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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Inland
Rasante Abwährtsfahrt für SPD, CDU und DIE LINKE
Ohrenbetäubender Warnschuss
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Es ist ein desolates Bild für die etablierten deutschen Parteien, dass lediglich eine einzige Partei, nämlich DIE LINKE für den radikalen Wechsel steht, der das Land im sozialen und außenpolitischen Bereich dringend braucht. Es ist erbärmlich, dass deutsche Medien nicht für eine Welt des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit stehen. Anstatt sich mit der verheerenden CDU/CSU/SPD-Regierungspolitik zu befassen, attackieren die Medien unaufhörlich eine junge Partei, die bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am Sonntag 1.9.2019 den größten Wahlerfolg aller Zeiten einer Partei verbucht, die erst seit sechs Jahren besteht. Wann hat jemals eine derart junge Partei einen solchen Erfolg eingefahren? So geht lebendige Demokratie. Das heißt auch: "Nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen zeigt sich noch schärfer als zuvor, dass die alten, politisch einigermaßen übersichtlichen Zeiten endgültig vorbei sind." ( „Politik im Bund – Der Umbruch“ von Ferdos Forudastan, SZ-Leitartikel, 2.9.2019) Nach der krassen Niederlage der SPD in Sachsen, die auf nie da gewesene 7,7% rutscht, droht die SPD tiefer in politische Bedeutungslosigkeit zu versinken. Aber der ohrenbetäubende Warnschuss bleibt im SPD-Vorstand wirkungslos. Dieselbe Unbeweglichkeit, dieselbe Taubheit bei der CDU, die sich auch in rasanter Abwärtsfahrt befindet. Auch DIE LINKE hat kräftige Verluste zu verbuchen. Wird sie intelligent damit umgehen und in zukünftige Zugewinne umwandeln können?

Hat die SPD ihre Prinzipien für immer aufgegeben?

Die Menschen im Osten, wo für sie wichtige Versprechen der Landesregierungen nicht erfüllt wurden (Rentenangleich, Lohntarifangleich, Infrastrukturverbesserungen, medizinische Versorgung, u.a.), haben mit ihrer Wahlstimme ihr Missfallen darüber kundgetan. Sie wie alle Menschen im ganzen Land erwarten eine ehrliche, sachliche Auseinandersetzung mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit. Hat die SPD ihre Prinzipien für immer aufgegeben? Warum sollte sie dann nicht "Sozialabbau-Partei Deutschlands“ genannt werden, wie Oskar Lafontaine einmal trefflich erklärte? Sollte die Kritik Lafontaines unzutreffend sein, sind die SPD und der Journalismus ethisch verpflichtet, das Gegenteil darzustellen und mit Argumenten zu untermauern. Steht die SPD nicht für eine Zerstörung der Rentenformel, nicht für die Beraubung der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht für Milliarden Geschenke an die Unternehmen, nicht für Hartz IV, nicht für Euro- und Privatbanken-Rettungsaktionen mit Steuergeldern und nicht für die Beteiligung Deutschlands an völkerrechtswidrigen Kriegen? Die fehlende Substanz bei Redaktionen und politischen Diskussionen ist für jeden aufmerksamen Leser und Beobachter offenkundig. Das beweist, dass es an fundierten, begründeten Gegenpositionen fehlt, um an die unsoziale SPD-Praxis heranzugehen. Es beweist aber auch, wie armselig und tief gesunken die politischen Verhältnisse inzwischen sind.
 
SPD in ihrer unsäglichen Koalition der CDU-Macht angepasst


Gäbe es für den SPD-Vorsitz eine Persönlichkeit des Wechsels wie Jeremy Corbyn für Labour in Großbritannien, wäre die SPD mit Sicherheit offen und bereit für eine Koalition mit der Partei DIE LINKE, und zwar auf Grundlagen, die die wirtschaftlich-politische Wende wirklich ermöglichen. Aber, nein. Sie hat sich in ihrer unsäglichen Koalition mit der CDU/CSU den vorhandenen Machtverhältnissen vollkommen angepasst, ja korrumpieren lassen und alle sozialdemokratischen Prinzipien über Bord geworfen. Dasselbe geschieht mit den Grünen, die nach langem Hin und Her heute, außer Klimaschutz, nicht wissen, wofür sie wirklich stehen. Die Grünen haben bei den beiden Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen zugelegt, aber ihre Erwartungen erfüllten sich nicht. Stattdessen legte die AfD einen kometenhaften Aufstieg hin.

Entwicklung wie in Frankreich zeichnet sich ab

Das ist sehr bedauerlich, denn beide Parteien, SPD und Bündnis90/Die Grünen, haben sich von der Wählerschaft, ja von der Wirklichkeit so weit entfernt, dass die SPD kurz davor steht, in der politischen Versenkung, ja in der politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, während die Grünen noch tauglich erscheinen, indem sie weiter ein Täuschungsspiel mit der Klima-Karte spielen.

Eine Entwicklung wie in Frankreich zeichnet sich hierzulande ab. Die französischen Sozialisten und die republikanischen Konservativen standen seit der Parlamentswahl am 11.6.2017 vor dem Ruin.

Die politische Landschaft Frankreichs formiert sich jetzt neu, ohne die traditionellen etablierten alten Parteien, die einfach verschwinden. Frankreich erlebt schon das bittere Scheitern der neoliberalen Agenda mit unvorsehbaren Konsequenzen für den Präsidenten im Elysée. Macron und seine diskreditierte Bewegung verlieren zu Recht immer weiter an Respekt und Unterstützung, und das nicht nur beim französischen Volk, sondern auch bei allen Völkern Europas überhaupt. 76% der Franzosen stehen hinter der Mobilisierung der Bevölkerung. 20% identifizieren sich mit den Gelb-Westen. Ja, Macrons neoliberales Programm wirkt als Abschreckung für ganz Europa. Das französische Volk ist voller Wut in Aufruhr gegen Macron und seine unmenschliche unsoziale Politik.

Neoliberale Agenda verlassen

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat das Armutsproblem in Deutschland bereits als sozialen "Sprengsatz" erkannt, aber die CDU ist nicht imstande, ihre neoliberale Agenda zu verlassen. Ein anderes gutes Signal aus dem Osten ist die klare Niederlage der FDP, die es in beiden Ländern, Brandenburg wie Sachsen nicht geschafft hat, im Landtag vertreten zu sein. Als  Anstifter und radikalster Vertreter des Neoliberalismus hat die FDP in der politischen Landschaft Deutschlands nichts sozial Gerechtes anzubieten. Deutschland darf das Schicksal Frankreichs nicht riskieren. Aus dem bevorstehenden Verschwinden der alten Parteien sind die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Aber dafür sind keine Anzeichen wahrzunehmen, weder aus der SPD noch aus der CDU trotz der eindeutigen Warnung aus dem Osten. Aus der CDU sollte schnellstmöglich eine linke, also sozial orientierte christliche Partei hervorgehen, die zusammen mit der Partei DIE LINKE eine soziale Agenda für Deutschland zu implementieren und damit den gesellschaftlichen Zerfall zu verhindern hätte.

Die AfD müsste sich in diese Richtung bewegen und damit die soziale Umwandlung des konservativen Lagers in Gang setzen. Die AfD ist die einzige Partei, die im größten Ausmaß bisherige Nicht-Wähler mobilisieren konnte. Daher ihr großer Wahlsieg. Damit ist die AfD dabei, sich als die größte bürgerliche Partei Deutschlands zu etablieren. Mit ihrem Erfolg am Sonntag 1.9.2019 hat die AfD ihre Stellung als bisher erfolgreichste Rechtspartei in der Geschichte der Bundesrepublik konsolidiert. Sie kann sich dabei auf ihre feste Verankerung im deutschen Mittelstand stützen. Töricht und undemokratisch wäre es deshalb, weiter diese Partei aus der Tagespolitik auszuschließen und zu ignorieren. The Guardian aus London sieht das Wahlergebnis politisch nüchtern: "Die AfD wurde in beiden Bundesländern zweitstärkste Kraft – ... ein Schlag für Angela Merkels Koalition aus Christdemokraten und Sozialdemokraten. Beide Parteien haben Tausende von Wählern an die AfD verloren." (The Guardian 3.9.2019) Und die flämisch-belgische Zeitung De Standaard: "...das Wahlergebnis verdeutlicht, dass die Partei (die AfD) dabei ist, zu einem festen Bestandteil der deutschen Politik zu werden." (De Standaard, 3.9.2019)

Diffamierungen seitens der Medien und weitere Manipulationen, um AfD-Volksvertreter in ihren Rechten zu behindern und zu denunzieren, klagen die mangelnde politische Kultur hinsichtlich Pluralismus und Demokratie dieser Republik an und gestalten einen fundierten Grund für eine Untersuchung.

Außenpolitik neu ausrichten

Auch die Außenpolitik bedarf einer Neuausrichtung. Was Auslandseinsätze betrifft, ist das Grundgesetz sonnenklar: Die Bundeswehr gehört auf inländischen Boden, nicht ins Ausland. Das ist ein verfassungsrechtlicher Standpunkt, den jede Politik zu respektieren hat. Die fehlende, aber notwendige Bewertung von deutschen Militäraktivitäten gemäß der Rechtsgrundlage des deutschen Grundgesetzes durch Führungen der großen Volksparteien verstärkt das ungeheuer große Defizit an Rechtskultur in Deutschland. Dieser wesentliche Aspekt, der einen Rechtsstaat ausmacht, ist nicht länger zu ignorieren, denn er bedeutet Dreh- und Angelpunkt einer zivilisierten Politik, nämlich konkret den Krieg abzulehnen. Wo bleibt nach zwei Weltkriegen die Kenntnis der jüngsten deutschen Geschichte und die notwendige Aufklärung darüber im heutigen Rechtsstaat?


Verfasst am 04.09.2019 unter Bezugnahme auf Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 31.8.2019: „Im Zweifel für die Angeschlagenen“ von Jens Schneider, SZ-Leitartikel vom 2.9.2019: „Politik im Bund – Der Umbruch“ von Ferdos Forudastan

Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.


Online-Flyer Nr. 718  vom 11.09.2019



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