NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

Fenster schließen

Kommentar
Zur Auseinandersetzung um die Klima-Bewegung
15-jährige redet der UN-Menschenrechtskommission ins Gewissen! Und "Linke" kritikastern nur?
Von Hartmut Barth-Engelbart

Ist die in der folgenden Twitter-Meldung Abgebildete die 15-jährige, vermeintliche kuwaitische Krankenschwester, die 1991 der UN-Menschenrechtskommission ins Gewissen geredet hat - die erschütterte Augenzeugin, die von angeblichen irakischen Kriegsverbrechen berichtet hat: Soldaten, die Brutkästen kuwaitischer Frühchen zerschlagen, sie herauszerren und die Babys auf den Boden werfen? Nein, das ist sie nicht. Das ist die 16-jährige, die beim Weltwirtschaftsforum in Davos und jetzt vor der UN-Vollversammlung sprach und sich neuerdings auch um die Menschenrechte in Russland und in China kümmert.


Twitter-Meldung vom 14. Mai 2019 (1)

Nein, die 15-jährige, vermeintliche kuwaitische Krankenschwester, die erschütterte Augenzeugin irakischer Kriegsverbrechen, die den Golfkrieg von 1991 auslösen half, ist hier zu sehen:


Vermeintlich kuwaitische Krankenschwester 1991 vor der UN-Menschenrechtskommission (2)

Ist Kritik am gehobenen Fridays-for-Future-Protestmanagement nicht die Vorstufe zum Klimawandelleugnen? So wie ja auch die Kritik an “Adopt a Revolution” und den arabischen Frühlingsrollen eine Vorstufe zum Verrat an den Völkern Nordafrikas und des Nahen Ostens war? Oder die Kritik an Israel die Vorstufe zur Holocaustleugnung?

Der folgende Artikel des Hanauer Urgesteins F.W.H. aus der theoretisch wie praktisch fundierten Tiefe der "Gruppe Arbeiterpolitik" bietet einen guten Analyseansatz für die aktuelle Lage. Auf einige seiner Schwächen werde ich anschließend eingehen.

    Was sollte in der Einschätzung und dem Umgang mit Fridays for Future unbedingt beachtet werden?

    Kritik, kleinliche Kritik an Fridays for Future kommt nicht nur von Regierungs- und Oppositionsparteien, Unternehmenslobbyisten, konservativen Medien und - besonders scharf - der AfD, sondern leider auch von manchen Linken. Auch aus meinem Verteiler bekam ich neben sechs positiven Stimmen zu meinem Leserbrief auch eine Zuschrift, die sich sehr nahe am Rande solcher Verhetzung befand. Daher will ich den Versuch machen, darzulegen, was unter den gegenwärtigen Bedingungen in der Einschätzung und dem Umgang mit Fridays for Future unbedingt beachtet werden sollte, damit man sich ein realistisches Verständnis und den Zugang zu den Themen und Aktivitäten dieser Bewegung nicht verbaut.

    Wir leben in einer Zeit, in der der Kapitalismus sich global ausgebreitet hat und von der überwältigenden Mehrheit dieser Gesellschaft bei allen Problemen und Gefahren als alternativlos aufgefaßt, hingenommen bzw. - natürlich auch - begeistert gefeiert wird. Wir können historisch die ganze Reihe durchgehen: die als bürgerliche Revolution mäßig gelungene, als sozialistischer Ansatz aber völlig gescheiterte Novemberrevolution 1918, die durch faschistischen Terror der Nazizeit durchgesetzte “Volksgemeinschaft”, der unbedingte Wille der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften nach dem Krieg und der Befreiung vom Faschismus zur “Sozialpartnerschaft” mit Kapital und Regierung, damit zum Verzicht auf eigenständige Klassenposition und -kritik; weiter in Teilen der 68er-Bewegung der vergebliche, weil den realen Bedingungen nicht mehr entsprechende Rückgriff auf Weimarer Verhältnisse in Theorie und Praxis sozialistischer Organisierung, damit fortbestehende Entfremdung von intellektueller Theorie und praktischen Erfordernissen; die nahezu vollständige Integration der kritischen Ansätze in die bürgerliche Gesellschaft und schließlich die globale Niederlage des im sozialistischen Aufbau befindlichen Lagers um die Sowjetunion, der die bis heute anhaltende Diskreditierung des Sozialismus als Alternative zum Kapitalismus folgte.

    In dieser Zeit einer Leere in der Theoriebildung und dieser entsprechenden Praxis kann eine Massenbewegung wie Fridays for Future nicht perfekt und auf allen Feldern mit guten und “richtigen” Antworten, Lösungen und Strategien gewappnet die Bühne betreten. Es geht zunächst nicht mehr und nicht weniger darum, ihr Kernanliegen, den Klimawandel, ins allgemeine gesellschaftliche Bewußtsein zu rücken. Das ist, “objektiv” betrachtet, ihre Funktion im derzeitigen Stadium der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Und das hat sie gebracht.

    Für die Älteren sowie die historisch Interessierten unter den Jüngeren: Man vergleiche das mit der 68er-Bewegung. Auch deren Anfänge waren äußerst bescheiden, waren tastende Versuche. Schließlich bildete sich ein studentisch geführter Kern heraus, der SDS (ursprünglich eine Unterorganisation der SPD, die auf dessen Radikalisierung alsbald mit Ausschlüssen und Unvereinbarkeitsbeschlüssen reagierte), der der Bewegung ein Gesicht nach außen und eine kurze Zeitlang eine Struktur und einen Raum zur Diskussion bot, bis die Bewegung in ihren sich entfaltenden Widersprüchen soweit differenziert war, daß sie in mehrere Richtungen und zahllose Organisationen auseinanderging. Ähnliches ist mit Fridays for Future zu erwarten.

    Der Vergleich mit der 68er-Bewegung ist freilich nur der einer oberflächlichen Analogie. Theoretisch steht sie auf einem Niveau, das vielen ihrer wohlmeinenden KritikerInnen völlig unzureichend und naiv erscheint. Das mag sein. Aber es sind SchülerInnen unter den oben skizzierten, der Theoriebildung sehr ungünstigen Bedingungen. Bisher lösen sie das Problem pragmatisch und ihrem Kernanliegen angemessen auf eine sehr naheliegende Weise: Sie orientieren sich an den Aussagen der klimatologischen Wissenschaft. Und anders - als etwa im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich - haben sie hier den Vorteil, daß die Wissenschaft sich in grundsätzlichen Aussagen zum Klimawandel einig ist. Sie nutzen diesen Vorteil, bekommen umgekehrt Unterstützung aus der Wissenschaft und fordern nun ein, daß “die Politik” die Vorgaben der Wissenschaft (und die eigenen Beschlüsse, s. Pariser Abkommen) umsetzt. Das ist, unter gegenwärtigen Umständen, eine genial einfache Strategie.

    Daraus folgern nun aber manche kleinlichen Kritiker unter Linken, daß die gesamte Bewegung im Kapitalinteresse bzw. Interesse einzelner Kapitalgruppen handele bzw. von diesen gesteuert sei. Sie regen sich darüber auf, daß die Bewegung insgesamt keine dem Kapitalismus entgegen zu setzende Theorie und Praxis habe. Sie begreifen (noch) nicht, daß es die klare Absonderung von Interessen und die Konsequenz in der eigenen Praxis in einer komplexen bürgerlichen Gesellschaft nicht von Anfang an geben kann, sondern daß diese sich entwickeln müssen. “Aller Anfang ist schwer” ist ein zutreffendes Sprichwort aus dem praktischen Alltag, und wir befinden uns eben erst an einem Anfang.

    Besonders lächerlich sind die Auseinandersetzungen um die “Ikonisierung” von Greta Thunberg und die Aufregung um das, was sie tut und was sie vertritt (etwa die Atomenergie als “Brückentechnologie”). Hier wird Ursache und Wirkung verwechselt. Die Bewegung Fridays for Future existiert nicht wegen Greta Thunberg, sondern der Bekanntheitsgrad von Greta Thunberg kommt von der Bewegung. Sie mag mit ihrem Protest vor dem schwedischen Parlament eine Marke gesetzt haben, aber daß sie damit durchkam, ist eher Zufall. Wäre ihr Protest nicht von einer weltweiten Bewegung aufgegriffen worden (begünstigt durch die modernen Kommunikationsmittel), hätte nach kurzer Zeit kein Hahn mehr nach ihr gekräht. Die Bewegung entstand aus den realen Bedingungen und dem daraus folgenden Bedürfnis, der Existenzgefährdung etwas entgegenzusetzen, bevor es zu spät ist.

    Trotzdem ist an den erwähnten Befürchtungen etwas dran, aber es ist sekundär und muß für die Einschätzung der Bewegung von der Sache als bedeutungslos gelten. Natürlich versuchen die eingangs erwähnten Faktoren – Regierungs- und Oppositionsparteien, Unternehmenslobbyisten, bürgerliche Medien – Thunberg und die Bewegung zu vereinnahmen, und diese gehen darauf ein, nach individuell verschiedener Motivation. Zum einen müssen sie es, weil es aus der Logik folgt, ihr Kernanliegen gesellschaftlich zu verankern. Zum anderen gibt es in der noch ungetrennt beieinander liegenden Bewegungen unterschiedliche Strömungen, Organisationen und Auffassungen. Das wird sich in den nächsten Jahren ausdifferenzieren, und ein Verständnis der Vorgänge wird sich nicht erschließen, wenn man ihnen mit Verschwörungstheorien beizukommen versucht.

    Differenzierung ist auch jetzt schon zu erkennen, wenn man etwa “Extinction Rebellion” sieht oder die Koordination mit “Ende Gelände”, die eine klare antikapitalistische Ausrichtung haben. Bislang haben sie aber kein Interesse an Gewerkschaften, weil sie mit der im Energiebereich zuständigen IGBCE schlechte Erfahrungen gemacht haben und auch die zweite dort zuständige Gewerkschaft, ver.di, einen antikapitalistischen Weg nicht mitgehen will. Diese Situation muß man (mit ihren historisch gegebenen Voraussetzungen) zur Kenntnis nehmen, bevor und damit man darangehen kann, sie zu verändern. Mit anderen Worten: Die Auseinandersetzungen in den Gewerkschaften, in denen eben die Lohnabhängigen organisiert sind, deren Arbeitsplätze als Argument für Stillstand bzw. Entwicklungsverzögerung herhalten müssen, ist von großer Bedeutung. Die Mitglieder und Funktionäre müssen für den Klimaschutz gewonnen werden, wozu die Chance natürlich besteht, weil auch diese Lohnabhängigen nicht nur ihre Arbeitsplätze haben, sondern auch ihr Leben außerhalb der Arbeit, das von Klimaveränderungen bedroht ist.

    So sind die Bedingungen, die die weitere Entwicklung der Bewegung “Fridays for Future” bestimmen werden. Sie ist nicht der Weisheit letzter Schluß, sondern ein Anfang von vielem.

    F.W.H., 23.9.2019

Wenn die “FREE-HONKONG”-Aktivistinnen das Schild “Protect Honkong-Climate from Peking” vor die Tränengaskanonen hielten, wären Zig-Millionen dafür, für die Rettung des Klimas in Honkong zu intervenieren.

Dann dürfte auch der BILD-Liebling Joshua Wong mit Greta zusammen vor der UN-Vollversammlung sprechen.


Lieber F.W.H.,

das ist ein guter Beitrag zur Analyse der Lage, der aber doch an manchen Stellen Einiges auslässt und so die “Kleinlichkeit” der Kritiker scheinbar belegen kann. Natürlich gibt es da kleinliche “linke” Kritiker, die wohl dem Verlust der Deutungshoheit, der Platzhirsch- oder Leitkuhrolle bei Kundgebungen nachtrauern, die die üblichen Mängel im naturwissenschaftlichen Bereich nicht geisteswissenschaftlich glaubhaft kompensieren können usw.

Die politische Unerfahrenheit und die geschichtliche Unkenntnis der Fridays-for-Future-Aktivistinnen kann man denen nicht zum Vorwurf machen. Aber es ist unsere Pflicht, sie auf die Gefahren, die Instrumentalisierer und deren Tricks aufmerksam zu machen, ohne die Bewegung damit auszubremsen. Ich habe nicht die notwendigen naturwissenschaftlichen Kenntnisse und kann sie mir auch nicht mit einem Studium der 3. Lebensphase im Eilverfahren noch ausreichend aneignen, um im Streit der Wissenschaftler fundiert Stellung zu beziehen. Das Sich-Verlassen auf den “gesunden Menschenverstand” reicht hier nicht mehr, und nicht wenige Linke gehen hier wie auch schon beim Streit um Glyphosat Kapitalinteressen auf den Leim.

Unsere fehlende naturwissenschaftliche Qualifikation macht uns auf diesen Feldern zum Spielball kapitaler Interessen, die uns über Teilwahrheiten im Stile Edward Bernays vor ihren Karren spannen, und wir meinen, auf der Seite der Guten mitzuziehen.

Und darin inbegriffen sind dann auch die Eigentore der Linken, die genau auf dem Hintergrund der naturwissenschaftlichen Halbkenntnisse möglich werden. Natürlich sind die nicht von der Gegenseite geplant. Aber sie werden genutzt wie das Zbigniew Brzezinski immer empfohlen hat.

Die Gegenseite ist nicht blöd. Die analysiert die Lage viel besser und differenzierter, als wir das tun können. Und sie handelt nach dem Brzezinskischen Imperativ: “Krisen und Brüche nutzen, wie sie kommen und wenn & wo sie nicht kommen, dann welche schaffen” (Sein Satz war etwas anders formuliert, aber inhaltlich stimmt er auch so).

Der US-Geheimdienst hat genauso wenig wie der MI5 die Bewegung im Pariser Mai 1968 geschaffen. Aber er hat sie genutzt - wenn nicht zum Sturz so doch zur Schwächung Charles de Gaulles und seiner antiatlantischen Position. Cohn-Bendits BBC-Aufruf zum Sturz De Gaulles kam nicht von ungefähr über diesen UK-Staatssender. Und ich Idiot habe ihn damals noch bei seiner Flucht vor der Sureté nach England unterstützt. Diesen NATO-oliv-GRÜNEN “EUROfighter”, Jugoslawien- & Libyen-Überfaller, diese Ober-Macrone. Es wäre damals notwendig gewesen, ihn inhaltlich auffliegen zu lassen. Uns wäre eventuell Einiges erspart geblieben.

Die SOLIDARNOSC in Polen ist kein Produkt des US-Geheimdienstes, aber er hat die SOLIDARNOSC über seine Marionetten wie den Pater Jankowski, den Beicht- und Ziehvater Lech Walesas genutzt...

Der Maidan in Kiew war keine US-Geheimdienst-Gründung... Nun bei Honkong habe ich doch schon Zweifel an ihrem heimischen Ursprung.

Ich könnte diese Reihe hier schier endlos fortsetzen...


Fußnoten:

1 https://twitter.com/gretathunberg/status/1128344612186279937?lang=de
2 http://www.arbeiterfotografie.de/galerie/kein-krieg/hintergrund/index-vergangene-kriege-0002.html


Mehr von HaBE z.B. hier:

GRETAS World, recherchiert von Cory Morningstar, der kanadischen Umwelt-Aktivistin
http://www.barth-engelbart.de/?p=216871


Siehe auch:

Fotogalerie
"Klimastreik" von "Fridays for Future" am 20. September 2019
#AlleFürsKlima
Von Arbeiterfotografie
NRhZ 720 vom 25.09.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26239

Die Klima-Kampagne
Monströse Massenmanipulation
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 720 vom 25.09.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26223

Kommentar vom Hochblauen
Fridays for Future in Freedom – oder: vergiftetes Klima in Palästina
Von Evelyn Hecht-Galinski
NRhZ 720 vom 25.09.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26221

Online-Flyer Nr. 720  vom 25.09.2019



Startseite           nach oben