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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Krieg und Frieden
Neue Mandate für Auslandseinsätze der Bundeswehr
Am "grünen Tisch" ausgehandelt
Von Jürgen Heiducoff

Das Bundeskabinett hat die neuen Mandate für die künftigen Auslandseinsätze der Bundeswehr beschlossen. Daran haben federführend das Bundesministerium der Verteidigung und das Auswärtige Amt gearbeitet. Auf Grund der verzögerten Regierungsbildung sind offensichtlich dabei die Vertretungen der Soldaten, der Deutsche Bundeswehrverband und auch der Arbeitskreis Darmstädter Signal zu wenig in den Prozess der Entscheidungsfindung einbezogen worden. Welche einsatzerfahrenen Kommandeure waren bei der Erarbeitung der Mandatstexte beteiligt?

Die Internetseite des Deutschen Bundeswehrverbandes schreibt: „Ein Forum kritischer Soldaten in der Bundeswehr wies dagegen mit Blick auf die Ausweitung des Einsatzes im Irak auf den schlechten Zustand der Truppe hin. Der Sprecher des Arbeitskreises Darmstädter Signal, Florian Kling, sagte im SWR auf die Frage, ob die Bundeswehr einen solchen Einsatz bewerkstelligen könne: Nein, sie kann das nicht schaffen. Wir haben ja noch nicht mal die Flugzeuge, um unsere Soldaten überhaupt in diesen Auslandseinsatz zu fliegen. Die Situation bei Personal und Material ist so angespannt, dass die Bundeswehr eigentlich kurz vor dem Zusammenbrechen ist.“ (1)

Auf der Internetseite der Bundeswehr ist unter dem Stichwort FRIEDENSSICHERUNG u.a. zu lesen: „Der bisherige Einsatz der Bundeswehr im Nord-Irak soll auslaufen. Das Counter-Daesh-Mandat wird verlängert und um ein ausbalanciertes Engagement zum Kapazitätsaufbau für den gesamten Irak weiter entwickelt. Darüber hinaus wird die Mandatsobergrenze von Resolute Support in Afghanistan aufgestockt.“ (2)

Ich halte es für völlig überzogen, die Ausbildungs- und Beratungstätigkeit der Bundeswehr auf den gesamten Irak auszuweiten und in Afghanistan personell aufzustocken. In Afghanistan ist es in den letzten sechzehn Jahren nicht gelungen, die Afghan National Army (ANA) im Zusammenwirken mit der Polizei in die Lage zu versetzen, für nachhaltige Sicherheit zu sorgen. Und im Irak verbirgt sich hinter der Formulierung eines „ausbalancierten Engagements zum Kapazitätsaufbau“ eine Mammutaufgabe, deren Dimension unabschätzbar und unübersehbar ist.

Es besteht die Gefahr, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und die Erfahrungen aus Afghanistan zu vernachlässigen. Ausbildung, Beratung sowie Waffen- und Munitionslieferungen an immer nur eine Seite in einem bewaffneten Konflikt kann nicht zu seiner Beilegung und nicht zur FRIEDENSSICHERUNG beitragen, sondern allenfalls zu seiner Anheizung der Auseinandersetzungen. Noch müssen die Mandate durch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages genehmigt werden.

Und dabei kommt es besonders darauf an, dass die gewählten Volksvertreter dem Willen des Volkes und dem eigenen Gewissen folgen. Werden, wie befürchtet, die Mandate kritiklos durch das Parlament gewunken, dann halte ich von der Verantwortung der zustimmenden Abgeordneten nichts. Denn jeder einzelne von ihnen trägt mit seiner Entscheidung und Stimme Verantwortung für Leib und Leben unserer Soldaten und für das Schicksal der Zivilbevölkerung in den Konfliktgebieten. Die Entsendung von Militär in ein Kriegsgebiet wie Syrien zur Kampfunterstützung (Luftaufklärung und Luftbetankung) und die Ausbildung und Beratung einer der Konfliktparteien im Irak trägt nicht zur Deeskalation bei. Dies trägt allenfalls zur Vertiefung des Leides der Zivilbevölkerung, zum Anstieg der Flüchtlingsbewegungen und nicht zuletzt zum Anstieg der Kosten für uns Steuerzahler bei.

Noch habe ich die Hoffnung nicht verloren, dass die Mehrheit der Volksvertreter der Aufschrift über dem Portal des Parlamentsgebäudes folgt: DEM  DEUTSCHEN  VOLKE. Anderenfalls ist diese Demokratie nicht viel wert.


Fussnoten:

1) https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/politik-verband/beitrag/news/kabinett-beschliesst-verlaengerung-von-sechs-bundeswehreinsaetzen/
2) www.bundeswehr.de


Der Diplom-Militärwissenschaftler Jürgen Heiducoff war 40 Jahre im Militärdienst im In- und Ausland - als Offizier der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) und der Bundeswehr, Rüstungskontrollstabsoffizier beim Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw). 1995/96 fungierte er als Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Tschetschenienkrieg. 2004/05 folgte ein Einsatz im Stab der "Kabul Multinational Brigade" der ISAF (international security assistance force). 2006 bis 2008 war er militärpolitischer Berater an der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Afghanistan, dann bis 2011 Leiter des Dezernats Nukleare Rüstungskontrolle im Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr ZVBw. Während seines dreijährigen Dienstes als Offizier der Bundeswehr in Afghanistan wurde er Zeuge unverhältnismäßiger militärischer Gewalt gegenüber Zivilisten.

Online-Flyer Nr. 651  vom 21.03.2018



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