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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Krieg und Frieden
Die bundesdeutschen Gewerkschaften und ihr "Antikriegstag"
Friedensphrasen und Betteln um Arbeitsplätze in der US-Kriegsmaschinerie
Von LUFTPOST

Offiziell legen der DGB und seine Einzelgewerkschaften auch zum Antikriegstag am 1. September 2019 wieder die unverbindlichen Lippenbekenntnisse zum Frieden ab, sie kritisieren aber weder die deutsche Rüstungsindustrie noch ihre Waffenexporte, und die Einzelgewerkschaft ver.di bettelt sogar um den Erhalt der Arbeitsplätze für einheimische Zivilbeschäftigte bei den US-Streitkräften. In der damaligen Sowjetischen Besatzungszone wurde am 1. September 1946 mit einem "Weltfriedenstag der Jugend" erstmals an den Überfall der Wehrmacht auf Polen erinnert. In der Deutschen Demokratischen Republik wurde der 1. September seit Beginn der 1950er Jahre als "Tag des Friedens" oder als "Weltfriedenstag" begangen. In der Bundesrepublik Deutschland fand der erste "Antikriegstag" auf Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) erstmals am 1. September 1957 unter dem Motto "Nie wieder Krieg" statt.



Nachfolgend der DGB-Aufruf zum Antikriegstag 2019 (1):
    "Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!" Das ist die Antwort der Gewerkschaften auf das unermessliche Leid, das Nazi-Deutschland über die Welt gebracht hat als es am 1. September 1939 Polen überfiel und damit die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs auslöste. Achtzig Jahre nach Beginn des grauenhaften Vernichtungskriegs der Nazis haben wir allen Anlass, am Antikriegstag daran zu erinnern, wohin das Wiedererstarken von blindwütigem Nationalismus und Militarismus, von Menschenfeindlichkeit und Rassismus führen kann.

    Demokratie, Frieden und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen entschlossen verteidigt werden. Das weiß niemand besser als wir Gewerkschaften. Deshalb waren wir von Anfang an zentraler Teil der Friedensbewegung und haben zu ihren Erfolgen beigetragen. Wir wissen aber auch: Unser Kampf gegen Faschismus, nationalistische Kriegstreiberei und besinnungsloses Wettrüsten ist längst nicht vorbei. Im Gegenteil: Wir leben heute in einer Welt, in der unser gewerkschaftlicher Einsatz für eine starke Friedensbewegung besonders gefordert ist.

    Die aktuelle Weltlage ist geprägt durch Unsicherheit und Instabilität. Wir werden nicht nur Zeuge, wie ein neuer Aufrüstungswahn um sich greift, sondern sehen uns mit einer neuen nuklearen Bedrohung konfrontiert. In einer Zeit, in der alle Atommächte dabei sind, ihre Nuklearwaffen zu modernisieren, steigen die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus und kündigen das Abkommen über nukleare Mittelstreckensysteme mit Russland. Auch die Bundesregierung ist in der Verantwortung, diesem Irrsinn Einhalt zu gebieten. Sie muss endlich den UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen unterzeichnen, dem bereits rund 130 Staaten zugestimmt haben.

    Welche Ausmaße das neuerliche Wettrüsten erreicht hat, zeigt sich bei den Militärausgaben. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs waren sie nie so hoch wie heute: Weltweit belaufen sie sich auf mehr als 1,6 Billionen Euro. Und auch die Bundesregierung kennt kein Halten. Betrug der deutsche Verteidigungsetat 2015 noch 33 Mrd. Euro, so ist er inzwischen auf 43,2 Mrd. Euro gestiegen. Wenn Deutschland die NATO-Vorgabe befolgt, seine Wehrausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des BIP zu steigern, so läge sein Rüstungsetat in fünf Jahren bei 85 Mrd. Euro.

    Schluss damit! Schon heute nimmt Deutschland den achten Platz bei den Rüstungsausgaben ein. Und das, obwohl das Geld für öffentliche Investitionen an allen Ecken und Enden fehlt – ob nun für die Gestaltung der sozialökologischen Transformation durch Klimawandel und Digitalisierung, in der Alterssicherung und Pflege, beim sozialen Wohnungsbau, bei der Entwicklung eines umfassenden Gesundheitssystems oder bei der Modernisierung von Schulen und dem Kita-Neubau. Statt mit Unsummen das Wettrüsten anzuheizen, fordern wir die Bundesregierung auf, die dafür vorgesehenen Mittel in ein sozial gerechtes Deutschland und Europa mit nachhaltigen Zukunftsperspektiven zu investieren.

    Soziale Gerechtigkeit und sichere Zukunftsperspektiven für alle – das ist zugleich die wirksamste Antwort auf die Spaltungs- und Ausgrenzungsparolen von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten. Sie machen mobil gegen unsere Demokratie und sagen unserer vielfältigen und weltoffenen Gesellschaft den Kampf an. Wie wenig die Rechtsextremisten dabei vor Gewalt und Terror zurückschrecken, hat erst jüngst der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verdeutlicht.

    Weltweit befinden sich die Feinde der Demokratie, Autokraten und autoritäre Regime auf dem Vormarsch. Sie schüren neue Feindbilder. Sie instrumentalisieren die tiefe Verunsicherung, die das Gefühl bei vielen Menschen auslöst, in einer Welt zu leben, die völlig aus den Fugen geraten ist. Eine Welt, die durch eine wachsende Zahl an bewaffneten Konflikten geprägt ist. Eine Welt in der sich 70 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Bürgerkrieg, vor politischer Verfolgung, vor Naturkatastrophen und Armut befinden.

    All diese Probleme lassen sich nur mit weniger statt mit mehr Waffen lösen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, engagiert sich der DGB in der Friedensinitiative "Abrüsten statt Aufrüsten". Deren Aufruf gegen das Zwei-Prozent-Ziel der NATO haben inzwischen mehr als 150.000 Unterstützerinnen und Unterstützer unterzeichnet. Wir rufen öffentlich dazu auf, den Aufruf mitzuunterschreiben und sich an den zahlreichen Aktionen der Initiative zu beteiligen (https://abruesten.jetzt ).

Der DGB-Aufruf beklagt wie immer die Verbrechen der Nazis, verurteilt die ständig wachsenden Rüstungsausgaben und warnt vor Rechtsextremisten und Rechtspopulisten.

Die aktuellen völkerrechts- und verfassungswidrigen Aktivitäten der USA und der NATO in der Bundesrepublik Deutschland und die Vorbereitung eines Atomkrieges gegen Russland, der vor allem von unserem Land aus geführt würde, werden in dem Aufruf mit keinem Wort erwähnt. Man vermeidet eine klare Positionierung und beschränkt sich auf allgemeine, durch jahrelange Wiederholung abgedroschene Friedensphrasen.

Da braucht sich niemand zu wundern, wenn der Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland der DGB-Einzelgewerkschaft ver.di um die Erhaltung der Arbeitsplätze für einheimische Zivilbeschäftigte bei den US-Streitkräften bettelt – und das nach den Abzugsdrohungen des US-Botschafters Richard Grenell.



Es folgt die diesbezügliche Pressemitteilung vom 13.08.2019 (2):
    ver.di sorgt sich um Zivilbeschäftigte der US-Streitkräfte und bereitet Tarifkampf vor

    Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert die Äußerungen der Botschafterin der Vereinigten Staaten Georgette Mosbacher. Diese twitterte, dass sie es begrüßen würde, wenn die derzeit in Deutschland stationierten US-Streitkräfte nach Polen verlagert werden würden. "Wir werden für den Erhalt der 12.000 zivilen Arbeitsplätzekämpfen. Solche Äußerungen in den sozialen Medien schüren Angst und Schrecken. Die Botschafterin sollte mit den Menschen reden und nicht über sie twittern", sagt Susanne Riedel, zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretärin. Die Unsicherheit ist laut Riedel durch diese Äußerung gestiegen. Diese nicht nur bei den zivilen Beschäftigten, sondern auch bei vielen Angehörigen und auch beim militärischen Personal.

    Zurzeit sind in Deutschland 35.000 amerikanische Soldatinnen und Soldaten stationiert. Diese werden von 12.000 deutschen Zivilbeschäftigten unterstützt. Das Gros der Beschäftigten arbeitet in Rheinland-Pfalz. In den letzten Jahren ist die Zahl der ortsansässigen Beschäftigten von ehemals über 100.000 auf aktuell nur noch 12.000 gesunken. In der Öffentlichkeit blieb dieser Arbeitsplatzabbau, einer der größten in der deutschen Nachkriegsgeschichte, weitgehend unbemerkt. "Dass wir der Existenz der in Deutschland stationierten ausländischen Truppen nicht nur Fluglärm zu verdanken haben, sondern auch zahlreiche Arbeitsplätze und zusätzliche Kaufkraft wird oft verdrängt", sagt Riedel. Sie fordert die betroffenen Kommunen auf, sich politisch für den Verbleib der Amerikaner in Rheinland-Pfalz stark zu machen: "Wir als ver.di werden unseren Teil zum politischen Diskurs beitragen. Wir erwarten aber auch von den gewählten Vertreterinnen und Vertretern unserer Mitglieder sich entsprechend für den Erhalt der Arbeitsplätze einzusetzen."

    Thomas Meschkat, Vorsitzender der Hauptbetriebsvertretung bei der US-Air Force fordert seine Kolleginnen und Kollegen auf, in der kommenden Tarifrunde Flagge zu zeigen und solidarisch für den Erhalt der Arbeitsplätze zu kämpfen: "Nach so einer Meldung müssen alle aktiv werden."

    Derzeit laufen die ersten Vorbereitungen für die im Herbst geplanten Aktionen zur Tarifrunde. Die erste Verhandlungsrunde startet am 01.10.2019 in Bonn.

Die zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretärin sollte einmal in Ruhe darüber nachdenken, was sie und die bei den US-Streitkräften beschäftigten Kollegen aus Sorge um die Arbeitsplätze bei den US-Streitkräften verdrängen:

Die nur noch 12.000 einheimischen Zivilbeschäftigten bei den US-Streitkräften in der gesamten Bundesrepublik tragen mit dazu bei, dass die Anwohner von US-Flugplätzen bis in die Nacht mit Fluglärm zugedröhnt werden, dass unsere Atemluft und unser Grundwasser immer stärker mit hochgiftigen, krebserregenden Schadstoffen verseucht werden und dass die Anzahl der darauf zurückzuführenden Herz-Kreislauf-, Haut-, Atemwegs- und Krebserkrankungen ständig zunimmt.

Die 12.000 einheimischen Zivilbeschäftigten helfen mit, das Kriegsgerät einzulagern, zu warten und bereitzustellen, mit dem in den US-Kriegen seit 1945 schon mindestens 6 Millionen Menschen umgebracht wurden (3).

Die 12.000 einheimischen Zivilbeschäftigten sind mitverantwortlich dafür, dass die Gefährdung der 83 Millionen Einwohner der Bundesrepublik Deutschland, die einen Atomkrieg der USA und der NATO gegen Russland nicht überleben würden, ständig wächst.


Grafik entnommen aus bundestag.de (4)

Wäre es da nicht sinnvoller, wenn sich der DGB und ver.di für die Schließung aller US-Militäranlagen und die Schaffung wirklich ziviler Arbeitsplätze einsetzen würden, damit die jetzt noch bei den US-Streitkräften Beschäftigten ihren Lebensunterhalt mit gutem Gewissen durch friedenserhaltende Arbeit verdienen könnten?


Fußnoten:

1 https://www.dgb.de/themen/++co++bfb67658-b2d6-11e9-944b-52540088cada
2 https://rps.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++e9df57a0-bdae-11e9-9129-525400423e78
3 https://www.journal21.ch/seit-1945-sechs-millionen-tote-in-us-kriegen
4 https://www.bundestag.de/resource/blob/496190/b34ad5b97fa008c61fd38e88946a1521/wd-2-009-17-pdf-data.pdf


Mit Dank übernommen von LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein – dort veröffentlicht am 16.08.2019 (mit zusätzlichen Hinweisen)
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_19/LP09119_160819.pdf


Siehe auch:


Lehren aus der Nato-Aggression gegen Jugoslawien vor 20 Jahren:
Ohne Parteinahme und Solidarität mit den überfallenen Völkern kann die Friedensbewegung keine Kraft entwickeln
Von Bernd Duschner (Verein "Freundschaft mit Valjevo")
NRhZ 716 vom 28.08.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26143

Online-Flyer Nr. 716  vom 28.08.2019



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