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Inland
Konstantin Wecker wieder in Halberstadt - diesmal mit "Verstärkung"
"Jetzt erst recht!"
Von Emma Weiß
Wieso "könne"? War das etwa nur eine Übung? Haben wir quasi computeranimierte Nazis auf mögliche Ziele schießen lassen? Nein! Dieser Bauchschuss und die Morde sind wirklich verübt worden - in diesem Monat auf offener Straße vor dem Rathaus von Antwerpen. Der jugendliche Täter, der als Skinhead auftrat, hatte nahe Beziehungen zur offen ausländerfeindlichen flämischen Partei Vlaams Belang (VB), für die seine Tante im belgischen Parlament sitzt. Zynischerweise äußerte der VB-Vorsitzende Frank Vanhecke die Befürchtung, dass diese Verbrechen zu einer Stigmatisierung seiner Partei führen könnten.
Ausländerfeindliche Politik, die salonfähig gemacht wurde, und rechtsextreme Gewalt stehen in einem engen Zusammenhang. Wie im Fall von Ermyas M. in Potsdam, der kein Ausländer ist, sondern nur wie einer aussieht, und deshalb dort so zusammengeschlagen wurde, dass er seit Wochen im Koma liegt. Auch hier musste der Generalbundesanwalt sich gegen Vorwürfe von Rechts wegen Stigmatisierung verteidigen - nur weil er die Ermittlungen aufgenommen hatte.
Rechtsextremismus ist kein Problem der Anderen
"Belgien liegt hinter der - wenn auch offenen - Grenze, Potsdam ist weit weg im Osten" - könnten wir im Rheinland denken und uns beruhigt zurück lehnen. Aber so ist es nicht. Rechtsextremismus ist kein Problem der Anderen. Auch in NRW stiegen laut Verfassungsschutzbericht des nordrhein-westfälischen Innenministeriums rechtsextreme Straftaten von 2001 bis 2005 kontinuierlich an. Im vergangenen Jahr waren es mit 2.545 - 365, also 16,7 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die braune Suppe versucht immer wieder hoch zu kochen. Darauf gibt es nur eine Antwort: Widerstand! In erster Linie wäre es natürlich Sache von Justiz und Polizei, rechtsextremen Verbrechern das Handwerk zu legen. Aufgerufen sind aber auch wir Bürgerinnen und Bürger, damit ausländerfeindliche und rechtsextreme Politiker und Parolen keinen Zugang mehr zu den Parlamenten und in die Köpfe der Menschen erhalten
.
Ein gutes Zeichen auf diesem Weg ist das Antifa-Openair-Konzert in Halberstadt, das "Jetzt erst recht!" am 17. Juni - historisches Datum des Widerstands - um 19 Uhr stattfinden wird, nachdem es die NPD dort am 8. März mit einer schriftlichen Androhung von Gewalt gegen den geplanten Auftritt von Konstantin Wecker und "Strom & Wasser" verhindern konnte. (Die NRhZ berichtete über den Skandal). Nun findet es also doch statt und wird sozusagen zu einem Gipfeltreffen von Liedermachern, die mit ihren zeitkritischen Songs seit Jahren für das Miteinanderleben und gegen die Ausgrenzung von Ausländern und Unterdrückten dieser Welt auftreten. "Verstärkt" werden Konstantin Wecker und "Strom & Wasser" nun durch: Hannes Wader, Hans-Eckardt Wenzel, der zusammen mit Steffen Mensching schon in der DDR mit bissigem "KAOS in der DaDaEr-Kabarett" unangenehm aufgefallen war, und der afghanische Percussionist Hakim Ludin.

Konstantin Wecker
Foto: Markus Niethammer
Lieder gegen Fremdenhass und Neofaschismus
Gemeinsam Musik machen gegen den Fremdenhass, Lieder und Texte gegen den Ungeist des Faschismus: Das ist, einmal mehr, die Antwort der Liedermacher auf die Neonazis des Jahres 2006, heißt es in Konstantin Weckers Pressemitteilung. Ob er sein bekanntes "Sage nein!" ruft oder in "Vaterland" einen Vater an den Neonazi-Aktivitäten seines Sohnes (der nichts aus der Geschichte gelernt hat) verzweifeln lässt, ob Hannes Wader darüber nachdenkt, warum Neonazis seine Lieder intonieren, ob Hans-Eckardt Wenzel über den Neonazi aus Bitterfeld singt oder den Herrentag seiner "Himmelfahrt" beschreibt, ob Heinz Ratz und seine Gruppe "Strom & Wasser" von "Zehn kleinen Nazis" berichten - mit politischen und poetischen Beiträgen (vielfach ineinander verschmolzen) - dieses Konzert dürfte ein kräftiger Kontrapunkt gegen den dumpfen Fanatismus werden. Und sicher werden, so Wecker, die Konzertbesucher auch die eine oder andere Überraschung im Zusammenspiel der Mitwirkenden erleben.
Wer das einmalige Konzert (in dieser Konstellation wollen die Künstler nur in Halberstadt auftreten) live miterleben möchte, kann Karten unter der Tickethotline Biberticket: 01805 / 12 13 10 bestellen und weitere Veranstaltungen unter www.wecker.de nachlesen - so auch das vorerst letzte Konzert in NRW am 19. Mai in Soest. In Köln wird Wecker im November wieder im "Senftöpfchen" sein.
Mut machen für den "kleinen" Widerstand
Musik setzt Zeichen und kann Mut machen für den "kleinen" Widerstand im ganz normalen Alltag. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert angesichts der jüngsten rechtsextremen Gewalttaten, dass "sich die Gesellschaft nicht nur mit Tätern, sondern mit dem Tatmotiv befassen" solle. Tun wir ihr den Gefallen. Tatmotiv sind vor allem fehlgeleitete Aggressionen, die sich ursächlich gegen die Ausbeutung durch neoliberale - vor allem auch von der FDP propagierte - Wirtschaftspolitik richten, gegen die zunehmende Verarmung breiter Bevölkerungsteile und gegen die Perspektivlosigkeit der Jugend - zum Wohle der exportorientierten, global agierenden Konzerne.
Anstatt sich an die richtige Adresse zu wenden und wie die Franzosen zu Hunderttausenden auf die Straße zu gehen, laufen immer mehr junge Leute zu den Neonazis und richten - von diesen dazu angeleitet - ihre Aggressionen gegen die Schwächsten dieser Gesellschaft. Eine Vorstellung davon, wie sie sich anders, "gerechter" verhalten könnten, bekämen sie vielleicht, wenn sie sich mal - beispielsweise - mit den Gedanken des amerikanischen Politik-Philisophen John Rawls beschäftigen würden. Seine Theorie in zwei Sätzen verkürzt zusammengefasst: Man solle ein System des Zusammenlebens entwerfen, in dem es unterschiedliche Positionen von reich bis arm, von einflussreich bis unerheblich gibt und die Lebensbedingungen für alle diese Gruppen festlegen, ohne zu wissen, in welcher Gruppe man selbst schließlich leben werde. Die endgültige Position wird dann - wie im wirklichen Leben - per Los entschieden.
Online-Flyer Nr. 44 vom 16.05.2006
Konstantin Wecker wieder in Halberstadt - diesmal mit "Verstärkung"
"Jetzt erst recht!"
Von Emma Weiß
Wieso "könne"? War das etwa nur eine Übung? Haben wir quasi computeranimierte Nazis auf mögliche Ziele schießen lassen? Nein! Dieser Bauchschuss und die Morde sind wirklich verübt worden - in diesem Monat auf offener Straße vor dem Rathaus von Antwerpen. Der jugendliche Täter, der als Skinhead auftrat, hatte nahe Beziehungen zur offen ausländerfeindlichen flämischen Partei Vlaams Belang (VB), für die seine Tante im belgischen Parlament sitzt. Zynischerweise äußerte der VB-Vorsitzende Frank Vanhecke die Befürchtung, dass diese Verbrechen zu einer Stigmatisierung seiner Partei führen könnten.
Ausländerfeindliche Politik, die salonfähig gemacht wurde, und rechtsextreme Gewalt stehen in einem engen Zusammenhang. Wie im Fall von Ermyas M. in Potsdam, der kein Ausländer ist, sondern nur wie einer aussieht, und deshalb dort so zusammengeschlagen wurde, dass er seit Wochen im Koma liegt. Auch hier musste der Generalbundesanwalt sich gegen Vorwürfe von Rechts wegen Stigmatisierung verteidigen - nur weil er die Ermittlungen aufgenommen hatte.
Rechtsextremismus ist kein Problem der Anderen
"Belgien liegt hinter der - wenn auch offenen - Grenze, Potsdam ist weit weg im Osten" - könnten wir im Rheinland denken und uns beruhigt zurück lehnen. Aber so ist es nicht. Rechtsextremismus ist kein Problem der Anderen. Auch in NRW stiegen laut Verfassungsschutzbericht des nordrhein-westfälischen Innenministeriums rechtsextreme Straftaten von 2001 bis 2005 kontinuierlich an. Im vergangenen Jahr waren es mit 2.545 - 365, also 16,7 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die braune Suppe versucht immer wieder hoch zu kochen. Darauf gibt es nur eine Antwort: Widerstand! In erster Linie wäre es natürlich Sache von Justiz und Polizei, rechtsextremen Verbrechern das Handwerk zu legen. Aufgerufen sind aber auch wir Bürgerinnen und Bürger, damit ausländerfeindliche und rechtsextreme Politiker und Parolen keinen Zugang mehr zu den Parlamenten und in die Köpfe der Menschen erhalten
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Ein gutes Zeichen auf diesem Weg ist das Antifa-Openair-Konzert in Halberstadt, das "Jetzt erst recht!" am 17. Juni - historisches Datum des Widerstands - um 19 Uhr stattfinden wird, nachdem es die NPD dort am 8. März mit einer schriftlichen Androhung von Gewalt gegen den geplanten Auftritt von Konstantin Wecker und "Strom & Wasser" verhindern konnte. (Die NRhZ berichtete über den Skandal). Nun findet es also doch statt und wird sozusagen zu einem Gipfeltreffen von Liedermachern, die mit ihren zeitkritischen Songs seit Jahren für das Miteinanderleben und gegen die Ausgrenzung von Ausländern und Unterdrückten dieser Welt auftreten. "Verstärkt" werden Konstantin Wecker und "Strom & Wasser" nun durch: Hannes Wader, Hans-Eckardt Wenzel, der zusammen mit Steffen Mensching schon in der DDR mit bissigem "KAOS in der DaDaEr-Kabarett" unangenehm aufgefallen war, und der afghanische Percussionist Hakim Ludin.

Konstantin Wecker
Foto: Markus Niethammer
Lieder gegen Fremdenhass und Neofaschismus
Gemeinsam Musik machen gegen den Fremdenhass, Lieder und Texte gegen den Ungeist des Faschismus: Das ist, einmal mehr, die Antwort der Liedermacher auf die Neonazis des Jahres 2006, heißt es in Konstantin Weckers Pressemitteilung. Ob er sein bekanntes "Sage nein!" ruft oder in "Vaterland" einen Vater an den Neonazi-Aktivitäten seines Sohnes (der nichts aus der Geschichte gelernt hat) verzweifeln lässt, ob Hannes Wader darüber nachdenkt, warum Neonazis seine Lieder intonieren, ob Hans-Eckardt Wenzel über den Neonazi aus Bitterfeld singt oder den Herrentag seiner "Himmelfahrt" beschreibt, ob Heinz Ratz und seine Gruppe "Strom & Wasser" von "Zehn kleinen Nazis" berichten - mit politischen und poetischen Beiträgen (vielfach ineinander verschmolzen) - dieses Konzert dürfte ein kräftiger Kontrapunkt gegen den dumpfen Fanatismus werden. Und sicher werden, so Wecker, die Konzertbesucher auch die eine oder andere Überraschung im Zusammenspiel der Mitwirkenden erleben.
Wer das einmalige Konzert (in dieser Konstellation wollen die Künstler nur in Halberstadt auftreten) live miterleben möchte, kann Karten unter der Tickethotline Biberticket: 01805 / 12 13 10 bestellen und weitere Veranstaltungen unter www.wecker.de nachlesen - so auch das vorerst letzte Konzert in NRW am 19. Mai in Soest. In Köln wird Wecker im November wieder im "Senftöpfchen" sein.
Mut machen für den "kleinen" Widerstand
Musik setzt Zeichen und kann Mut machen für den "kleinen" Widerstand im ganz normalen Alltag. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert angesichts der jüngsten rechtsextremen Gewalttaten, dass "sich die Gesellschaft nicht nur mit Tätern, sondern mit dem Tatmotiv befassen" solle. Tun wir ihr den Gefallen. Tatmotiv sind vor allem fehlgeleitete Aggressionen, die sich ursächlich gegen die Ausbeutung durch neoliberale - vor allem auch von der FDP propagierte - Wirtschaftspolitik richten, gegen die zunehmende Verarmung breiter Bevölkerungsteile und gegen die Perspektivlosigkeit der Jugend - zum Wohle der exportorientierten, global agierenden Konzerne.
Anstatt sich an die richtige Adresse zu wenden und wie die Franzosen zu Hunderttausenden auf die Straße zu gehen, laufen immer mehr junge Leute zu den Neonazis und richten - von diesen dazu angeleitet - ihre Aggressionen gegen die Schwächsten dieser Gesellschaft. Eine Vorstellung davon, wie sie sich anders, "gerechter" verhalten könnten, bekämen sie vielleicht, wenn sie sich mal - beispielsweise - mit den Gedanken des amerikanischen Politik-Philisophen John Rawls beschäftigen würden. Seine Theorie in zwei Sätzen verkürzt zusammengefasst: Man solle ein System des Zusammenlebens entwerfen, in dem es unterschiedliche Positionen von reich bis arm, von einflussreich bis unerheblich gibt und die Lebensbedingungen für alle diese Gruppen festlegen, ohne zu wissen, in welcher Gruppe man selbst schließlich leben werde. Die endgültige Position wird dann - wie im wirklichen Leben - per Los entschieden.
Online-Flyer Nr. 44 vom 16.05.2006