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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Kampf um die Umwelt in Kenia
Greta Thunbergs kleine Schwester
Von Georges Hallermayer

Ellyanne Wanjiku Chlystun lebt in Kenia, ist heute 9 Jahre alt und steht auf der Business-Plattform „urbwise“ in der Ehrenliste „phänomenaler Frauen, die nationale Anerkennung verdienen“. Das hat sie mit ihrer schwedischen Schwester gemein. Wie ihre große Schwester Greta Thunberg in Schweden hat sie auch vermögende Mittelklasse-Eltern. Sie geht auf die Peponi House Preparatory School in Nairobi, eine multikulturelle Privatschule mit britischen Standards. Sie spielt mit ihrem Teddy, selbst vor der Kamera, aber sie träumte nicht wie so viele in ihrem Alter, schön und reich zu werden, nicht Modemacherin oder Pilotin. Aber Greta Thunberg konnte ihr Vorbild nicht sein, die gab es da noch nicht medial, als sie anfing, Bäume zu pflanzen. Sie war begeistert von Prof. Wangari Maathai. Hier zulande nicht bekannt, aber in Afrika und besonders in Kenia. Prof. Wangari Maathai promovierte 1971 als erste Frau Ost- und Zentralafrikas. Inspiriert von Algeriens Programm „barrage vert“, 1974 in die Wege geleitet, gründete sie 1977 die „Green Belt“-Bewegung, das Land aufzuforsten und erhielt als erste Frau Schwarzafrikas 2004 den Friedensnobelpreis. Die grüne Umweltministerin scheute selbst das Gefängnis nicht, um den Mächtigen des Landes den Spiegel ihrer Umwelt- und anderer Sünden vorzuhalten:

Ihr wollte es die kleine Ellyanne nachtun, ebenso aufrecht und kämpferisch. Aber wie kann ein kleines Mädchen von 6 Jahren in die Fußstapfen einer der großen heroischen Frauen des Landes treten? Elyanne wollte wenigstens Bäume pflanzen, aber mindestens eine Million. Zu Mtoto News am 27. Juni 2019 war sie schon realistischer, sie habe 509 Bäume gepflanzt, wolle aber die 10.000er Marke erreichen. Nach Info der kenianische Internet-Plattform „Business Today“ vom 22. August hätte sie bereits mehr als 1.500 Bäume geschafft, hartnäckig wie sie ist.

Unterstützt von ihren Eltern und von anderen Kindern zogen in den letzten Jahren ihre Pflanzaktionen weite Kreise. Das von Pädagogen, Schriftstellern und Bürgermeister 2006 gegründete Netzwerk „children with nature“ unterstützte sie, heute ist sie dessen Botschafterin. In kurzer Zeit folgten Ihrem Beispiel Kinder an anderen Schulen, in anderen Städten. So initiierte Ellyanne, wie „childrenwithnature“ am 12. Dezember 2017 meldete, einen landesweiten Schreib- und Kunst-Wettbewerb „Kenya Climate Change Art and Essay Competition“, den sie am 1. August 2017 an der öffentlichen Kilimani Primärschule in Nairobi eröffnete. Unterstützt wurde der Wettbewerb vom Erziehungsministerium, von USAid und von KEPSA, der Lobby der Privatwirtschaft.

Anläßlich der am 4. bis 6. Dezember 2017 in Nairobi stattgefundenen Generalversammlung des Umweltprogramms der UNO „UNEP Global Environment Assembly“ wurde der kleinen Ellyanne Wanjiku offizielle Anerkennung ausgesprochen. „Bildung ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir eine junge Generation von Umweltkriegern schaffen wollen, um die enormen Umweltherausforderungen zu bewältigen, mit denen die Welt konfrontiert ist“, sagte Sam Barratt von UNEP.

2018 wurde Ellyanne Wanjiku die jüngste „Umwelt-Kriegerin“ aller Zeiten. Titel und Preis, der „Eco Warrior Award“, wurde ihr von der „Kenya Tourist Federation“ verliehen. Sie hat ihren Aktionsradius auch thematisch erweitert. Die Bewegung „childrenwithnature“ macht mittlerweile mit dem staatlichen „Kenya Forest Service“ und der Tierschutz-Organisation „Rhino Acre“ zusammen Aktionen im ganzen Land und wird dabei unter anderem von der „Safaricom Foundation“ unterstützt, der Stiftung des größten Mobilfunkbetreibers Ost- und Zentralafrikas, ein staatlich-privater Mischkonzern.

„Ihre Lunge brennt auch!“
„Bei uns, das ist nicht das gleiche… das ist mit Absicht.“

Wie verletzlich der Wald auch in Kenia ist, sei nur mit einem Beispiel angeführt: Der „Mau Eburu Forest“, um den sich Ellyanne Wanjiku besonders kümmert, ist 8.750 Hektar groß (etwa die Größe Bremerhavens). Er repräsentierte 1960 40 Prozent der Waldfläche Kenias, ist aber bis heute auf unter 25 Prozent geschrumpft, das Resultat von Abholzung für Feuerholz, Zersiedlung durch illegale Bebauung und landwirtschaftliches Brandroden. Damit ist das größte Wassereinzugsgebiet des Landes bedroht, wie der „Safafricom Report 2017“ darstellte.

„Business Today“ berichtete am 22. August, dass Safaricom mit dem Kenya Forest Service“ ein Memorandum of Understanding unterschrieben habe, sie werde die Anpflanzung von fünf Millionen einheimischer Bäume in den kommenden fünf Jahren finanzieren. Ausgewachsen werden sie somit etwa 300.000 Tonnen Kohlendioxyd absorbieren. Ein großer Baum, wird geschätzt, absorbiert 24 kg Kohlendioxyd jedes Jahr, vom Wasser, das er in die Luft verdunstet mal abgesehen. Damit unterstützt Safaricom das Aufforstungsprogramm von Staatspräsident Uhuru Kenyatta, wonach bis 2022 zehn Prozent des Landes von Wald bedeckt sein solle. Dazu sei aber notwendig, dass jedes Jahr eine halbe Million Bäume angepflanzt werden. Die staatliche Forstbehörde will die Hälfte übernehmen, die anderen 250.000 Bäume anzupflanzen, sei die Bevölkerung aufgefordert, so Forst-Chef Peter Kenya.

Und das wird zu schaffen sein, wenn es Ellyanne Manjiku und ihren Mitstreitern gelingt, die Bevölkerung über die Sensibilisierung hinaus zu mobilisieren, aktiv zu werden. Der nördliche Nachbar Äthiopien hat es vorgemacht: Über alle ethnischen Unterschiede hinweg seien an einem freien Tag 350 Millionen Bäume gepflanzt worden, verlautbarte stolz Premierminister Aby Ahmed, wie „Climate Change News“ vom 31. Juli 2019 berichteten.

Generell verspricht man sich von dem Projekt, dass es die örtliche Wirtschaft stimuliert, vor allem Kleinbetriebe, Baumschulen, Imkereien, Öko-Tourismus, die neue Jobs schaffen und die Armut bekämpfen – ganz nach dem Modell des chinesischen Kubiqui-Projekts, das auf der COP 11 in Namibia 2013 als wichtiges Instrument und Plattform zur Erreichung der strategischen Ziele der UNCCD anerkannt wurde. Danach bestehe der Kern des Kubuqi-Modells darin, ein System einzurichten, das politische Instrumente, Investitionen des Privatsektors und die aktive Beteiligung der Bevölkerung vor Ort integriert.

Darüber hinaus kann sich Ellyanne Manjiku besonders freuen über die Zusicherung, Safaricom werde bis 2050 ein Unternehmen mit Zero-Co2-Emissionen sein, also die aktuell gemessenen 65.000 Tonnen Kohlendioxyd auf Null reduzieren. Da kann sich die deutsche Telekom nur eine Scheibe davon abschneiden…

Was wäre, wenn Ellyanne Manjiku am 20. September nach Deutschland käme? Neue „Eco-warriers“ aufs Schild heben zum „Friday for future“?. Würde sie mit deutschen „Umweltkrieger“ in der Umgebung Plätze und Straßen suchen, an denen Bäume gepflanzt werden könnten und sollten? Würden sie zusammen Setzlinge von hiesigen Obstbäumen oder von exotischen Zierbäumen pflanzen?

Am 20. September sind nicht nur Schüler aufgerufen. Wie in Frankreich ist „Convergence“ angesagt. Gelingt eine Verbindung von Schule und arbeitender Jugend?

Könnte „Friday For Future“ die Gewerkschaftsjugend (und Betriebsräte) mit ihrer Begeisterung anstecken, betriebliche Umweltkomitees zu gründen, um mitzubestimmen, wo ihr Betrieb Schritt für Schritt weniger CO2-Emissionen verursachen kann, direkt oder indirekt?


Verfasst am 9. September 2019

Online-Flyer Nr. 718  vom 11.09.2019



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