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Kommentar
Schon wieder die aus der Waschmaschine
Macht. Mächtig. Merkel.
Von Ulrich Gellermann

FORBES: Wer den Namen des bekannten Magazins englisch ausspricht, ist ziemlich nahe an einem unanständigen Geräusch. Und wirklich sind die Marketing-Blähungen des Blattes nicht weit von der gewöhnlichen Flatulenz entfernt. Man wartet geradezu darauf, dass eines hässlichen Tages auch mal der größte, der stärkste oder der übelst riechende Furz von FORBES gekürt wird. Denn auf Superlative ist das Magazin spezialisiert: Die Reichsten, die Erfolgreichsten, die Mächtigsten der Welt zieren dort regelmäßig den Titel. Tatsächlich hat die US-Zeitung FORBES Bundeskanzlerin Angela Merkel jüngst zum siebten Mal in Folge zur mächtigsten Frau des Jahres gekürt. Hallelujah!

Warum sind Sie nur nicht auf diese Geschäfts-Idee gekommen? Sie fragen Ihren Schwager, Ihren Hund und den Postboten, wen die in diesem Jahr wohl für den schönsten, reichsten oder klügsten Menschen der Welt halten. Die werden Ihnen irgendjemanden nennen, den bereits alle Welt kennt, dessen Name ziert dann Ihr Blättchen und jedermann wird danach greifen: Denn auch jede Frau hat dazu eine Meinung und will nun prüfen, auf welchem Platz Ihr Liebling ist, so geht moderner Journalismus, so geht Umsatz, genau so funktioniert Forbsen.

Die Rede geht, dass Steve Forbes, der aktuelle Chefredakteur und Erbe von Malcolm Forbes, gar keinen Hund hat. Er habe einen Würfelbecher und würde damit den jeweils Dicksten, Längsten oder Beschnittensten ausknobeln, sagt man. Aber wem bekannt ist, dass Steve Forbes schon mal für die Republikaner zur Wahl des US-Präsidenten kandidierte, der weiß auch, woher die Blähung weht: Steve war in seinem Wahlkampf für den freien Besitz von Waffen, für die Senkungen der Staatsausgaben, die Privatisierung der Social Security, und für viele andere originelle Ideen, die den Reichen einen oberen Platz im FORBES-Ranking der Super-Reichen verschafft. Anständige Menschen würden schreiend vor einer Auszeichnung weglaufen, die von einem üblen amerikanischen Reaktionär verliehen wird. Aber nicht Angela  Merkel. Sie erklärt lieber, parallel zur Preisverleihung und zum Abschluss des Reformationsjubiläums, dass Toleranz "die Seele Europas" sei. Häh? In Merkels EU-Partnerland Spanien werden gerade acht katalanische Regierungsmitglieder in Untersuchungshaft genommen. Merkels NATO-Partner Türkei produziert jede Menge politische Flüchtlinge, deren Asylanträge in Serie vom deutschen Amt abgelehnt werden. Aber die allermächtigste Frau der Welt faselt von Toleranz und Seele. Wenn sie eine Seele hätte, dann müsste sie sich der zahllosen Obdachlosen in Berlin erbarmen, die sie sogar von ihrem Fenster aus im Tiergarten sehen könnte, wenn sie nur wollte. Hat man einen Spendenaufruf der Kanzlerin gehört? Von Notunterkünften? Oder wenigstens das Wort Armut?

Unter der Überschrift "Zitat des Tages" bringt FORBES aus Anlass des neuen Würfel-Rankings in der Online-Ausgabe einen Ausspruch der Kanzlerin: "Angst war noch nie ein guter Ratgeber, weder in unserem Privatleben noch in der Gesellschaft." Nicht nur als mächtig will die Uckermärkerin in die Geschichte eingehen, auch noch als die Furchtloseste. Jetzt warten deutsche Dieselfahrer und andere Bürger aber darauf, dass sich die Merkel total furchtlos mit der Auto-Mafia anlegt. Dass sie mutig der Rüstungsindustrie die Exportgrenzen aufzeigt. Oder dass sie ganz, ganz tapfer ihrem neuen Koalitionspartner FDP erklärt, dass die Super-Reichen vielleicht ein Prozentchen mehr Steuern zahlen sollten.

„Waschmaschine“ nennen die Berliner den Bau des Kanzleramtes. Wegen des großen Lochs in der Fassade, geeignet schmutzige Wäsche reinzuwerfen. Nicht weil der jeweilige Kanzler dort sein Gewissen säubert. Oder weil dort schwarzes Geld wieder strahlend rein würde. Oder im Kanzlerhaus beim Schnellwaschgang alle Westen wieder weiß werden. Sicher auch nicht, weil Frau Merkel dort ihre Hände in Unschuld wäscht: So groß ist die Maschine einfach nicht. Am ehesten könnte der Name zur Rolle der „fleißigen Hausfrau“ passen, die von Frau Merkel ständig und überzeugend ihren Wählern vorgespielt wird.

Nun wird Angela Merkel also schon wieder als mächtigste Frau präsentiert. Und alle deutschen Medien beten den Titel nach, ohne nachzuhaken. So werden die Deutschen Jahr für angeforbst: „Die CDU-Politikerin halte ihren Platz nach einer heftig umkämpften Wahl“, teilt uns zum Beispiel die „Tagesschau“ mit. Da uns die größte aller deutschen Nachrichtensendungen nicht erläutern mag, wer da gegen wen gewahlkämpft hat, sind Vermutungen zulässig: War es der Schwager oder Hund von Steve Forbes, der den Ausschlag gegeben hat? Da der Trend in den westlichen Medien seit langem immer gleichförmiger wird, steht zu vermuten, dass bald bekannt werden wird, dass auch bei dieser Wahl Wladimir Putin seine Hand im Spiel hatte. – Dann wäre ich aber echt sauer auf ihn.


Erstveröffentlichung am 06. November 2017 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer

Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)


Online-Flyer Nr. 636  vom 08.11.2017



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