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Globales
Mali: Pakt mit Gewerkschaft und Unternehmern
Militärmissionen weiter im Feuer
Von Georges Hallermayer

Die National Union of Workers of Mali (UNTM), der erste und größte Gewerkschaftsdachverband, und die Regierung haben eine Vereinbarung getroffen (1), wie maliactu am 10. Febr. 2021 berichtete. Dies wird weitreichende Konsequenzen haben und bedeutet aktuell, dass der Generalstreik abgeblasen wird. Die Schlichtung zwischen der Übergangsregierung von Mali, dem neu gewählten Nationalen Rat der Arbeitgeber von Mali (CNPM) und UNTM fand nach einer Reihe von Verhandlungen am Freitag, den 5. Februar 2021 statt – von der internationalen Presse wohlweislich verschwiegen. Im Protokoll verpflichtete sich die Regierung unter anderem, im laufenden Jahr 23.728 Jugendliche, darüber hinaus über fünf Jahre hinweg 8.600 junge Diplomierte einzustellen. Und die Aktivitäten privater Leiharbeits-Agenturen wurden ab sofort suspendiert. Alle Lehrer der Gemeinschaftsschulen (ECOM) werden bis zum Unterrichtsbeginn in den öffentlichen Dienst integriert. Und für die Wiederbelebung der Eisenbahn werden von einer gemeinsamen Kommission von Gewerkschaft und Eisenbahngesellschaft geeignete Maßnahmen ergriffen und Strukturen geschaffen, damit ab dem 31. Juli 2021 der Betrieb laufen kann. Der Nationalrat der Arbeitgeber unterstützt den „Plan d‘ Action“ der Regierung gegen „Geldwäsche und Finanzierung des Terrorismus in Mali“ (2) und erkennt die gewerkschaftlichen Freiheitsrechte im öffentlichen, halb-öffentlichen und privaten Sektor an. Zum Teil monatelang ausstehende Gehälter im öffentlichen Dienst werden nachbezahlt und der Tarifvertrag im Hotelwesen anerkannt. Um die Umsetzung des Paktes sicherzustellen, haben die drei Parteien eine Kommission eingerichtet, die jedes Quartal evaluiert. Ob damit auch alle Streikaktivitäten eingestellt werden?

Nachdem die skandalträchtige Nationale Wahlkommission CENI am 8. Februar aufgelöst wurde, lud die „Koalition für die staatsbürgerliche Überwachung der Wahlen in Mali“ (COCEM) das zuständige Ministerium ein, mit politischen Parteien und der Zivilgesellschaft den Dialog aufzunehmen, eine Nachfolgeorganisation einzusetzen (3).

Dem „sozialen Frieden“ etwas näher gekommen, komplizieren sich die Bemühungen, den „accord d‘Alger“ CSA von 2015 „vollständig zu implementieren“, was sich die Übergangsregierung auf die Fahne geschrieben hatte, die bislang in den Provinzen des Nordens seit November letzten Jahres einsam vor dem Sitz des Gouverneurs (von Blauhelmen gesichert) weht. (4) Ein Symbol des Fortschritts ebenso wie die Tatsache, dass die 42. Sitzung des Begleitausschusses des Algier-Abkommens in Kidal stattfand, dem Hort der Tuareg-Rebellion seit der Unabhängigkeit Malis. Allerdings ist eine Bewegung im Gange, die sich dem Bemühen der Übergangsregierung entgegenstellt (5). Die Benennung von Mitgliedern des „Interregionalen Konsultativrates“ aus dem Norden dürften den Konflikt losgetreten haben. Daneben hat es den Anschein, dass das Bemühen der Übergangsregierung, mit den separatistischen Kräften, den djihadistischen Organisationen in Verhandlungen zu treten, ins Stocken geraten ist. Im Gegensatz greifen „terroristische Angriffe“ weiter um sich.

Die kommunistische Partei SADI unterstützt die Forderung, die französischen Truppen dem UN-Kommando von MINUSMA zu unterstellen und sich gegen die djihadistisch-separatistischen Umtriebe im Norden zu konzentrieren.. Davon ist auch die UN-Mission MINUSMA nicht ausgeschlossen. Seit 2013 im Lande, waren allein im letzten Jahr sechs Soldaten zu begraben, im Januar bereits fünf, und am 10. Februar nach einem Angriff auf einen UN-Stützpunkt im Zentrum über zwanzig Verletzte. (6)

Von vielen unerwartet, scheint die islamische Autorität des Landes, Imam Mahmoud Dicko die Autorität der Übergangsregierung infrage zu stellen. Er veröffentlichte ein „Manifest“, „das Land zu retten“. „Wenn wir jetzt nicht reagieren, aktiv und kollektiv, macht der Staat, der uns regiert, keinen Sinn mehr.“ (7) Allerdings wird sich in den nächsten Wochen zeigen, was von den kryptischen Aussagen zu halten ist.

Der Zorn in der Bevölkerung übers ausländische Militär hat nicht nachgelassen: Am 3. Januar hatten zwei französische Mirage mit drei Bomben auf eine Hochzeitsgesellschaft im Zentrum Malis dreizehn Gäste getötet und acht verletzt. Das französische Militär leugnete, bekannte allerdings, einen Angriff auf Djihadisten geflogen zu sein, aber legte keine Fotos vor, während immer mehr Augenzeugen den französischen Überfall anprangerten (8). Und die malische Armeeführung bestätigte die französische Version. Die malische Regierung hatte noch im Januar Frankreichs Armeechef aufgefordert, alle Barkhane-Aktivitäten mit FAMA, der malischen Armee, zu koordinieren und kommt nunmehr in Legitimationsschwierigkeiten. MINUSMA hat eine Untersuchungskommission eingesetzt, allerdings noch keine Ergebnisse vorgelegt. (9) Der Senat konnte am 9. Februar im Hinblick auf den G5-Sahel-Gipfel am 15./16. Februar in N‘Djamena, der Hauptstadt von Tschad, (10) nicht ignorieren, rang sich allerdings zu keinem Beschluss durch – was die Proteste der Bevölkerung gegen das ausländische Militär nur verstärken wird. Was der französische Präsident Macron zu nutzen weiß, der schon signalisierte, einen Teil der 5.100 Mann starken Barkhane-Truppen abziehen zu wollen, wie die „Financial Times“ am 1. Februar (11) berichtete. Eigentlich war der Gipfel gedacht, vor allem Bilanz zu ziehen über die verschiedenen Operationen im vergangenen Jahr (12). Der Übergangspräsident durfte sich jedenfalls Ende Januar in Paris seine Meinung bilden (13).

Aber der „Kampf gegen den Terror“ soll – wie Macron schon seit Jahren forderte, von mehr Schultern getragen werden : Die EU-Mission TAKUBA - „Spezialkräfte“ aus Schweden, Tschechien und Estland - hat am 8. Februar begonnen, die malische Armee in ihren „Kämpfen zu begleiten“. (14) Die EU führt Krieg nicht gegen die Separatisten im Norden. sondern schwerpunktmäßig im Dreiländer-Eck Niger-Burkina Faso. Die 150köpfige Gruppe aus Schweden kommt mit drei Helikopter, zum Vergleich: die malische Armee feierte im Januar ihren vierten. Den bedauerlichen Zustand der malischen Armee, die allein noch nicht fähig sei, den Kampf zu führen, analysierte die französische Tageszeitung „Le Point“ am 5. Februar (15).

Der imperialistische „watchdog“, der Weltwährungsfonds IWF, brachte sich in Erinnerung und mahnte „tiefere Reformen“ an, um den Kredit von 58 Mio. Dollar auszuzahlen, das geschätzte Budgetdefizit von 5,5 % des Bruttosozialprodukts auszugleichen. (16) Kommentar überflüssig?


Verfasst am 14. Februar 2021


Fussnoten:

1 Le Combat 9. Febr. 2021: «Mali: Accord entre le gouvernement et l’UNTM: est-ce la fin des grèves au Mali?»
2 Maliactu 10. Febr. 2021: „Mali: COMMUNIQUE DU CONSEIL DES MINISTRES DU MERCREDI 10 FEVRIER 2021»
3 Maliactu, 8. Febr. 2021: « Mali: Dissolution de la CENI: La COCEM prend acte et invite le ministère de l’Administration à dialoguer avec les partis politiques et la société civile»
4 Le Monde Afrique 12. Febr 2021: „Mali: à Kidal, la paix en suspens»
5 Maliactu 10. Febr. 2021: „Mali: APPLICATION INTÉGRALE DE L’ACCORD D’ALGER: LES FRONTS DU REFUS SE MULTIPLIENT, UN GRAND MOUVEMENT EN GESTATION»
6 Maliactu 10. Febr. 2021 : «Une vingtaine de Casques bleus blessés dans une attaque contre leur camp dans le centre du Mali (MINUSMA)»
7 Maliactu 10. Febr. 2021: „Mali: Publication de son manifeste: Mahmoud Dicko est-il déçu par le régime actuel?»
8 Francetvinfo 2. Febr. 2021 : «Bombardement de Bounti au Mali: la version de l’armée française contestée»
9 Le Monde Afrique 4. Febr. 2021: «Jean-Pierre Lacroix: au Mali, «il ne faut pas se limiter aux questions sécuritaires»
10 Le Monde Afrique 11. Febr. 2021: «Au Mali, l’armée française en accusation, un mois après la frappe contestée de «Barkhane» près du village de Bounti»
11 Financial Times 1. Febr. 2021: «Macron signals military pullback from Sahel terrorist fight”
12 Mali Tribune 6. Febr. 2021: «Sommet du G5 SAHEL a N’Djamena: Le bilan des engagements de Pau et de Nouakchott»
13 Africanews 29. Jan. 2021: «Préparation du sommet du G5 Sahel à l’Elysée»
14 Maliactu 8. Febr. 2021: «Mali: Lutte contre le terrorisme: Début du déploiement des forces spéciales suédoises de la force Takuba»
15 Le Point 5. Febr. 2021: „Le Mali peut-il se passer de l‘operation Barkhane?“
16 Maliactu 8. Febr. 2021: «Mali: Economie: Le FMI demande des réformes plus profondes»

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