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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Medien
Die "Stimme des Volkes" kämpft ums Überleben
Die französische L’Humanité von Konkurs bedroht
Von Georges Hallermayer

Die französischen Printmedien, Zeitungen und Zeitschriften stehen wie in Deutschland unter wirtschaftlichem Druck. Sinkende Auflagen, Schließung von Redaktionen und Einsatz von wohlfeilen „freien Mitarbeitern“ nach der Entlassung von festangestellten Journalisten etc. Beim bourgeoisen Flaggschiff des Waffenschmieds Serge Dassault sind es in diesem Jahr über vierzig wie beim Nachrichtenmagazin „L’Express“ (vergleichbar dem „Spiegel“), im Eigentum des Medienmoguls Patrick Drahi neben „Liberation“ und dem Kanal „BFM TV“. Die Gruppe Ebra, Eigentümer von „L’Est de la France“ entlässt 386 Mitarbeiter. Die Zeitschriften von Modadori France („Pleine Vie“, „Grazia“, „Top-Sante“, „Science et Vie“, „Auto plus“, „Closer“, «Tele Star“, „Le Chasseur francais ») wurden an die 2012 gegründete Gruppe Reworld Media verkauft, die das Personal um 700 „verschlanken“ will.

Sechs der sieben französischen Meinungsmacher

Etwas voreilig meldete die französische Presse am 28. Januar: „Linke Tageszeitung vor dem Aus“. Die 1904 von Jean Jaures gegründete Tageszeitung „L’Humanité“ musste zahlungsunfähig Insolvenz anmelden. Von 1920 bis 1994 war die Zeitung das Zentralorgan der Französischen Kommunistischen Partei PCF. Sie stand der PCF auch danach nahe und blieb all die Jahre bis heute „Stimme des Volkes“ (ARTE). „L’Humanité“ ist neben der katholischen „Le Croix“ die einzige Zeitung, die nicht vom Finanzkapital unterhalten wird. Wie die Printpresse allgemein litt auch die „Humanité“ unter einem Schwund der Verkaufszahlen: Von 2017 auf 2018 sank die verkaufte Auflage von einst 50.000 um 6 Prozent von 34.800 auf 32.700 Exemplare (Le Figaro am 7. Februar). Allerdings gelang es den Verkauf an den Kiosken und die Abonnentenzahl zu steigern.

Die Tageszeitung erschien weiterhin täglich - seit 7. Februar im Rahmen der gerichtlich angeordneten Konkursverwaltung - unterstützt durch eine „außergewöhnliche Mobilisierung der Leserschaft“, wie Chefredakteur und EU-Abgeordnete Patrick Le Hyaric schrieb. So hat zum Beispiel die Edition Anagraphis eine limitierte Serigraphie von Hervé di Rosa herausgegeben, der Erlös der 250 Euro gehe in den Solidaritätsfonds.

Serigrafie von Hervé di Rosa

Um nur ein weiteres Beispiel anzuführen, fand ein Solidaritätsabend am 15. Mai in Rouen (Normandie) statt, auf dem 5000 neue Abonnenten und 2 Mio. Euro Spenden als Zwischenbilanz der Solidaritätsaktionen verkündet werden konnte.

Sechs Monate „Observation“ sind vom Tribunal du Commerce angesetzt, um das Überleben zu sichern. In einem Brief an die Leser am 14. Juni zeigte sich Patrick Le Hyaric optimistisch, allerdings sei ein langer Atem nötig, um mit den Gläubigern eine Umschuldung zu verhandeln. Vierzig Arbeitsplätze (der insgesamt 164) seien einzusparen, daneben werde betriebswirtschaftlich umstrukturiert: Die Zusammenlegung der drei Redaktionen von Tageszeitung, Humanité Dimanche und der Digitalausgabe sei im Gespräch. (Das ausgedünnte Netz von Auslandskorrespondenten war bereits 2017 endgültig eingestellt. Der von Oscar Niemeyer entworfene unter Denkmalschutz stehende Sitz der Zeitung in St. Denis wurde bereits 2009 an den Staat unter Präsident Sarkozy verkauft.)

Kurzfristig erwarte er auf der „Assemblee generale“ der „Gesellschaft der Leser“ am 22. Juni eine starke Mobilisierung für die „Fete de l’Humanité 2019“ und der Spenden-Kampagne. Damit verknüpft sei, das Engagement für die aktuellen Kämpfe zu verstärken. Millionen Unterschriften für das Referendum gegen die Privatisierung des Pariser Flughafens seien zu sammeln, außerdem die „neoliberalen Gegenreformen zur Rentenversicherung, der Staatsbediensteten zu bekämpfen, für das Klima, Biodiversität und für die nukleare Abrüstung“ aufzustehen.

Online-Flyer Nr. 712  vom 03.07.2019



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