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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Das Virus-Komplott
Von Evelyn Hecht-Galinski

Seit das Corona-Virus weltweit tausende von Menschen infizierte, ist man zu Recht in Aufruhr. Allerdings sollten wir aufmerksam beobachten, welche dramatischen politischen Folgen daraus für uns entstehen können. Längst ist Deutschland zu einem der mächtigsten Waffenlieferanten aufgestiegen und steht jetzt an vierter Stelle der Reihenfolge hinter den USA, Russland und Frankreich und liefert damit die Waffen, die die Flüchtlinge erst schaffen, die jetzt wieder an den EU-Außengrenzen verdrängt und militärisch abgewehrt werden sollen. Die "christlichen Werte" von EU und der Merkel-Regierung, die sie jetzt mit der Aufnahme von etwa 1500 Kindern aus griechischen Lagern beweisen will, gelten jedoch nicht für das Elend der jemenitischen oder Gaza-Kinder, was weiter unbeachtet bleibt. Diese Scheinheiligkeit macht betroffen und sollte uns alle auf die Barrikaden bringen. Nein, wir wollen keine NATO-Mitgliedschaft und Kriegs-Manöver, die nur der Abschreckung gegen unsere russischen Nachbarn dienen. Schluss mit den Drohnenabschüssen per Ramstein und der Lagerung von Atomwaffen auf deutschem Boden sowie Zusammenarbeit und Ausbildung mit anderen Armeen wie der angeblich "moralischsten" aller "jüdischen Besatzerarmeen"! (1)

Paradebeispiele für den Doppelstandard

Dafür werden wieder einmal Erdogan und Putin als Sündenböcke abgestraft, während die "Waffenprofiteure" Saudi-Arabien und "jüdischer Staat" ungestraft bleiben und von Sanktionsandrohungen verschont bleiben. Sie sind Paradebeispiele für den Doppelstandard, mit dem Zionisten und Golfstaaten behandelt werden. Hierbei sehen wir, wie sich die Macht der USA und der Israel-Lobby auswirkt. Gezielt wird unterschieden zwischen den für den Westen „nützlichen" und feindlichen Staaten.

Was würden speziell Linke, Grüne und Rechte machen, gäbe es nicht die "Feindbilder" Erdogan und Putin? Nicht die Türkei und Erdogan sind schuld an dem Flüchtlingselend, das wir erneut erleben, sondern es ist die gesamte westliche "Wertegemeinschaft, die sich in ihrer Scheinheiligkeit sonnt. Mit falschen und nicht eingehaltenen Versprechungen, wie EU-Mitgliedschaft, Visafreiheit und vieles andere mehr, wurde die Türkei gelockt und allein gelassen, während die Griechen als EU-Mitglied für ihre falschen Versprechungen, Waffenkäufe und US-Hörigkeit "belohnt" wurden. Als Merkel das Flüchtlingsabkommen mit Erdogan schloss – nach ihrem Alleingang 2015 und dessen Folgen – war sie heilfroh, dass sie ein Problem weniger hatte. Was die Türkei mit dem Kraftakt der Aufnahme von etwa 4 Millionen syrischen Flüchtlingen stemmte, ist bewundernswert und verdient unsere Anerkennung. Man muss immer wieder daran erinnern, dass es auch die Türkei war, die Juden und Verfolgten nach ihrer Flucht aus Nazideutschland Unterschlupf gewährte. Schon versuchen bestimmte politische Gruppierungen den Putschversuch gegen Erdogan als Propaganda darzustellen, was eine Infamität sondergleichen darstellt und wahrscheinlich von denselben Kreisen, die Gülen und seinen Anhängern Asyl gewährten, in Umlauf gebracht wurde. (2)

An diese Tatsache sollten wir uns immer erinnern, genau wie an das Leid, das wir Russland und den anderen sowjetischen Völkern im Zweiten Weltkrieg mit mehr als 27 Millionen Kriegsopfern zufügten. Zumal Deutschland sich in seiner ewigen Traumatisierung niemals freimacht von der völlig unkritischen Unterstützung des "jüdischen Staats" auf Grund der Verbrechen des Holocaust. Während man hier über alles hinwegsieht, was jüdische Täter des brutalsten Besatzungsregimes der Nachkriegszeit gegen das palästinensische Volk anrichten, und schon seit Jahrzehnten vor ethnischer Säuberung, Bruch der Völker- und Menschenrechte, vor Enteignung und Entrechtung die Augen verschließt, werden an Russland und die Türkei andere Maßstäbe angelegt.

Rassismus-Virus: eine sich immer schneller ausbreitende Epidemie

Russland wird wegen des Beitritts der Krim zur russischen Föderation per Referendum –propagandistisch „Annexion der Krim“ genannt –  mit Sanktionen und ständigen weiteren Drohungen belegt. Der Türkei wird ständig undemokratisches Verhalten vorgeworfen, was mehr als verlogen scheint angesichts des Verhaltens gegenüber der "einzigen" Demokratie im Nahen Osten, dem "jüdischen Apartheidstaat". Dieses Besatzungsregime ist so wenig eine Demokratie wie auch Indien, das sich selbst als "größte" Demokratie der Welt betrachtet. Beide Staaten verbindet ein ungehemmter Rassismus gegen Muslime. Während die Hindus, ebenso wie die Juden, sich als "auserwählt" sehen und sich als „rechtmäßige“ Herrscher ihres Landes fühlen, werden Muslime/Palästinenser als Eindringlinge verfolgt. Das gleiche Phänomen erleben wir auch in China, wo es die muslimischen Uiguren, und in Myanmar, wo es die Rohingyas trifft. Dieses Rassismus-Virus ist wie das Corona-Virus eine sich immer schneller ausbreitende Epidemie.

Die Abrieglung und der Ausnahmezustand in den besetzten palästinensischen Gebieten vereinen erneut den palästinensischen Kollaborateur, Präsident Mahmoud Abbas, und den vor Korruptionsanklage stehenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. (3)(4)

Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete, dass das zionistische Besatzerregime und die Palästinenserbehörde gemeinsam an der Bekämpfung und Abrieglung arbeiten. Tatsächlich verbindet beide ein politisches Interesse an einem Aktionismus, um von eigenen Problemen abzulenken. Es geht also an erster Stelle nicht um die Eindämmung einer Gefahr, sondern um die eigenen Interessen.

Vereint im Nirwana der Farce von Friedensverhandlungen

Während der "jüdische Staat" sich sofort abschottete, Flüge von und ins Ausland einschränkte, in denen das Corona-Virus weit verbreitet sei und hygienische Maßnahmen empfahl, gibt es keine Anordnung zur Schließung von israelischen Universitäten, Schulen und Kindergärten.

Ganz anders Abbas, dem das Virus gerade in seinen politischen Kram passte. So schien es ihm nützlich, den Streik der palästinensischen Ärzte im besetzten Westjordanland einzudämmen. Schon von Beginn an hatte er diesen Streik als "verabscheuungswürdig" bezeichnet und sich damit wieder einmal ins politische Abseits gebracht. Mit der Forderung nach Beendigung hatte er sich die Kritik eigener Funktionäre wie Husum Khader, einem der Abgeordneten aus Nablus, zugezogen, die Abbas "Misshandlung der Ärzte" und seine Unfähigkeit zur Präsidentschaft vorgeworfen haben, womit er einen Nerv getroffen hatte und die Unterstützung der Palästinenser in Nablus und Umgebung erhielt. Und die Antwort des Präsidenten? Er ließ ihn brutal ins Gefängnis werfen! (5)

Schon erleben wir, wie sich Fatah-Vertreter wieder mit zionistischen Besatzern treffen und mit Verhandlungen da weiter machen, wo sie schon so oft waren, nämlich im Nirwana der Farce von Friedensverhandlungen, im Angesicht der Tatsache dass die Besatzer gerade den Bau tausender neuer Siedlungen ankündigten und den Bau neuer Apartheidstraßen für jüdische Siedler. Alles deutet auf eine ewige Judaisierung Palästinas hin, an der eine Palästinenser-Behörde und deren Vertreter selbst kräftig mitwirken, auf Kosten des palästinensischen Volks. (6)

Was für eine Verschwendung von Ressourcen!

So wie Netanjahu nichts unversucht lässt, um seinen Machterhalt mit allen Mitteln zu sichern, so hat Abbas jede Gelegenheit genutzt, um ohne Rücksicht auf die unter Besatzung lebender Menschen im Westjordanland und Gaza zu regieren. Ohne die Kollaboration mit dem "jüdischen Besatzerstaat" wäre ihm das nie gelungen.

So kann man nur mit Erstaunen betrachten, dass in Deutschland Konferenzen geplant werden, die immer noch die "Zwei-Staaten-Lösung" – trotz dezidiert israelischer Verweigerung! – zum Thema haben und über Alternativen und Perspektiven diskutieren, die doch niemals eintreten werden. Was für eine Verschwendung von Ressourcen!

Solange sich deutsche Muslime, Deutsche mit Migrationshintergrund und Migranten in Deutschland nicht anerkannt und nicht gleichberechtigt fühlen und mit der Angst leben müssen, zur Zielscheibe von Rechtsextremisten und Ausländerhassern zu werden, solange haben wir es eben nicht nur mit dem Corona-Virus, sondern auch mit dem Virus des Rassismus zu tun, gegen den es leider keine Impfung gibt. Deshalb müssen Muslime und Moscheen den gleichen Schutz wie Juden und Synagogen bekommen. Und es muss endlich einen Rassismusbeauftragten anstatt eines Antisemitismusbeauftragten geben!

Noch viel zu tun bei der Virus-Komplott-Bekämpfung!

Solange die gefährdeten Menschen selbst darauf hinweisen müssen, dass sie Deutsche sind und wie jeder andere Deutsche dazugehören wollen, solange die NSU-Akten nicht freigegeben werden, solange die Verwicklungen des Verfassungsschutzes nicht lückenlos aufgeklärt werden und die Gleichgültigkeit der Mehrheitsgesellschaft diese Bürger doppelt trifft, solange die AfD und gewisse Politiker mit Rassismus und Populismus auf Stimmenfang gehen, solange ist noch viel zu tun bei der Virus-Komplott-Bekämpfung. (7)


Fußnoten

(1) https://www.aufschrei-waffenhandel.de/daten-fakten/informationen/
(2) https://www.trtdeutsch.com/meinung/die-turkei-ist-wichtig-fur-deutschland-131589
(3) https://www.middleeastmonitor.com/20200306-corrupt-israel-has-re-elected-a-prime-minister-charged-with-corruption/
(4) https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_87486260/israel-netanjahu-beantragt-verschiebung-von-prozessbeginn-.html
(5) https://www.middleeastmonitor.com/20200309-abbas-has-enlisted-the-coronavirus-in-the-battle-against-his-political-opponents/
(6) https://www.middleeastmonitor.com/20200309-the-pa-is-provoking-the-palestinians-with-its-israel-normalisation-meetings/
(7) https://taz.de/Muslime-in-Angst/!5665892/


Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

Online-Flyer Nr. 739  vom 11.03.2020



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