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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Globales
Wirtschaftsterrorismus
Neues von der Blockadenfront
Von Markus Heizmann (Bündnis gegen Krieg, Basel)

Dass Embargos, Sanktionen und Blockaden seitens der westlichen «Wertegemeinschaft» gegen andere Länder zumeist dem geltenden Völkerrecht widersprechen und somit illegal sind, dürfte sich in der Zwischenzeit herumgesprochen haben. Diese simple Tatsache droht jedoch – wie so vieles – von der zweiten, dritten oder vierten Welle des großen C hinweggespült zu werden. Zum Beispiel Syrien: "Die US-Regierung und die Europäische Union setzen ihren Wirtschaftsterrorismus gegen Syrien fort, indem sie einseitige Zwangsmassnahmen verhängen, die darauf abzielen, die Schlinge um die Zivilbevölkerung enger zu ziehen und ihnen Nahrungsmittel, Medikamente und lebensnotwendige medizinische Versorgung vorzuenthalten sowie den Wiederaufbauprozess und die Rückkehr der Vertriebenen zu verhindern", wurde Bashar al Ja'afri, der ständige Vertreter Syriens vor der UN von der offiziellen syrischen Nachrichtenagentur SANA zitiert. (1)

Syrien ist jedoch bei weitem nicht das einzige Land, welches unter den beschönigend «einseitige Zwangsmassnahmen»  genannten Kriegen leidet, welche die USA und die EU gegen Länder lostreten, die eine souveräne Politik für ihre Völker verfolgen und die sich weigern, sich der imperialistischen Hegemonie zu unterwerfen.

Die Liste der von Sanktionen, Embargos und Blockaden betroffenen Länder ist lang. Allein die EU Sanktionsliste umfasst 32 Länder von A wie Afghanistan bis Z wie Zimbabwe, die von mehr oder weniger rigorosen Maßnahmen betroffen sind. (2) Hier von «Sanktionen» oder von «Maßnahmen zu reden, ist ein Euphemismus: Es handelt sich um einen veritablen Wirtschaftskrieg, oder wie es Syriens Botschafter vor den Vereinten Nationen formuliert, um Wirtschaftsterrorismus.

Kniefall

Selbstverständlich kommt es in Europa zu Solidaritätsbekundungen mit den betroffenen Völkern. Allerdings ist dazu zu sagen, dass die AktivistInnen, wenn sie praktische Arbeit leisten wollen, keinen leichten Stand haben. Wir versuchen das zu verdeutlichen:
Geldüberweisungen in die betroffenen Länder sind kaum mehr möglich. Seien es Familienmitglieder, die nach Europa migriert sind und nun ihren Familien daheim Geld überweisen wollen oder seien es Solidaritätsgruppen, welche humanitäre oder soziale Projekte in den blockierten Ländern unterstützen wollen, sie alle sind mit demselben Phänomen konfrontiert: Entweder sind die Kosten für einen Geldtransfer derart exorbitant, dass es sich kaum mehr lohnt, oder dieser Transfer ist – wie im Fall Syriens oder Kubas gleich ganz verboten. Die Bestimmungen hierzu sind nicht einheitlich geregelt. Überweisungen können also kaum mehr getätigt werden, eine Sicherheit, zum Beispiel in Form eines Dauerauftrages, gibt es nicht. Oft ist die einzige Möglichkeit die den UnterstützerInnen bleibt, selbst zu reisen und das Geld auf sich mit zu tragen. Selbstverständlich kann das keine Lösung sein. Ebenso selbstverständlich ist jedoch, dass sich die Banken und die Transferfirmen, wie zum Beispiel Western Union bedingungslos und oft in vorauseilendem Gehorsam dem US Diktat beugen. Besonders offensichtlich ist dabei der Kniefall der Schweizer Banken.

Schon seit einiger Zeit ist es unmöglich Geld von der Schweiz nach Kuba oder nach Syrien zu überweisen. Bis September 2019 überwies die PostFinance,  noch Gelder nach Kuba.  Die PostFinance ist eine Tochtergesellschaft der staatlichen Schweizerischen Post, welche sowohl im Privatkundengeschäft als auch im Geschäftskundengeschäft tätig ist und als solche zu den grössten Schweizer Finanzinstituten gehört. Das Haupttätigkeitsgebiet liegt im nationalen und internationalen Zahlungsverkehr. Der Zahlungsverkehr mit Kuba, das heisst im Klartext, Überweisungen aus der Schweiz nach Kuba, wurden per September 2019 eingestellt. Selbst die traditionell bankenfreundliche NZZ titelte: «Postfinance knickt vor Trumps Sanktionen ein». (3)

Auf unsere Nachfrage erklärte die Postfinance, «dies sei  ein geschäftspolitischer Entscheid, der nicht weiter kommentiert werde».

Vorauseilender Gehorsam

Verweilen wir noch einen kurzen Moment bei den Praktiken der Schweizer Banken: Die Feststellung, welche der VSC (Vereinigung Schweiz Cuba) (4) in einem seiner Flyer aufstellt, ist gewiss nicht aus der Luft gegriffen: «Schweizer Banken unter US-Kontrolle».

Wir zitieren aus dem Flyer: «Seit einem Jahr häufen sich Klagen von KundInnen der Bank CLER, dass ihre Spendengelder für Organisationen, die im humanitären oder medizinischen Bereich für Kuba tätig sind, nicht mehr über ihre Konten abgewickelt werden können. […] Das geht nicht ohne Schnüffelei in den Zahlungsbewegungen der bisherigen KundInnen! Begründet wird diese schändliche Praxis damit, es schade der Reputation der Bank und man könnte sanktioniert werden...Letzteres ist eine Behauptung, die einer näheren Betrachtung nicht standhält, denn der innerschweizerische Zahlungsverkehr in Schweizer Franken fällt keineswegs unter das US-Sanktionsregime.» […] Zitat Ende.

Wozu wir anmerken: Diese Schnüffelei innerhalb der Zahlungsbewegungen der BankkundInnen ist natürlich ebenso illegal wie die Blockaden der USA und der EU selbst. Aber wie sagte schon Bertolt Brecht: «Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?»

Das herrschende Recht ist das Recht der Herrschenden

Wir müssen uns diese Praxis konkret vor Augen führen: Ich will also von meinen Bankkonto welches ich auf der Bank CLER habe, einen Betrag von, sagen wir 500.- Schweizer Franken auf das Konto der Vereinigung Schweiz Kuba, auf das Konto von MediCuba oder auf sonst eine in der Schweiz ansässige Solidaritätsgruppe mit Kuba überweisen. Die Bank verweigert mir diese Dienstleistung mit der obigen Begründung, es «schade der Reputation der Bank und man könne sanktioniert werden». Unseres Wissens nach hat sich bereits eine andere Bank, die Basler Kantonalbank dieser hinterhältigen Praxis angeschlossen.

Fragen wir nach der gesetzlichen Legitimation solcher US-höriger Praktiken, brauchen sich weder die Bank CLER, noch die Basler Kantonalbank, noch Postfinace zu rechtfertigen. Sie alle verstecken sich hinter dem schwammigen Begriff «Geschäftspraktiken», die praktischerweise nicht kommuniziert werden müssen. Bestrebungen diesen Machenschaften einen Riegel zu schieben, sind innerhalb des Schweizerischen Parlamentes im Gang. Allerdings darf bezweifelt werden, ob diese Bestrebungen erfolgreich sein werden: All zu gross ist die Ehrfurcht der Schweizer Banker vor den Direktiven aus Washington und Brüssel, all zu sehr ist das herrschende Recht das Recht der Herrschenden.

AktivistInnen der Vereinigung Schweiz Cuba und deren SympathisantInnen wollen das nicht so stehen lassen. In verschiedenen Schweizer Städten, in allen vier Landesteilen stellten sie sich mit Transparenten und Flyern von die Filialen der CLER und Kantonalbanken um so die Bevölkerung über die Praktiken der Banken, die den mindesten geschäftlichen Anstand vermissen lassen, publik zu machen. Kein leichtes Unterfangen in den Zeiten, in welchen uns das grosse C diktiert, wo, mit wem, wie, und warum wir uns überhaupt noch bewegen dürfen!

Widerstand im Kleinen…

Der Widerstand gegen das Unrecht ist ebenso da, wie die Solidarität mit den Betroffenen. Allerdings ist der Widerstand (noch) nicht so stark und so geeint wie er sein müsste um effektiv zu sein und um Wirkung zu zeigen. Wirkung zeigen bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur, dass diese niederträchtigen Praktiken der Banken aufhören müssen. Wirkung zeigt sich dann, wenn es uns gelingt, die Blockaden gegen alle davon betroffenen Länder, die sich dem imperialistischen Diktat widersetzen zum Verschwinden zu bringen!

Dieser Widerstand kann sich jedoch erst dann entfalten, wenn die Öffentlichkeit in den westlichen Ländern überhaupt darüber informiert wird, welche Verbrechen in ihrem Namen verübt werden. In Syrien, in Nordkorea, in Jemen, in Kuba, in Venezuela, in vielen andern Ländern leiden und sterben die Menschen an den Folgen der illegalen Blockaden. Medizinische Versorgung wird ebenso torpediert wie Bildung und alle anderen sozialen Errungenschaften, welche sich diese Länder den IWF und anderen Diktaten zum Trotz erkämpft haben.

Es macht den Eindruck, als würden wir in Europa noch im selben Dünkel des alten Herrenmenschentums wie zu Zeiten des Kolonialismus leben.

Wie formuliert es doch der Präsident Syriens, Bashar al Assad, bezogen auf die französischen und britischen Angriffe gegen Syrien: «Frankreich und Großbritannien sind historisch Kolonialmächte. Wahrscheinlich haben sie das nicht vergessen. Sie handeln in dieser (arabischen, mh) Region durch Vertreter und Kollaborateure». (5)

Mit dieser Einsicht steht der syrische Präsident bei weitem nicht allein. Die Gefahr, welche vom europäischen und US-amerikanischen Imperialismus für die Völker der Welt ausgeht ist den Menschen dieser Völker schon längst klar. Die Hungerblockaden sind nur eine Facette dieser Aggressionen des Imperialismus.

...und im Großen

Dieser nekrophilen Politik antworten die Völker der Welt mit der stärksten Waffe die sie haben: Mit Kooperation und mit Solidarität. Diese Solidarität mit anderen vom Imperialismus angegriffenen Völkern hat eine lange Geschichte und Tradition. Kuba hat sich 1959 in einer glorreichen Revolution von der US Marionette Batista befreit. Heute sind kubanische ÄrztInnen, allen Anfeindungen und allen Blockaden zum Trotz, auf allen Brennpunkten des Planeten aktiv, überall dort wo humanitäre Hilfe gebraucht wird, finden sich ÄrztInnen und medizinisches Personal aus Kuba.

Syrien seinerseits erblühte, kaum hatte sich das Land vom französischen Kolonialismus befreit, zu einem der sozialsten und fortschrittlichsten Länder, nicht nur der Region, sondern der Welt. Mit einer Selbstverständlichkeit die ihresgleichen sucht, nahm Syrien einen Grossteil der palästinensischen Vertriebenen des zionistischen Terrors auf und bietet ihnen bis heute Schutz, Bildung und Versorgung. Dasselbe gilt auch für irakische Flüchtlinge, die vor den Bombenteppichen der USA Mörder geflohen sind.

Was für Kuba und für Syrien gilt, lässt sich für jedes andere, vom US- und EU Imperialismus angegriffene Land sagen: Kaum werden die Völker in Ruhe gelassen, kaum sind die Invasoren vertrieben folgen Aufbau, Fortschritt in allen Bereichen, vor allem im sozialen Bereich.

Die friedliche Zusammenarbeit der Völker, auf allen Ebenen wirtschaftlich, kulturell, diplomatisch ist eine Realität, die einzig durch die imperialistischen Penetration gestört und destabilisiert wird. Natürlich vertreten die einzelnen Länder dabei noch immer ihre eigenen Interessen, das ist weiter nichts als pragmatische Politik. Mehr und mehr erkennen wir jedoch, eine klare Frontlinie zwischen  imperialistischer und nicht imperialistischer Politik. Die Süd-Süd Kooperation wird zu einer wichtigen, wenn nicht zu der wichtigsten Waffe des Widerstandes der Völker gegen Krieg und Blockaden.

Solidarische Zusammenarbeit

Als solidarisch und internationalistisch denkende und handelnde Menschen liegt es an uns, Prioritäten für unsere tägliche Praxis zu setzen. Was sich im Moment, nicht nur in Europa und den USA  mit einem Pandemie genannten neuen Phänomen abspielt, darf uns nicht darüber hinweg täuschen, dass die weltweit aktiven Aggressoren der NATO und des Pentagons alles dafür tun um an die Macht zu kommen, oder um an der Macht zu bleiben. Die erwähnte Süd-Süd Kooperation ist ein Beispiel von vielen wie diesen Machenschaften entgegen getreten werden kann. Schlussendlich isolieren sich Europa und die USA selbst. Wer in aller Welt will noch einen Vertrag mit einer Bank, einer Firma oder einem Konzern abschließen, von dem niemand weiß, ob dieser Vertrag gebrochen wird, noch bevor die Tinte darauf trocken ist, weil dieser Vertrag irgendwelche Konstrukte einer Blockadebestimmung verletzen könnte?

Die Embargos, Sanktionen und Blockaden bedrohen natürlich in erster Linie die davon betroffenen Völker. Es ist uns kein einziger Fall bekannt, in dem sich das Schicksal eines Volkes wegen einer Blockade zum Besseren gewandt hätte. Die Embargos, Sanktionen und Blockaden bedrohen jedoch auch uns alle. Wie können wir in einer Welt leben, deren Wohlstand sich allein auf Raub und Ausbeutung der Völker der Welt begründet? Die Embargos, Sanktionen und Blockaden sind eine direkte Bedrohung für die Demokratie. So gut wie jede illegale Blockade wird uns mit dem Argument beliebt gemacht, damit soll ein «Diktator» oder eine «Diktatur» beseitigt und Demokratie gebracht werden. Das Gegenteil ist richtig. Niemand in einem davon betroffenen Land wird sich für eine Blockade aussprechen. In Europa und in den USA würde sich keine Mehrheit für die Blockaden finden, wenn den Menschen reiner Wein eingeschenkt würde. Die Diktatur des Kapitals und des Imperiums ermordet mit dem Mittel der Blockade Menschen!

Die in der UN Charta verankerte Souveränität der Völker  muss endlich zu ihrem Recht kommen. Die Politik der USA und der EU kann nicht anders als kolonial bezeichnet werden und bewusst vermeiden wir hier das Wort neo kolonial, weil nicht einsichtig ist, was daran «neu» sein soll.

Es liegt an uns allen, die internationale Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Kräften zu suchen, die sich für die Einheit und die Souveränität der Völker einsetzen, gegen Kolonialismus, Imperialismus und Zionismus, gegen Spaltung und Separation.

Es liegt an uns unsere GenossInnen und eine möglichst breite Öffentlichkeit auf diese Verbrechen unserer so genannten Eliten aufmerksam zu machen und sie jetzt zu beenden.


Protest vor der Bank Cler in Basel


Protest vor der Bank Cler in Basel


Protest vor der Bank Cler in Neuchatel


Protest vor der Bank Cler im Tessin


Protest vor der Bank Cler in Winterthur


Fußnoten:

1 https://parstoday.com/en/news/west_asia-i128667-us_eu_continue_economic_terrorism_against_syria_un_ambassador
(Zugriff Oktober 2020)
2 Siehe: «Der verschwiegene Krieg – Sanktionen, Embargos, Blockaden» M. Heizmann, TuP Verlag, Hamburg, 2020
3 https://www.nzz.ch/schweiz/postfinance-stoppt-ueberweisungen-nach-kuba-und-bringt-schweizer-vor-ort-inexistenzielle-noete-ld.1508315?reduced=true
(Zugriff Oktober 2020)
4 https://www.cuba-si.ch/de/blog/thema/aktuell/schweiz/
(Zugriff Oktober 2020)
5 https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/syriens-machthaber-assad-im-f-a-z-gespraech-europawird-den-preis-fuer-waffenlieferungen-zahlen-12224899.html?printPagedArticle=true#pageIndex_3
(Zugriff Oktober 2020)

Online-Flyer Nr. 756  vom 04.11.2020



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