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Aktueller Online-Flyer vom 16. April 2024  

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Inland
Zur Verleihung des Kölner Karlspreises für Engagierte Literatur und Publizistik an Ken Jebsen: Ein Blick auf Facebook wenige Tage nach dem Start der Berliner Zensurkampagne
Der Verfassungsfeind in Berlin
Von Andrea Drescher

„Mitmachen und einmischen! Für Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Gegen Waffenexporte und Kriegseinsätze der Bundeswehr. Für mehr Demokratie und eine gerechte Verteilung des Reichtums.“ Damit wirbt Die Linke auf ihrer Webseite um neue Mitglieder. Exekutiert in Berlin aber Verleumdung und Zensur. Ken Jebsen ist ein Mensch, der sich einmischt und macht – nicht nur mitmacht. Der sich für Solidarität und soziale Gerechtigkeit, gegen Waffenexporte und Kriegseinsätze der Bundeswehr sowie für mehr Demokratie und eine gerechte Verteilung des Reichtums einsetzt. Nur ist er leider kein Parteimitglied. Im Gegenteil – er ist von keiner der derzeitigen Parteien überzeugt und äußert sich dementsprechend kritisch. Das hatte jetzt Folgen.

Die Verleihung eines Preises für „engagierte Literatur und Publizistik“ an Ken Jebsen in Berlin stieß beim Kultursenator Dr. Klaus Lederer auf derartiges Missfallen, dass er sich öffentlich dafür aussprach, die Preisverleihung im Kino Babylon zu unterbinden. Laut Lederer seien „Der Preisträger und mehrere an dieser Veranstaltung Beteiligte in der Vergangenheit durch offenen, abgründigen Israelhass, die Verbreitung typisch antisemitischer Denkmuster und kruder Verschwörungstheorien in Erscheinung getreten.“

Man mag über Ken Jebsen denken, was man will. Man muss ihn nicht mögen. Er hat eine eigene Art des Auftritts, die vielen nicht gefällt. Das ist völlig legitim. Aber die Tatsache, dass er dem Staat Israel kritisch gegenübersteht, macht ihn noch nicht zu einem Antisemiten.

Wie verlogen die Vorwürfe Lederers und seiner Gefolgschaft sind, erkennt man nicht nur daran, dass der Besitzer des Babylon selbst jüdische Wurzeln hat und für die Laudatio Evelyn Hecht-Galinski, die Tochter des früheren Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden Deutschlands Heinz Galinski, vorgesehen ist. Verschiedene Gesprächspartner mit jüdischen Wurzeln wie Moshe Zuckermann, Soziologe und Professor für Geschichte und Philosophie an der Universität Tel Aviv, oder Sally Perel, der Hitlerjunge Salomon, die Jebsen auf KenFM interviewt hat, machen deutlich, dass er eines mitnichten ist: ein Antisemit.

Der offen pro-israelisch auftretende Kultursenator sieht das allerdings anders, so dass sein „Poltern“ wie man in der TAZ lesen durfte, dazu führte, dass die Preisverleihung im Babylon abgesagt wurde. Haben für den Kultursenator Meinungs- und Versammlungsfreiheit keinen Wert? Ist Zensur aus Sicht linker Kulturpolitik ein probates Mittel im Umgang mit Andersdenkenden?

Was hoffen lässt, sind die Reaktionen in den sozialen Medien – speziell in Facebook – nachdem der Sachverhalt innerhalb der immer noch gut vernetzten Friedensbewegung am 14. November bekannt wurde. Nicht nur alternative Medienmacher und parteilose Friedensaktivisten standen Kopf, selbst Mitglieder der Linken und Duz-Freunde äußerten sich kritisch auf der Facebook-Pinnwand des Kultursenators, der sich der massiven Kritik offensichtlich nur noch durch Verbergen – also Zensur – zu erwehren weiß.

Aber selbst das, was das Löschen überstand beziehungsweise auf anderen Facebook-Seiten zu finden ist, spricht Bände. So leicht wollen die Menschen auf das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit nicht verzichten. Hier nur ein kleiner Ausschnitt des Protests, der im Gang ist und – wenn wir nicht aufgeben – vielleicht zu einer ehrlichen, öffentlichen Diskussion zum Thema Meinungsfreiheit führen kann.

Was kann man bei alternativen Medienmachern und Kulturschaffenden lesen? Klaren Widerspruch!

"Was genau fordert ihr denn jetzt? Deutschlandweites, flächendeckendes Auftrittsverbot für Ken Jebsen? Das ist eine Haltung, die wir früher immer nur gegenüber Nazis hatten. Gibt es jemanden der ernsthaft behauptet, Ken wäre ein Nazi? Wo endet denn jetzt neuerdings unsere Bereitschaft, Versammlungs- und Redefreiheit zu garantieren? Schon, wenn jemand eine andere Haltung zu einer außenpolitischen Frage oder einem historischen Sachverhalt hat? Wenn er zu schnell redet? Wenn mir sein "Duktus" nicht passt?" (Florian Ernst Kirner)

"Unglaublich. Laut Ankündigung sollte Jebsen „für seinen aufklärerischen, unabhängigen, facettenreichen, urdemokratischen Journalismus“ ausgezeichnet werden. Und was sagen Sie? Wer hat denn nun Recht? Geht es hier um gut und böse oder einfach nur um eine von Ihnen nicht einzuordnende Art von Journalismus, den Sie ablehnen und diffamieren, weil sie ihn einfach noch nicht kennen, weil er vielleicht nicht SYSTEMkonform ist, weil sie es gewohnt sind, immer wieder dasselbe zu hören?" (Paula P'Cay)

"Lederer trifft mit seinem Lügenkonstrukt nicht nur Ken Jebsen. Er schlägt damit auch eine ganze Bewegung mitten ins Gesicht und sorgt dafür, dass sich immer mehr Menschen gegen linke Politik und gegen die Kaste der Politiker ganz allgemein aussprechen. Mich jedenfalls hat die Info über das, was Klaus Lederer mit seiner Diffamierung gegen Ken Jebsen tat, tief getroffen. Denn ich bin ein Teil dieser Bewegung, wie sehr viele auch. Es ist ein undemokratischer Akt, der nur der Selbstbeweihräucherung dient. Mit Konsens, Diskussion oder einem Diskurs hat das alles gar nichts zu tun. Ich fragte mich gestern, als ich davon erfuhr: Haben die Demokraten Angst vor der Demokratie? Wenn dem so ist, dann sind das keine Demokraten mehr." (Rüdiger Lenz)

"Als "Kulturverhinderer" ist Berlins Kultursenator Lederer (Linke) in Sachen Volksbühne ja schon sehr unangenehm aufgefallen, jetzt macht er sich auch an der Presse zu schaffen und hat den Saal für eine Preisverleihung an Ken Jebsen kündigen lassen. Geht’s noch?" (Mathias Broeckers)

"Jetzt geht’s ums Prinzip! >>> Sämtliche Hemmungen fallen. Wer die Kriege der USA und die Beteiligung Deutschlands daran kritisiert, wird niedergemacht. Jedes Mittel ist recht! Der LINKE Kultur-Senator Lederer schert sich einen Dreck um die Meinungsfreiheit---- wenn’s nicht die seine ist. Manche Menschen sind regelrecht Vogelfrei, Ken Jebsen gehört dazu. Vielleicht gibt’s in der Landesverfassung von Berlin, auf die dieser Mensch einen Amtseid geleistet hat, gar keinen Artikel zur Meinungsfreiheit." (Eva S.)

Was sagen parteilose Friedensaktivisten, Menschen wie Du und ich?

"Sehr geehrter Herr Lederer, Welchen Ressentiments haben wir Ihren Schachzug zu verdanken? Haben Sie jemals ein Wort mit Ken Jebsen gewechselt um seine Gesinnung auf den Prüfstand zu stellen? Oder verfügen Sie Ihr Wissen über ihn nur durch "Hören,Sagen"? Ich finde es einfach falsch, dass man nicht mit Leuten spricht, die womöglich eine andere Meinung vertreten als Sie. Eigentlich sollten Sie anhand der Deutschen Geschichte wissen, wo so etwas hinführt. "Eine Demokratie muss das aushalten". Wenn Sie ein wahrhafter Demokrat sind, dann müssen Sie es aushalten, auch mal Positionen zu hören, die Ihnen nicht gefallen. Die Konsequenz ist, dass dann daraus ein Diskurs entsteht. Dann kann man arbeiten und erörtern, wie man die Probleme lösen kann." (Haru W.)

"Das ist kein Problem zw. K. Jebsen und K. Lederer, sondern der Mechanismus des tiefen Staates gegen das WIDERSTANDSFÄHIGE Volk!" (Martin G.)

"Art 5. (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Art 8. (1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Sind sie ein Verfassungsfeind Herr Lederer?" (Stefan S.)

"Wie ich aus der taz entnehmen konnte, waren Sie maßgeblich daran beteiligt – Herr Klaus Lederer ich kann Ihnen jetzt schon garantieren das wird Ihr Genickbruch sein, Ihr politischer. Wir werden dafür Sorge tragen, dass Sie eines Tages Ihre eigene Kost zu schmecken bekommen – die Linke disqualifiziert sich immer mehr. Und ich habe für Sie und Ihresgleichen nur noch Verachtung übrig." (Marigny de G.)

"Glückwunsch, eine gelungene Hetze ohne irgendeine sachliche Argumentation – wie einst im Politbüro." (Carmen B.)

"Herr Lederer, mit welcher FakeNews-Agentur symphatisieren Sie denn so? Glauben Sie durch Diffamierung Andersdenkender fördern Sie eine demokratische Diskussion, die heute wohl dringender denn je ist." (Ulrich S.)

"Neiiiiiin, natürlich findet hierzulande keine Zensur statt und Hetze kann natürlich niiiieeeeeemals von links kommen. Oder verwechsle ich da was? Wie immer geht es mir nicht um die Person an sich – sondern um den Vorgang als solchen. Bin mal gespannt, wann Systemkritiker nach Sibirien – ach nee, haben wir ja nicht, also nach Helgoland verbannt werden." (Jenny F.)

Wähler, Anhänger und Mitglieder der Linken – selbst hier deutlicher Widerspruch

"Sehr geehrter Herr Lederer, sie sind ein Paradebeispiel dafür wie linke Politik NICHT funktioniert. Ich habe gestern versucht Ihnen nahe zu bringen, dass sie mit ihrer Verallgemeinerung der Friedensbewegung möglicherweise falsch liegen. Des Weiteren habe ich mich öffentlich als Wähler Ihrer Partei kenntlich gezeigt. Die Kritik Ihnen gegenüber, welche ich auf Ihrer Facebookseite hinterließ, wurde kommentarlos gelöscht. Nennen sie das eine gesunde Demokratie im Sinne politisch links orientierter Politik? … Ich ziehe mich nun aus ihrer Schlammschlacht zurück und wünsche Ihnen von ganzem Herzen alles gute für ihre Zukunft." (Reiner K.)

"Wat soll man denn noch wählen? Wegen so Typen wie dem Lederer vergeht einem gar die Lust auf die LINKE. Mir egal ob Jebsen nen Preis bekommt – die Art wie sich grad der Herr Lederer da einmischte und diese miese polemische Querfront-Posse einmal mehr aufwärmt – diese meines Erachtens dümmlich-polemische Hexenjagd ist dennoch unter aller Kanone. Aber so funktioniert das mit der so genannten Meinungsfreiheit in good old Europe – da wirste nicht abgeholt wenn du die "falsche Meinung" hast, sondern eben medial/politisch in die Lach- und Doof-Ecke gedrängt." (Evan D.)

"Herr Lederer, Politiker wie sie machen mir wirklich Angst. Die Linke war bisher die einzige etablierte wählbare Partei für mich. Ich kann wirklich nichts mehr wählen. Was sie als antisemitisch bzw. rechts bezeichnen, ist unglaublich. Hier werden linke zu rechten. Informieren sie sich doch bitte als Kultursenator." (Ilona A.)

"Es ist ein Skandal, dass hier offen politischer Einfluss auf einen Betreiber eines Kinos getroffen wird, um ihn zu bewegen, eine Veranstaltung mit Ken Jebsen zu verhindern. Im April 2017 war ich mit Ken Jebsen in Russland und konnte sehen, wie engagiert sich dieser Mann für Frieden und Freundschaft einsetzt. Besonders der Vorwurf des Antisemitismus, muss ich scharf zurückweisen. Ich habe persönlich erlebt, wie wichtig es Ken in Russland war, Kontakt zur jüdischen Gemeinde zu suchen und mit Vertretern des Judentums zu sprechen. Ich würde sagen, nach diesem Besuch sind dort gute Freundschaften entstanden. Heute habe ich alle Termine für den 14.12 abgesagt und werde die Einladung nach Berlin wahrnehmen, um so für freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit und engagierte Menschen ein Zeichen zu setzen." (Andreas Maurer)

"Ich will meine Wahlstimme zurück, die ich 2016 an die DIE LINKE gab. Das ist ungeheuerlich, wie mit dem Begriff "Meinungsvielfalt" umgegangen wird. Ein Parteimitglied, in seiner Funktion als Kultursenator, temporär "eingesetzt", der über " Kunstgeschmack" da streitet, wo es nichts zu streiten gibt, und an anderer Stelle Druck ausübt, Gelder streichen zu wollen, den habe ich nicht gewählt." (Olivia P. M.)

"Das Kino Babylon liegt am traditionsreichen Platz, der den Namen Rosa Luxemburgs trägt. Ihr Gedanke von der Freiheit der Andersdenkenden ist dem Kino in seiner cineastischen Tradition und politischen Arbeit nah; der Kulturort Babylon ist genau der richtige Raum, um Ken Jebsen und die Arbeit von KenFM zu würdigen. Der Druck aus der Berliner Kulturbehörde ist das Gegenteil von der Freiheit der Andersdenkenden, er zeugt vielmehr von Zensur. In unserer Gesellschaft sind Freiheit der Kultur und Meinungsäußerung in höchstem Maß gefährdet. Auch in der linken Geschichte hat Zensur eine leidvolle und zerstörerische Schneise geschlagen. Manche meinen: So ist eben DIE LINKE. Wir sagen: Das Vorgehen des Kultursenators ist weder links noch emanzipatorisch. DIE LINKE orientiert sich in ihrem Programm und ihrer Praxis so gut sie kann am freiheitlichen und kritischen Geist Rosa Luxemburgs. Der wird heute nicht zuletzt angegriffen von denjenigen, die allzu leichtfertig, dafür umso verbissener und leider auch raumgreifender kritische Geister als Verschwörungstheoretiker, Antiamerikaner, Antisemiten, Querfrontler diffamieren. Zu einem ihrer Lieblingsobjekte ist Ken Jebsen geworden. Allein: Er ist zwar umstritten und ob seine Art und Weise oder seine Argumente im Einzelnen gefallen oder nicht, sei dahingestellt, er ist weder rechts noch antisemitisch, er stellt sich kontroversen Debatten, er hilft Griechenland, unterstützt Flüchtlinge, er ist Teil einer breiten Friedensbewegung. Wir möchten mit Euch gegen diese Zensur protestieren und wir wünschen uns mehr gemeinsame und konzentrierte Aktionen gegen den zerstörerischen Ungeist von Stigmatisierungen und Zensur. Auch in den eigenen Reihen." (Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Christiane Reymann)

Wer schweigt, stimmt zu. Wir dürfen nicht schweigen!

Wer seinem Protest über das Netz hinaus – freundlich – Luft machen möchte: Bei der Senatsverwaltung für Kultur kann man sein Missfallen telefonisch (030/90228-701/-702), elektronisch (post@kultur.berlin.de) als auch per persönlicher E-Mail (klaus.lederer@kultur.berlin.de) äußern.


Redaktionelle Anmerkung: Sämtliche Zitate sind Facebook entnommen und liegen als Sicherungskopie der Autorin vor.

Andrea Drescher, Jahrgang 1961, lebt seit Jahren in Oberösterreich. Sie ist Unternehmensberaterin, Informatikerin, Selbstversorgerin, Friedensaktivistin, Schreiberling und Übersetzerin für alternative Medienprojekte sowie seit ihrer Jugend überzeugte Antifaschistin.

Mit Dank übernommen von Rubikon - dort veröffentlicht am 24.11.2017


Online-Flyer Nr. 639  vom 29.11.2017



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