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Aktueller Online-Flyer vom 30. April 2024  

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Medien
Der letzte Raum, wo Bürger ihre Meinung frei und öffentlich äußern können - Teil 2
Nutznießer der Abschaffung des Bürgerfunks
Von Rainer Stach

Im ersten Teil habe ich über die 15-jährige Erfolgsgeschichte des Bürgerfunks und seine aktuelle Bedrohung durch die in NRW amtierende Landesregierung berichtet. Wer sind aber die Hintermänner dieser undemokratischen Pläne? Wer wird von der offenbar geplanten Abschaffung des Bürgerfunks profitieren - zum Beispiel in Köln?

Nutznießer einer Gesetzesnovelle in diese Richtung wäre - auf den ersten Blick - vor allem Radio-NRW, das neben den Nachrichten- und Werbeblocks auch das übrige Programm der Lokalradios weitgehend beherrscht, denn Radio-NRW füllt als Rahmenprogrammlieferant jeden Tag die über den Lokal- und Bürgerfunk hinausgehenden 14 Programmstunden der Lokalradios, so dass dort insgesamt ein Programm von 24 Stunden abgedeckt wird. Lokalradios müssen schon jetzt ihre Formatierung und  Musikfarbe von Radio-NRW übernehmen und sollen ihm neuerdings auch ihr gesamtes Programmschema anpassen.

Daneben profitieren die Lokalsender finanziell vom Gewinn des Rahmenprogrammlieferanten Radio-NRW, da Überschüsse von Radio-NRW an die Lokalsender ausgeschüttet werden. Einzig der Bürgerfunk stört noch die "Kreise" von Radio-NRW, das sein Einheitsprogramm noch besser und ohne "Reibungsverluste" über NRW ausbreiten könnte, wenn die Lokalsender abends aus dem Äther gehen, da - je nach Lokalsender - dort abends zu unterschiedlichen Zeiten zur Zeit noch in unterschiedlicher Länge die Bürgerfunksendungen laufen. Dabei ist der Lokalfunk in NRW auch jetzt schon das wirtschaftlich erfolgreichste Rundfunk-Modell Deutschlands, müsste also durch eine Novellierung des Landesmediengesetzes nicht noch mehr in wirtschaftlicher Hinsicht gestärkt werden.

Bürgerfunker bereiten sich auf die Öffentlichkeitskampagne vor.
Bürgerfunker bereiten sich auf die Öffentlichkeitskampagne vor.
Foto: Bürgerfunk



Kölner Radiowerkstätten gegen Einschränkungen

In einem Forderungskatalog haben die Kölner Radiowerkstätten zusammengefasst, was sie sich als Alternative vorstellen:
  • Beibehaltung des Bürgerfunks in seiner jetzigen Form!
  • Gesetzliche Festschreibung der Funktionen des Bürgerfunks: Partizipation, Medienkompetenzvermittlung und lokalpublizistische Ergänzung!
  • Ausstrahlung des Bürgerfunks zu hörerrelevanten Zeiten, also von 18 - 20 Uhr!
  • Bewahrung der Unabhängigkeit vom Musikformat und anderen Vorgaben des Senders!
  • Produktion von Bürgerfunksendungen ausschließlich in anerkannten Radiowerkstätten!
  • Stärkung der Programmverantwortung von Bürgerfunkgruppen oder der Radiowerkstatt!
  • Beibehaltung einer Förderung, die nicht auf die Auszehrung des Bürgerfunks abzielt!
  • Beibehaltung des Grundsatzes, dass Rundfunk ein Kulturgut und kein reines Wirtschaftsgut ist!

Wird es ein heißer Herbst?

Wenn sich die Politiker im Landtag wie beschrieben zu Handlangern von reinen Wirtschaftsinteressen machen, muss der Bürgerfunk in der Abwehr dieser Angriffe mit seinem einzigen Pfunde wuchern - der Öffentlichkeit. Hat er es bisher verstanden, mit viel Engagement die Bürger in ihrem Recht auf Meinungsfreiheit zu unterstützen, indem er für sie Öffentlichkeit schuf, so muss er nun diese Öffentlichkeit auch für sein grundlegendes Anliegen - die gesicherte Weiterexistenz - einsetzen. Das dürfte nicht allzu schwer fallen bei der bis jetzt bekannten Argumentation der Gegenseite.

Argumentiert wird, dass die Landesregierung alle Projekte, die vom Land gefördert werden, unter die Lupe nimmt. Aber wieso ist da der Bürgerfunk hineingeraten, der nicht aus Steuermitteln finanziert wird? Der Bürgerfunk (sprich die Radiowerkstätten) finanziert sich zum einen aus erheblichen Eigenmitteln und zum anderen aus einem Zuschuss, der aus den Rundfunkgebühren geleistet wird. Hier und da tut auch noch der private Lokalsender etwas dazu.

Die Radiowerkstätten haben viel in professionelle Technik investiert.
Die Radiowerkstätten haben viel in professionelle Technik investiert.
Foto: Bürgerfunk



Das öffentlich von CDU-Abgeordneten geäußerte Argument, dass bei der Novellierung die Sicherstellung des wirtschaftlichen Betriebs der Lokalsender im Vordergrund steht, ist mehr als bloßstellend. Damit wird öffentlich ein Umdenken propagiert, nämlich dass Rundfunk ein reines Wirtschaftsgut und kein Kulturgut mehr sein soll. Artikel 5 Grundgesetz, der die Informations- und Meinungsfreiheit garantiert, hätte sich dem unterzuordnen - wenn es nach diesen Herren ginge, die von unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung nur noch den freiheitlichen Teil bewahren wollen, der im Sinne von liberal, sprich wirtschaftsliberal, sprich neoliberal zu verstehen ist. Den Bürgerfunk ein bisschen abschaffen zu wollen (vorerst), hieße also auch, das Grundgesetz ein bisschen abschaffen zu wollen.

Thorsten Schick (links) - denkt wohl mehr an Verleger als an Bürger
Thorsten Schick (links) - denkt wohl mehr an Verleger als an Bürger
Foto: Radio Märkischer Kreis



In wessen Interesse soll der Bürgerfunk geopfert werden?

Wer steckt aber nun hinter Medien wie Radio NRW und den Lokalradios, für die - nach den Plänen der Landesregierung - der Bürgerfunk geopfert werden soll? Nehmen wir Köln als Beispiel: Laut ihrer auf der hauseigenen Website veröffentlichten Unternehmensstruktur ist die Unternehmensgruppe M. Neven DuMont Schauberg Köln zu 100 Prozent an der DuMont Funk und Fernsehen GmbH & Co. KG, Köln beteiligt. Diese wiederum hält 9,93 Prozent der Pressefunk NRW GmbH & Co. KG Düsseldorf, diese schließlich 59 Prozent an Radio NRW.

An der Pressefunk Nordrhein-Westfalen GmbH sind - außer der Unternehmensgruppe der Neven DuMonts - auch der Axel Springer Verlag und 36 Verlagsgesellschaften aus NRW beteiligt (Stand: 1999), darunter u.a. der Zeitungsverlag Neue Westfälische, Bielefeld, der zu 57,5% der Presse-Druck GmbH gehört, an der die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft der SPD mit 100% beteiligt ist (Stand: 2005).

Hinter Radio Köln stecken u.a. die Neven DuMonts

Beim Lokalsender Radio Köln, das mit 24,8 Prozent Quote in Köln "Marktführer" ist, sieht es noch eindeutiger aus: Die DuMont Funk und Fernsehen GmbH & Co. KG Köln hält 100 Prozent der RRB Rheinische Rundfunksbeteiligungs GmbH & Co. KG, Köln. Diese wiederum hält 75 Prozent an der Radio Köln GmbH und Co. KG als Betriebsgesellschaft und ist somit neben der Kommune, die 25 Prozent Anteile hält, Hauptteilhaber der "wirtschaftlichen Säule" von Radio Köln. Und nicht nur da. Das Landesrundfunkgesetz hat nämlich den "ortsansässigen Zeitungsverlagen" diesen 75 Prozent-Anteil bei allen Lokalradios in deren Verbreitungsgebiet zugesprochen. Und Lokalradios im Bereich der Zeitungen des Verlags M.DuMont Schauberg sind auch Radio Leverkusen, Radio Erft, Radio Euskirchen, Radio Radio Bonn/Rhein-Sieg.

CDU-MDL Thorsten Schick ein Bürgervertreter?

Damit beantwortet sich die Frage nach den eigentlichen Nutznießern der vom CDU-Landtagsabgeordneten und Hauptausschussmitglied Thorsten Schick im Juni angestoßenen Diskussion zum Landesmediengesetz, über die die NRhZ in ihrer Ausgabe 48 berichtete. Arbeitgeber von Schick ist nämlich der Lokalfunk Märkischer Kreis. Und die größte Tageszeitung dieser Region, der Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung (IKZ), gehört dem Verleger Klaus-H. Wichelhoven.

Online-Flyer Nr. 64  vom 03.10.2006



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