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Kommentar
Im Kampf gegen den Manipulations-Journalismus
Das NEUE DEUTSCHLAND macht sich zum Affen
Von Ulrich Gellermann

Besser schlechte Rezensionen als keine Rezensionen, das kann man in Marketing-Handbüchern lesen. Jüngst fiel mir eine grottenschlechte Rezension des Titels „Lügen die Medien?“ im NEUEN DEUTSCHLAND so unangenehm auf, dass sich meine Unlust zu einer Buchbesprechung, die der Verlag von mir wünschte, in heftiges Interesse wandelte. Vom NEUEN DEUTSCHLAND, das der Linkspartei nahe steht, erwartet und erhofft man sich eine kritische Haltung zum Medienmainstream. Denn Linkspartei und ND wurden oft genug von diesem Stream unter der gewöhnlichen Lügen-Überschrift „SED-Nachfolger“ abgehandelt. Aber der ND-Rezensent begibt sich, nach einer kurzen, halbwegs wohlwollenden Einleitung seines Textes, in den Querfront-Mainstream. In jene antideutsche Strömung in der Linken, die gern mit dem Rechts-Verdacht operiert, um missliebige Konkurrenten zu denunzieren. Zumeist ohne jeden ordentlichen Beleg. Und so rührt der ND-Autor ein Verdächtigungs-Gebräu zusammen, in dem der „umstrittene“ Ken Jebsen und andere Akteure im Internet die Rolle der rechten Bösen spielen, während der Mainstream durch die vorgeblich linke Waschanlage gesteuert wird.

Die Methode ist höchst simpel: „Kopfschütteln lässt, dass etliche Autoren die Leserinnen und Leser des Buches auffordern sich bei ‚Alternativmedien’ im Internet zu informieren - ohne zu warnen, dass diese oftmals Schauermärchen, Halbwahrheiten und Propaganda verbreiten.“ Das schreibt ein ND-Autor allen Ernstes. Als ob man den gewöhnlichen Mainstream-Medien nicht seit Jahr und Tag genau diese Warnung aufkleben müsste. Und so wird das gute alte ND zum miesen Handlanger einer seit Monaten laufenden Kampagne der Kommerz-Verleger und ihrer öffentlich-rechtlichen Kollegen zur Verleumdung ihrer Konkurrenz im Netz.

Ein Klassiker der ND-Diffamierung ist dieser Absatz des Artikels: Da der Berliner Psychologe Klaus-Jürgen Bruder die Asylsuchenden auch als Folge von Kriegen erkennt, begreift er den Kampf gegen Asylsuchende auch als „ . . . rechte ‚Kritik‘ an der Kriegspolitik der Bundesregierung“. Das kommentiert der ND-Autor dann so: „Wer so denkt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er sich dem Verdacht aussetzt, beim nächsten AfD-Marsch mitzulaufen.“ Diese Sorte des Diffamierungs-Journalismus ist auch an ihrem gewundenen Deutsch zu erkennen. Doch wer den kompletten Text des Psychologen gelesen hat und die scharfe Kritik Bruders am Nationalismus im selben Interview, der weiß, dass der Rezensent eine echte Unterstellung fabriziert hat. Zumindest den beliebten Begriff „umstritten“ aus der Tagesschau-Meinungsmottenkiste hätte der zuständige ND-Redakteur seinem wild gewordenen antideutschen Autor aus Gründen der journalistischen Hygiene streichen müssen.

So, durch das Neue Deutschland eher versehentlich angeregt, das Buch zu lesen, kann man feststellen: Der Band vereint jede Menge Intellektuelle, die sich in die Auseinandersetzung um die Medien- und Manipulations-Macht begeben haben: Mit Beiträgen von Daniela Dahn über Noam Chomsky bis Rainer Mausfeld finden sich eine Fülle von Artikeln und Interviews zum Thema. Höchst praktisch untersucht zum Beispiel Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung, wie man durch geschicktes Wording mit „Fakten lügt“ und aus der Praxis seiner Programmbeschwerden kann der ehemalige NDR-Redakteur Volker Bräutigam berichten, wie Gesinnungsjournalismus die Programmgrundsätze des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks unterminiert. Und der Wahrnehmungsforscher Rainer Mausfeld untersucht die Entpolitisierung und Fragmentierung der Gesellschaft an der die herrschenden Medien erfolgreich mitgearbeitet haben.

So wie die Fülle der Themen und der Autoren eine Stärke des Buches ist, ist sie zugleich eine Schwäche. Nach der alten Apotheker-Regel „viel hilft viel“ ist im vorliegenden Band zwar eine ordentliche Breite zusammengekommen, deren politische Spitze und Stoßrichtung aber nur schwer herauszulesen ist. Eins aber ist sicher: Das Buch bereichert die Front jener, die begriffen haben, dass in unserem Land keine Änderung möglich ist, wenn man nicht die Medien ändert, wenn man nicht den Kampf gegen den Manipulations-Journalismus führt. Aus dieser Front hat sich das NEUE DEUTSCHLAND mit seiner Rezension leider selbst entfernt und macht sich so zum Affen des bürgerlichen Medienzirkus.


Lügen die Medien?
Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung




Herausgegeben von Jens Wernicke
Mit Beiträgen von Walter van Rossum, David Goeßmann, Ulrich Teusch, Volker Bräutigam, Ulrich Tilgner, Stephan Hebel, Werner Rügemer, Eckard Spoo, Noam Chomsky, Uwe Krüger, Rainer Mausfeld, Jörg Becker, Michael Walter, Erich Schmidt-Eenboom, Klaus-Jürgen Bruder, Kurt Gritsch, Daniele Ganser, Maren Müller, Hektor Haarkötter, Sabine Schiffer, Gert Hautsch, Rainer Butenschön, Markus Fiedler, Daniela Dahn (überwiegend von Jens Wernicke geführte Interviews)
Westendverlag Frankfurt 2017
368 Seiten, 18 Euro


Erstveröffentlichung am 09. Oktober 2017 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer

Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)



Siehe auch:

Lügen die Medien? Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung
Gezüchtete Unschärfen
Buchtipp von Harry Popow
NRhZ 631 vom 04.10.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24194

Rezension und Buchzusammenfassung des Medienkritik-Kompendiums von Jens Wernicke
Lügen die Medien?
Von Ullrich Mies
NRhZ 632 vom 11.10.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24227

Online-Flyer Nr. 632  vom 11.10.2017



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