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Lokales
Abstimmung am 9. Februar 2020
Ja oder Nein zum 1,1 Milliarden Zürcher Rosengartentunnel?
Von Heinrich Frei

Die Rosengartenstraße in Zürich ist eine der am stärksten befahrenen Straßen der Schweiz, die mitten durch ein Wohngebiet führt. Die Spitzenbelastung liegt bei rund 56.000 Fahrzeugen pro Tag. Dies sind rund drei Mal so viele Fahrzeuge, wie an einem normalen Tag durch den Gotthardtunnel fahren. Deshalb plant jetzt der Kanton Zürich zur Entlastung des Quartiers Wipkingen einen Tunnel und oberirdische Tramlinien, was 1,1 Milliarden Franken kosten soll. Über dieses Projekt werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons Zürich am 9. Februar 2020 abstimmen. Mit den 1,1 Milliarden Franken, die das Irrsinnsprojekt Rosengartentunnel kosten soll, könnten in Zürich für zehntausende Wohnungen Solarstromanlagen kombiniert mit Wärmepumpen installiert werden. Damit müssten weniger Öl und Gas aus dem Ausland importiert werden und das Klima würde geschont und die Luft in Zürich sauberer.


Transparent "Rosengarten-Unsinn NEIN!" und Transparent "Konzern-Verantwortungs-Initiative JA!" (Foto Heinrich Frei)


Autos im Tunnel, oben Trams, weniger Autos, Raum für Fußgänger und Velos... (1)




56.000 Fahrzeuge rollen heute pro Tag über die Rosengartenstrasse. Die Fotos zeigen sie in Richtung Wipkingen. Würde die Rosengartenstraße mit einem Tunnel zu einem Rosengarten? Heute ist diese Straße ein Kanal, der von giftigen Abgasen geschwängert wird. Kann mit einem Tunnel das dolce vita, das süße Leben gefeiert werden? (Fotos Heinrich Frei)

Durch den Tunnel verkehrsberuhigte Strecke: 700 Meter

Der projektierte Tunnel vom Wipkingen bis zum Irchel soll eine Länge von 2,3 Kilometern haben. Die dadurch verkehrsberuhigte Strecke im Wohnquartier Wipkingen wird aber nur 700 Meter lang sein. Die Planer schätzen, dass der Tunnel für die oberirdische Rosengartenstraße eine Entlastung von 80 – 95 Prozent bringen soll. Das heißt, dass täglich dennoch 2'800 bis 11’220 Fahrzeuge über diese Straße fahren werden. Auf der oberirdischen steilen Rosengartenstraße sind auch zwei neue Tramlinien geplant, die wie die tausenden Autos, die immer noch über diese Straße rollen, auch nicht gerade leise zirkulieren werden. Im Herbst und im Winter bei glitschigen Geleisen werden die Trams vielleicht gar nicht zum Bucheggplatz heraufkommen, wie das Tram Nummer 6 zum Zürcher Zoo das manchmal am Millionärshügel Zürichberg stecken bleibt. Die Belastung der Bevölkerung durch Abgas- und Lärmemissionen im Stadtteil Wipkingen werden durch den Rosengartentunnel nicht stark verringert und die Lebensqualität in den umliegenden Gebieten wird kaum erhöht, da ein Teil des Verkehrs auch über heute relativ ruhige Quartierstrassen fließen wird. Die Rosengartenstraße, wird zu keinem Rosengarten in dem man das dolce vita, das süße Leben feiern kann. (2)


Das Tunnelportal des Rosengartentunnels am Wipkingerplatz (Screenshot von der Website rosengarten-nein.ch)

"Lawinenverbauungen" gegen die Autoflut wurden nicht gebaut

Vor 60 Jahren wurde auch Zürich von immer mehr Autos überflutet. Der Delegierte für Stadtplanung der Stadt Zürich, der Architekt Hans Marti schlug vor mit «Lawinenverbauungen», mit Parkhäusern am Rande der Stadt, Zürich vor dieser Überschwemmung zu schützen. Autofahrer hätten das Stadtzentrum mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Velo, dem Moped erreichen können, heute natürlich auch mit dem Trottinett, dem Rollbrett, dem Elektrovelo. Schon 1965 fuhr mein Chef, der Architekt Werner Stücheli, vorbildhaft mit seinem Velosolex von unserem Büro an der Genferstraße in der Enge in Zürich herum, nicht mit dem Auto.

Zu Lawinenverbauungen nach dem Lawinenwinter 1951

Nach dem furchtbaren Lawinenwinter von 1951 starben im Alpenraum 265 Menschen. Nach dieser Katastrophe baute man überall Lawinenverbauungen, in Andermatt, Davos, Airolo, Pontresina, usw. Zwischen 1951 und 1984 wurden für rund 1,6 Milliarden Schweizer Franken Lawinenverbauungen in der Schweiz gebaut. Das ist mit dem heutigen Geldwert etwa 6 Milliarden Schweizer Franken. (3) Statt "Lawinenverbauungen" gegen die Autolawinen baute man in der Schweiz seit 70 Jahren für hunderte Milliarden Franken Autobahnen und neue Straßen.

Parkhäuser in der City Zürichs, statt Autos zu verbannen

Der Vorschlag des Stadtplaners Marti, «Lawinenverbauungen» am Rande der Stadt gegen die Auto Flut zu errichten wurde ignoriert. In der City wurden die Parkhäuser Urania, Hohe Promenade, Jelmoli, Escherwiese, Sihlquai und unterirdische Autoabstellhallen in Wohn- uns Geschäftshäusern gebaut, für die autogerechte Stadt. Oft werden heute noch Kinderspielplätze bei Wohnsiedlungen in Zürich «vergessen», aber sicher nie Autoabstellplätze für unser liebstes Kind das Auto.

Als ich 1961 nach Zürich kam, wollten die Politiker sogar die Tramlinien im Zentrum der Stadt in Tunnels verlegen, um oben auf den Straßen der City Platz zu machen für die Autos. Dieser Unsinn eines Tieftrams wurde von den Stimmbürgern abgelehnt. Frauen hatten zu solchen Fragen damals noch nichts zu sagen. Das Stimm- und Wahlrecht auf kommunaler Ebene für Frauen wurde in Zürich erst 1969 eingeführt.

Zürcher Express Autobahn Ypsilon blieb Planungsleiche

Immerhin wurde das Express Autobahn Ypsilon quer durch die Stadt später nicht gebaut, obwohl das Volk dazu Ja gesagt hatte. (Die Stadtzürcher waren dagegen). Der Milchbuck Autotunnel wurde 1985 eingeweiht, trotz den großen Demonstrationen vor Baubeginn gegen dieses Loch. Die Autobahn-Nordumfahrung zwischen Zürich-Seebach um dem Limmattal wurde 1995 eröffnet. Von 2009 rollten die Autos durch den Uetlibergtunnel der das Säuliamt mit der Zürichsee Autobahn verband. Durch diese Tunnels und Stadtumfahrungen wurde die Rosengartenstraße in der Stadt Zürich nicht stark entlastet, da Jahr für Jahr immer mehr Auto zirkulierten. Der Zürcher Untergrund ist heute so stark mit Auto- und Eisenbahntunnels durchlöchert wie ein Schweizer Emmentaler Käse.

Widerstand gegen die 2,2 Milliarden Bieler Autobahnumfahrung

Auch in der Stadt Biel am Jurasüdfuß will man die Stadt mit dem so genannten Autobahn Westast des Nationalstraßennetzes entlasten, was 2,2 Milliarden Franken kosten soll. Biel gilt als Sozialhilfe-Hauptstadt der Schweiz. Mehr als jeder Zehnte in dieser Stadt lebt von der Fürsorge. Biel ist auch bekannt für seine Uhrenfabriken. Die Firma Omega und Rolex produzieren ihre Luxusuhren in Biel. Vermutlich wird dieser Westast des Nationalstraßennetzes in Biel nie gebaut. Tausende protestierten in dieser kleinen Stadt schon mehrmals gegen dieses Projekt. (4)

Schon 1959 gab es sehr konkrete, größenwahnsinnige Pläne für eine Autobahn quer durch Biel, aus der Richtung Solothurn Richtung Bielersee. Als Hochbauzeichnerlehrling zeichnete ich damals an Plänen für ein Einfamilienhaus in Biel-Mett. Einige Meter neben diesem Wohnhaus sollte damals diese Bieler-Stadt-Autobahn verlaufen. Uns wurden Detailpläne der Straße mit der Böschung neben unserem Haus überreicht, die wir berücksichtigen mussten. Wir dachten damals alle: Ein solches Wohnhaus neben der Autobahn sollte man nicht bauen. Das Einfamilienhaus wurde gebaut, aber die Autobahn später nicht.


Fussnoten:

(1) https://www.rosengarten-zuerich.ch/
(2) https://rosengarten-nein.ch/
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Lawinenwinter_1951
(4) https://www.westastsonicht.ch/de/aktuell/aktuell

Online-Flyer Nr. 732  vom 15.01.2020



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