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Globales
Eine vergleichende Betrachtung
Whistleblower: Im Kapitalismus verfolgt – in China belohnt
Von Georges Hallermayer

Die Volksrepublik China hat klar Stellung bezogen. Bestechlichkeit und Wirtschaftskriminalität gehen nicht straffrei aus. Steuerhinterziehung, Insidergeschäfte sind kein Kavaliersdelikt wie im Westen und wird wie Geldwäsche selbst im kapitalistischen Ausland verfolgt. Hohe Tiere wie auch kleine Möchtegerne bekommen ihre Strafe oder wie Präsident Xi Jingping sagte „Caging tigers, netting flies“. (Die Tiger einsperren, Fliegen fangen“). Allein seit Anfang des Jahres laufen gegen zwanzig Top-Bankmanager Ermittlungen.

Und die Anti-Korruptions-Inspektoren werden durch Hinweise aus den Betrieben und Behörden unterstützt. Und anders als hierzulande haben Whistleblower nicht den Verlust ihres Arbeitsplatzes zu fürchten und sind vor Management-mobbing geschützt. Darüber hinaus hat die China Security Regulatory Commission CSRC, die Zentrale Aufsichtsbehörde der Wertpapierbranche bereits 2014 ein Belohnungssystem für whistleblower eingeführt. Wie „Caixin Global“ am 3. August berichtete, hat die CSRC jetzt nach fünf Jahren zum ersten Mal drei Whistleblowern eine Belohnung ausgehändigt. Sie beträgt ein Prozent der hinterzogenen Gelder, maximal 300.000 Yuan, umgerechnet etwa 38.300 Euro. Die Behörde gibt die jeweilige Höhe der Belohnung wie auch die Namen der Belohnten nicht bekannt, nur die betreffenden Fälle; In einem Fall handelte es sich um den populären ehemaligen Börsen-Talkshow-Moderator Liao Yingqiang, der seine Position zur Manipulation von Aktienkursen nutzte, während in einem anderen Fall das Bauunternehmen Jiangsu Yabaite Technology Co. Ltd., das 600.000 Yuan (90.400 US-Dollar) hinterzog, indem sein Geschäftsführer in einem Übersee-Vertrag überhöhte Preise fabrizierte.

Aber zuvor musste im eigenen Haus aufgeräumt werden. Was nicht unterschlagen werden soll, ist die Tatsache, dass selbst gegen ehemalige Direktoren der Aufsichtsbehörde Korruptionsermittlungen aufgenommen wurden. CSRC-Chef Liu Shiyu, von Februar 2016 bis Januar 2019 im Amt, hatte sich im Mai dieses Jahres selbst gestellt. Sein Vorgänger Xu Tie, der auch Parteichef in der Provinz Shandong war, wurde einen Monat später aus seinem mehrjährigen Ruhestand heraus verhaftet.

Und wie sieht es bei uns aus?

Nicht jeder Fall ist so prominent und deckt Riesen-Sauereien auf wie seinerzeit watergate in der Nixon-Regierung oder Edgar Snowdons NSA-Skandal. Nicht jeder Fall ist auch so spektakulär wie der von Martin Porwoll, der nachweisen konnte, dass sein Chef, Apotheker in Bottrop, mit verdünnten Krebsmedikamenten Millionen scheffelte. Er konnte viele Menschen vor weiterem Unheil bewahren. Aber selbst bekam er die Kündigung und fand erst nach zwei Jahren wieder Arbeit, wie die Deutsche Apotheker Zeitung vom 18. Oktober 2018 berichtete. Und von der im Vergleich zugesicherten Abfindung hatte er bis dato nichts gesehen und musste klagen, wie die DAZ am 13. April 2019 meldete.

Aber diese prominenten Fälle und der öffentliche Druck haben dazu beigetragen, dass es seit April ein „Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ gibt, nicht ein Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern, wie es in den USA und Großbritannien der Fall ist. Die Whistleblower finden sich nach dem Handelsblatt vom 1. April 2019 in diesem Gesetz unter den Ausnahmen als „Tatbestandsausschlüsse“, was Whistleblower „im öffentlichen Interesse“ dürfen oder auch nicht. Grundsätzlich gilt die „Drei-Stufen-Theorie“: Einen entdeckten Missstand muss man zunächst intern melden und dabei alle Möglichkeiten ausschöpfen. Erst wenn dies erfolglos bliebe, darf man diesen extern publik machen, wobei die Medien in der Regel nur als allerletztes Mittel informiert werden dürften, bevor ein Gericht immer im Einzelfall abwägt und entscheidet. „Ob sich mit der ebenfalls im April vom EU-Parlament verabschiedeten EU-Richtlinie viel ändert, darf bezweifelt werden. Nach dem Grundsatz „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ wurde in Brüssel jahrelang um eine Richtlinie gefeilscht. Der DGB begrüßte zwar generell die Richtlinie als einen Schritt in die richtige Richtung, bemängelte allerdings scharf, dass Verstöße gegen arbeitsrechtliche Schutzvorschriften ausgeklammert blieben (Einblick April 2019). 

Singen und fliegen oder doch schweigen? Diese Gewissensfrage wird bleiben. Bisher gibt es nur wenige empirische Daten dazu, so Prof. Kölbel, der deshalb mit Dr. Nico Herold an der Ludwigs-Maximilians-Universität München zum Thema arbeitet, so die Forschungs-News der Universität vom 21. Januar 2019.

Nach einer 2016 veröffentlichten Studie der internationalen Ethics & Compliance-Initiative (ECI) wird etwa die Hälfte der Whistleblower im Betrieb sanktioniert, sei es von Kollegen gemobbt, in Kompetenzen beschnitten und/oder versetzt oder auch unter konstruierten Gründen gekündigt. „Dass jeder interne Whistleblower zwangsläufig Adressat von Vergeltung wird, kann man anhand der Daten nicht sagen“, zitiert die DAZ vom 4. März 2019 Nico Herold aus seiner Studie. „Aber das Risiko besteht immer, und es steigt mit der Art und dem Ausmaß des Missstandes, speziell wenn es strukturelle oder systemische Verfehlungen sind. Und es steigt, je länger man intern am Ball bleibt: Es entwickelt sich dann eine Dynamik, die aus der Situation entsteht. Die Folge: Der in die Enge getriebene Mitarbeiter wendet sich irgendwann nach außen. „Jeder kann in die Situation kommen, Whistleblower zu werden“ Die Juristen haben in ihrer Studie gezeigt, dass es eine typische Persönlichkeitsstruktur eines „Hinweisgebers“ nicht gibt,

Aufdecken von Missständen oder kriminellen Machenschaften, den Loyalitätskonflikt zu lösen, liegt im Prinzip auch im Interesse des Unternehmens, eines möglichst reibungslosen Profitbetriebs wegen. Nach einer Studie der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bekam etwa ein Fünftel der Unternehmen entscheidende Hinweise, die wirtschaftskriminelle Handlungen zugunsten von Konkurrenten aufdeckten, ein Fünftel sei anonym geschehen. Viele Firmen haben Ombudsstellen, Telefonhotlines und/oder elektronische Briefkästen eingerichtet, die man gegebenenfalls auch anonym nutzen kann.

KPMG Law hat in Deutschland ein Ethikprogramm entwickelt und bietet zusammen mit der EQS-Group Unternehmen eine „integrierte Compliance-Lösung“, wie DGAP am 20. März 2019 meldete. KPMG hat auch eine eigene Hotline geschaltet, wo man sich vertraulich, auch anonym melden kann. Eine juristische Ombudsfrau bemüht sich danach um eine Lösung.

Prof. Kölbel und Dr. Nico Herold untersuchen in ihrem neuen Projekt in Kooperation mit der NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft in Hamburg, wie diese unternehmensinternen Hinweissysteme funktionieren und wie die Firmen mit den Informationen umgehen, so auf der angegebenen web-site der LMU.

Dass dies auch weiterhin ein Tätigkeitsfeld bleibt, beweisen die von der Ethik and Compliance Initiative herausgegebenen jährlichen „Global Business Ethics Survey“. Der letzte im Dezember von ECI veröffentlichte Report „Interpersonal misconduct in the workplace. What it is, how it occurs and what you should do about ist” stellt länderspezifisch das weite Feld von Mobbing, sexueller Belästigung und Diskriminierungen dar.

Online-Flyer Nr. 715  vom 14.08.2019



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