NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

Fenster schließen

Medien
Beschwerden gegen manipulierende Berichterstattung von ARD-aktuell mit ihrer Tagesschau
Gegen die Macht um Acht
Von Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer

Die Berichterstattung von ARD-aktuell versetzt die Zuschauer in Trauer – nicht wegen eines Nashorns, sondern wegen der Schieflage der gesamten Berichterstattung, wegen der Liebedienerei für die Kriegsministerin von der Leyen und wegen der billigen Inszenierung des Außenministerdarstellers Maas bei seinem Israel-Besuch. Darum geht es in dieser Woche bei den Programmbeschwerden, die Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer beim NDR-Rundfunkrat eingereicht haben. "Die ARD-Nachrichten sind der Taktgeber für die meisten Medien der Bundesrepublik Deutschland. Wer sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt, der kritisiert den Kern des deutschen Journalismus. Die Tagesschau-Maschine ist weder verlässlich noch neutral und keinesfalls seriös. Sie ist nur wenig Anderes als eben fünfzehn Minuten Staatsfunk." So heißt es im Vorwort des im Mai 2017 erschienenen Buches "Die Macht um acht - Der Faktor Tagesschau" von Uli Gellermann, Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam. Die eingereichten Programmbeschwerden sind zu den "fünfzehn Minuten Staatsfunk" ein notwendiger Kontrapunkt.

"Nachrichten-Schieflage bei ARD-aktuell-Nashorn" - Programmbeschwerde gegen Tagesschau vom 20.03.2018 - eingereicht am 22.03.2018



Screenshot aus der Tagesschau vom 20.03.2018

Sehr geehrte Rundfunkräte, traurig, traurig, traurig: Am 20. März musste das letzte noch lebende männliche Breitmaul-Nashorn eingeschläfert werden. Wenn es je wieder Breitmaul-Nashorn-Nachwuchs geben soll, geht das nur mit künstlicher Besamung oder vielleicht gar nur per Zeugung im Reagenzglas und mit Hilfe einer Nashorn-Leihmutter zu machen. Die Tagesschau berichtete über die ganze Tragik in deren voller Tragweite. In Wort und Film, mehrmals, in den Sendungen über den Tag hin und in der Hauptausgabe um 20 Uhr.

An diesem 20. März starben auf dem Marktplatz in Kashkul im Jaramana-Viertel der syrischen Hauptstadt Damaskus 36 Menschen im Granatenhagel. Mindestens ebenso viele wurden schwer verletzt. Sie alle wurden Opfer der dschihadistischen Söldnerbande, die sich noch in Ost-Ghouta verschanzt hält und von dort aus regelmäßig Ziele in Damaskus beschießt. Sie führt tönende Namen, wie Jaish al-Islam, Hayat Tahrir al-Sham (früher Jabhat al-Nusra, der syrische Zweig der Al-Kaida), Faylaq al-Rahman und Ahrar al-Sham. Zwischenfälle wie der hier genannte (1) rechtfertigen zwar die Versuche der syrischen Armee, dem mörderischen Treiben ein Ende zu machen. In den Augen der Qualitätsredaktion Dr. Gniffke aber rechtfertigten sie keinen Bericht in der Tagesschau. Dafür war bei ARD-aktuell kein Platz mehr frei. Die 35 Toten waren ja auch bloß Syrer.

Am Tag, an dem der Breitmaul-Nashornbulle das Zeitliche segnete, teilte der russische Verteidigungsminister General Sergej Shoigu mit, in Ost-Ghouta habe die syrische Armee mit russischer Unterstützung drei Versuche der Terroristen verhindert, Giftgas-Anschläge zu verüben und dessen dann die Syrische Armee zu bezichtigen: Verbotener Einsatz chemischer Kampfstoffe! Dergleichen hätte nach Washingtoner Lesart des Völkerrechts dann die bekannten „Luftschläge“ nach US-amerikanischem Rezept begründen und den großen Nahostkrieg der Yankees rechtfertigen können. (2)

Die Russen als Weltfriedens-Garanten? Da seien Dr. Gniffkes Qualitätsjournalisten vor, dass eine solche Sichtweise sich im deutschen TV-Nachrichtenpublikum breit mache. Wozu gibt es Breitmaul-Nashörner, um Dergleichen auszuschließen und zugleich der Dramaturgie einer echten Informationssendung für Liesl und Michl zu folgen: am Schluss immer was Lustiges oder wenigstens was „Besinnliches“?

Dass den Qualitätsjournalisten in HH-Lokstedt nicht nur berufliche Anstand, sondern auch alle Maßstäbe dafür verloren gegangen sind, was in eine seriöse Nachrichtensendung gehört, musste nicht erneut bewiesen werden. Es ist doch längst aktenkundig: Die Redaktion verfehlt den Programmauftrag und verstößt gegen die Programmrichtlinien. Auch hier.

1 Quelle u.a.: https://southfront.org/least-35-people-killed-militant-shelling-market-damascus/
2 Quelle u.a.: https://southfront.org/russian-defense-minister-3-attempts-use-chemical-weapons-syria-prevented-last-week/


"Tendenziöse Nachrichtenauswahl und -gestaltung" - Programmbeschwerde gegen die Berichterstattung von ARD-aktuell vom 19.-25. März 2018 nach Art.17 GG - eingereicht am 26.03.2018
 
Sehr gehrte Rundfunkräte, ob es sich nun um Reklame für den Luxus-Tourismus ausgerechnet nach Saudi-Arabien handelt oder doch nur um eine verkorkste Art von Hofberichterstattung, befinden Sie bitte selbst. Als vertretbarer Nachrichtenbeitrag in einer Sendung der öffentlich-rechtlichen ARD-aktuell war das jedenfalls nicht zu bezeichnen. „Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie“. Wer so vornehm über eine der widerwärtigsten Despotien unserer Zeit daherredet und -schreibt, macht sich auch den Hosenstall mit Messer und Gabel auf und zu. Vom Informationsauftrag, den Zuschauer zu einem sachgerechten Urteil zu befähigen, ist er dabei aber Lichtjahre entfernt. „In Saudi-Arabien gilt die Scharia in der mittelalterlichen Form. Riad stützt und finanziert die Verbreitung des islamistischen Neofundamentalismus. Das Land verletzt ununterbrochen die Menschenrechte und es werden regelmäßig Strafen wie Amputation, Auspeitschung, Steinigung und die Todesstrafe vollzogen, letztere auch für Homosexualität.“ (1) Solch präzise Beschreibung vermeidet ARD-aktuell natürlich. Dr. Gniffkes Qualitätsjournalisten sind offenkundig strikt bemüht, die „stabile Partnerschaft“ vulgo: Kumpanei der Bundesregierung mit der widerwärtigen Blutsäuferbande in Riad nicht mehr zu stören als unvermeidlich.

Noch zum Thema Hofberichterstattung: Schöne, umfangreiche Liebedienerei mit ausgiebiger Darstellung einer Dienstreise der Kriegsministerin von der Leyen zu unseren Demokratieverteidigern am Hindukusch. Informationswert gleich null. Die PR-Abteilung der Bundeswehr hätte das nicht perfekter liefern können.


Screenshot aus der Tagesschau vom 25.03.2018

Auch die kriminelle Komplizenschaft der Berliner Regierung mit der Türkei (= Waffen, Schmiergeld in Milliardenhöhe und diplomatische Verschleierungstänze) soll offenkundig dem kritischen Blick des TV-Publikums entzogen bleiben. Sultan Erdogan verkündet, im Zuge seiner „Operation Olivenzweig“ seine Invasion in Syrien bis nach Tall Raafin fortzusetzen. Diese syrische Stadt liegt nur 30 km westlich von Aleppo und weit jenseits der Grenze des Gouvernements Afrin, aus dem Erdogan Kurden und Jeziden von seinen plündernden Marodeuren verjagen ließ, um Raum für Dschihadisten aus aller Herren Länder zu schaffen, die er dort unter sein Kommando stellen will. Völkerrechtsverbrechen, Kriegsverbrechen, weil Syrien aufgeteilt werden soll.  Acht der zwölf syrischen Öl- und Gasfelder sind von US-Truppen besetzt bzw. unter US-Kontrolle, der größte Teil der syrischen Pipeline-Struktur ebenfalls; die Wächter über Demokratie und Menschenrechte, unser allerwichtigster „Freund und Partner“, die „Schutzmacht“ des Westens, raubt und plündert Syrien aus, was das Zeug hält: Nichts von all dem in den Angeboten der ARD-aktuell. (2)

ARD-aktuell „liefert“ auch nicht mehr aus Ost-Ghouta. Dass Russen und Syrer den dortigen Besatzern, einer Bande internationaler Söldner und terroristischer Kopfabschneider, den friedlichen Abzug nach Idlib erlaubten und per Bus tausende dieser Mörder unter sicherem Geleit abtransportierten, dass die Bevölkerung der Syrischen Armee als Befreier zujubelt: Darüber kommt fast nichts, die Weißhelme und andere Komplizen der Mörderbande stehen als Zuträger nicht mehr zur Verfügung. Zu blöd, dass man nichts mehr hat, über den Fassbomben werfenden Schlächter Assad zu hetzen, der „sein eigenes Volk bombardiert“. Soviel, wie man speien möchte über die ARD-Desinformation, kann man aber auch mit größter Anstrengung nicht fressen.

Am 24. März 1999 begann die Bundesrepublik im Verein mit dem Kriegsverbrecher-Klub NATO ihren Krieg gegen Jugoslawien. Der Gedenktag an diesen ersten, unbezweifelbar völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg wurde hierzulande nirgends begangen, auch nicht in den Medien. Monatelang bombte die NATO damals. Abertausende Zivilisten starben, vor allem zahlreiche Kinder; die dreijährige Milica Rakic beispielsweise, sie wurde in Belgrad von einem Granatsplitter zerfetzt. Die deutschen Kriegsverbrecher, Schröder, Scharping, Fischer &Co laufen bis heute frei und unbehelligt herum. Dass gegen sie Unterschriften für eine Petition gesammelt werden und jetzt eine Strafzeige gegen sie eingereicht wurde, wäre ein Anlass für einen sauberen Bericht über den Jahrestag in ARD-aktuell gewesen, wenn schon das Gedenken selbst allein von den Serben gepflegt werden musste. Die ARD-aktuell strahlt eben lieber deutsche Rechtschaffenheit in die hiesigen Wohnzimmer. Und übt verständnisinniges Schweigen über die Verbrecher und ihre Lügen (Scharping, Fischer: „Hufeisenplan“, "neues Auschwitz verhindern" etc.).

Darfs noch ein wenig europäisch sein? Darauf legen doch die Berliner Polit-Vorleute der ARD-aktuell stets Wert? Kommissionspräsident Juncker hat mit seinem Rücktritt gedroht, falls der deutsche Strippenzieher Martin Selmayr nicht zum Generalsekretär der EU-Kommission befördert werde. Eine Polit-Kabale ersten Ranges läuft zwischen Berlin und Brüssel, aber ARD-aktuell legt den schützenden Mantel verständnisinnigen Schweigens drüber. (4)

Strich unter alles: ARD-aktuell braucht den Sendeplatz für Reisereportagen aus der Entourage der Kriegministerin von der Leyen und für mediale Ablenkungsmanöver statt informativer Berichte über Syrien, da ist kein Platz für „umfassende und vollständige Information über das Weltgeschehen“, schon gar nicht über die ökonomischen Hintergründe der Kriege und Verbrechen, die auch im Namen Deutschlands begangen wurden und werden.

Vermutlich ist auch wenig Zeit in Ihrem Gremium, dem Rundfunkrat, sich kritisch mit der Realität der ARD-aktuell-AgitProp auseinanderzusetzen.

1 https://de.wikipedia.org/wiki/Saudi-Arabien
2 Quellen u.a.: https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/03/26/energie-krieg-aufteilung-von-syrien-nimmt-gestalt/
https://www.heise.de/tp/features/Tuerkei-vertreibt-die-letzten-Eziden-aus-Syrien-4003468.html
https://de.sputniknews.com/panorama/20180325320057464-olivenzweig-erdogan-ziel/
3 Quelle: https://de.sputniknews.com/panorama/20180324320046579-serbien-nato-luftangriffe-jugoslawien-jahrestag/
4 Quelle: https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/03/25/juncker-droht-we gen-personal-affaere-mit-ruecktritt/


"Maas-Besuch in Israel - Gniffke-Hofbericht" - Programmbeschwerde gegen Berichterstattung in der Tagesschau und in tagesschau.de vom 26.03.2018  - eingereicht am 28.03.2018


Screenshot aus der Tagesschau vom 26.03.2018


Screenshot aus der tagesschau.de vom 26.03.2018

Sehr geehrte Rundfunkräte, wie immer kam ARD-aktuell in beiden Beiträgen über ihre selbst gewählte Rolle als ausgelagerte Dienststelle des Bundespresseamtes und konformistische Nachbeterin regierungsamtlicher Verlautbarungen nicht hinaus und blieb bei ihrem Standard: Mikrofon einschalten, journalistische Professionalität abschalten.

Der Tenor der Beiträge: "Bei seinem Antrittsbesuch in Israel geht es Außenminister Maas vor allem um die Verbesserung des deutsch-israelischen Verhältnisses. Das kommt bei den Gastgebern gut an - trotz leiser Kritik an der israelischen Politik."

Kein Hinweis darauf, dass dem Betrachter eine billige Inszenierung und misslungene Selbstdarstellung des Außenministerdarstellers Maas geboten wurde. Wie immer spulte die Gniffke-Qualitätstruppe eine kritik- und distanzlose Nummer im Sinne der Merkel-Regierung ab.

Es liegt auch hier ein Verstoß gegen die Programmrichtlinien des Rundfunkstaatsvertrages vor. Darin wird "umfassende und objektive Informationen" verlangt, die den "Rundfunkteilnehmer in die Lage versetzen soll, sich eine eigene Meinung zu bilden".

NDR-Info hat vorgeführt, wie eine gut gemachte Nachricht über den Maas-Besuch aussieht. In einem Beitrag vom 25.3.2018 wusste "NDR-info" unter der Ägide des Direktors Joachim Knuth den Zuhörern Wichtiges und Richtiges mitzuteilen:

"Vermittlung von Maas" Haltung wirkte inszeniert

Wenn er zum Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus aufrief, nahm man ihm das ab. Allerdings bekam man als Beobachter auch den Eindruck, dass der neue Außenminister die Vermittlung seiner Haltung zu Israel regelrecht inszenierte.

Zahlreich angereiste Vertreter verschiedener Medien des Springer-Verlages bekamen exklusiveren Zugang als andere Journalisten - und Maas lud auch die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, dazu ein, ihn in die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem zu begleiten. Die 85-Jährige flog am nächsten Tag zurück. Maas ist sich der deutschen Verantwortung bewusst und ein Freund Israels. Diese Botschaft sollte offenbar bleiben vom Antrittsbesuch. Aber wäre eine solche Inszenierung dafür wirklich nötig gewesen?

Unsicherer Umgang mit der Tagespolitik

So sicher Maas im Umgang mit der deutschen Verantwortung wirkte, so unsicher war er im Umgang mit der Tagespolitik in der Region. Auch für einen Antrittsbesuch wirkte der Minister schlecht vorbereitet. Er sprach von Israelis, wenn er Palästinenser meinte, ging mit der Verwendung des Begriffs Zwei-Staaten-Lösung sehr sparsam um - und er blieb vage und äußerst zurückhaltend, wenn es um die tiefen politischen Differenzen ging, die es derzeit zwischen Berlin und Jerusalem gibt.

Außenminister konterkariert die Linie der Regierung

Man sei sich einig uneinig zu sein - so beschrieb Angela Merkel vor Jahren den Streit um den israelischen Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten. Maas formulierte nun noch zurückhaltender und sprach mehrfach - auch am Randes des Treffens mit Israels Premier Netanjahu - von unterschiedlichen Auffassungen.

Mit derart entschärfter Rhetorik konterkariert der Außenminister die politische Linie der Bundesregierung. Die israelische Besatzung palästinensischer Gebiete und der fortwährende Siedlungsbau sind völkerrechtswidrig. Wenn man hier nur lahm von unterschiedlichen Auffassungen spricht, ist das selbst für einen Chefdiplomaten unzulässig verharmlosend".

Der Vergleich mit diesem Text von "NDR-Info", zeigt die peinlich regierungsfromme Nachrichtengestaltung der Gniffke-Truppe, was den Unterschied zwischen ordentlichem "NDR-Info" Nachrichtenjournalisten und den Schmocks von ARD-aktuell ausmacht.

Die in Tagesschau und Tagesthemen vollkommen unberücksichtigt gebliebene „Nachricht in der Nachricht“ war insbesondere, dass Maas sich mit seinen devoten Erklärungen in Jerusalem in deutlichen Widerspruch zum erst wenige Wochen alten Koalitionsvertrag gesetzt hat. Dort heißt es: "Deutschland wird sich weiter für eine Lösung des Nahostkonflikts auf Basis einer Zweistaaten-Lösung einsetzen. Der Status von Jerusalem wird genauso wie andere beschließende Statusthemen erst im Zuge von Verhandlungen geklärt werden, um dauerhaft akzeptiert und haltbar zu sein. Die aktuelle Siedlungspolitik Israels widerspricht geltendem Völkerrecht und findet nicht unsere Unterstützung, weil sie eine Zweistaaten-Lösung erschwert.“

Das anzusprechen wäre Journalismus gewesen. Geboten wurde stattdessen liebedienerische Hofberichterstattung, dem Politikstil des Außenministers absolut angemessen.

Online-Flyer Nr. 653  vom 04.04.2018



Startseite           nach oben