gegen den Terror. Wie war und ist die Situation?

Die USA nutzen den so genannten Krieg gegen den Terror aus und bringen Leute um. Auch halten sich in ihrem Land Terroristen auf, die dort völlig unbehelligt leben. Aber, was natürlich stimmt: der Terrorismus ist eine Geißel der heutigen Zeit. Es gibt Menschen, die in diesem Sinne in der Welt unterwegs sind und andere umbringen, also tatsächlich terroristische Handlungen begehen. Es gibt keine Sache, es gibt nichts auf der Welt, was es rechtfertigen würde, unschuldige Menschen umzubringen. Und wir Fünf, die wir den Terror und Terrorismus gegen unser Land bekämpft haben, wir treten natürlich auf gegen den Terrorismus, wo auch immer in der Welt er begangen wird.


Gerardo Hernández (Mitte) mit einem Solidaritätstransparent der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba in die Außenstelle der Kubanischen Botschaft in Bonn (Foto: arbeiterfotografie.com)

Ich muss klar sagen: Wir Fünf sind in keinem einzigen Moment mit offiziellen Vertretern oder Einrichtungen des US-amerikanischen Staates in Kontakt gekommen. Es waren die kubanischen Behörden und entsprechende Einrichtungen, die den Kontakt aufgenommen haben, während einer Besprechung in Havanna. Und dort wurden die Informationen über Terroristen auf US-amerikanischem Gebiet übergeben. Man muss aber ganz klar sagen: diese Unterlagen, die da übergeben wurden, hätten in keinem Moment und in keinster Weise mit uns als Personen in Verbindung gebracht werden können. Es waren nicht diese Unterlagen, aufgrund derer wir festgenommen wurden. Es waren reaktionäre Kräfte, die wollten, dass es Null Beziehungen zwischen den beiden Regierungen Kuba und USA gibt. Und die haben deswegen die Entscheidung getroffen, die Festnahme der Fünf zu betreiben, um auf diese Art und Weise den Prozess der allmählichen Annäherung zu behindern. Gabriel García Márquez hat die Nachricht praktisch überbracht, dass es Interesse an einer Zusammenkunft mit dem FBI gab. Ein Teil der Unterlagen der von der kubanischen Regierung übergeben wurden, war von uns mit errungen worden. Aber wir selber hatten zu keinem Zeitpunkt direkten Kontakt zu US-Behörden.

Frage: Was müssen Menschen heute tun, um friedlich zusammenzuleben?

Zuerst einmal muss man versuchen, diese Welt von so viel Hochmut zu befreien. Wir haben auf dieser Welt ein Land wie die USA, die sich anmaßen, andere Länder zu richten, indem sie ihre Maßstäbe – was Menschenrechte betrifft – anlegen, obwohl sie gleichzeitig der größte Verletzer von Menschenrechten sind. Und das betrifft nicht nur Menschenrechtsverletzungen in den USA, sondern in der gesamten Welt. Und wir, die Kraft der Linken, wir müssen die Art und Weise finden, wie wir den Machenschaften der großen bürgerlichen Presse etwas entgegenzusetzen und sie aufzuhalten können. Sie manipulieren ständig sämtliche Informationen und betrügen die ganze Welt. Wenn man z.B. in der Welt Kommunismus sagt, dann ist das gleich ein Schimpfwort. Viele Leute sagen, Kommunismus ist etwas ganz Schlechtes. Und wenn du dann fragst, ja, was ist denn Kommunismus, dann können sie dazu nichts sagen. Das einzige, was sie sagen können, ist: der ist schlecht. Weil das genau das ist, was ihnen eingetrichtert wurde, die ganze Zeit, ihr Leben lang.


Gerardo Hernández in die Außenstelle der Kubanischen Botschaft in Bonn (Foto: arbeiterfotografie.com)

Der Imperialismus bringt den Sozialismus mit Gehirnwäsche in Verbindung. Aber es ist der Kapitalismus, der die Gehirnwäsche betreibt. Er hat den Leuten das Nike-Logo in die Stirn gepresst. Die Kinder werden von Anfang an mit Programmen gefüttert - mit Zielrichtung Konsum, Konsum, Konsum, damit sie so zu egoistischen Personen werden und nur an sich selber denken und die Probleme aller anderen rundherum vergessen. Unglücklicherweise verfügen sie über alle Ressourcen und Möglichkeiten, so dass es ihnen zu häufig gelingt, solche Menschen zu schaffen. Wir, die linken Kräfte in der Welt, müssen vor allen Dingen schauen, wie wir es schaffen, zusammenzuhalten und eine Einheit zu schaffen. Weil, die einzige Möglichkeit, die Auswirkungen des Imperialismus zu bremsen und zurückzudrängen ist, dass wir gemeinsam handeln.

Frage: Was hat dir in der Haft am meisten geholfen?

Zuerst einmal das Vorbild des Kampfes unseres Volkes. Das kubanische Volk hat eine sehr lange Geschichte des Widerstandes. Es ist eine so winzige Insel, und dieses Land hat der größten Blockade in der Geschichte und noch dazu ausgeübt von der größten Macht, die es heutzutage gibt, widerstanden. Schon allein die Tatsache, dass wir Söhne dieses Volkes sind, konnte uns genug Kraft geben zu widerstehen. Aber außerdem haben wir auf die Unterstützung von vielen Compañeros und Compañeras aus der ganzen Welt setzen können. Das war sehr wichtig, um uns Kraft zu geben, damit wir widerstehen konnten.

Frage: Was bedeutet für Dich Patria o Muerte?

Für mich als revolutionärer Kubaner und als Patriot, dem das Schicksal seines Landes sehr am Herzen liegt, denke ich, dass wir alle Fünf bereit waren und sind, unser Leben für unser Volk zu geben. Und wir sind nicht die einzigen. Es gibt ganz viele Kubaner, die bereit sind, ihr Leben zu geben, damit Kuba nicht wieder eine Kolonie der USA wird. Vielleicht als Beispiel: Wir haben in der Haft sehr viele Puertoricaner kennen gelernt. Und vielen von ihnen tut es in der Seele weh, dass sie keine Heimat haben. Deshalb ist es so, dass wir Kubaner, die es uns so viel gekostet hat, eine unabhängige und souveräne Heimat und ein Vaterland zu haben, dass viele von uns bereit sind, ihr Leben zu geben, damit Kuba auch weiterhin souverän und unabhängig ist. Daraus ergibt sich diese Losung: Patria o Muerte. Vaterland oder Tod.


Siehe auch Video der Veranstaltung mit Gerardo Hernández
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22494



Top-Foto:
Gerardo Hernández (arbeiterfotografie.com)


Online-Flyer Nr. 546  vom 27.01.2016



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