NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

Fenster schließen

Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Das systematische Anschleimen an die Israel-Lobby
Von Evelyn Hecht-Galinksi

Nachdem wir uns jetzt im Endspurt eines der langweiligsten und schmutzigsten Wahlkämpfe befinden, angefeuert von islamfeindlichen "völkischen Gauleiter/innen", kopiert von zahlreichen Wahlkämpfern anderer Parteien, sollten wir alle nachdenken über Deutschland. Ja, Muslime und der Islam gehören zu Deutschland, genauso wie die Meinungsfreiheit und das Grundgesetz! Tatsächlich soll, geht es nach der Israel-Lobby und sich anschleimender Politiker aller Parteien, diese Meinungsfreiheit, wenn es um Kritik an der illegalen Besatzungs- und Siedlungspolitik des Netanjahu- Regimes geht, dieses vom Grundgesetz geschützte Recht außer Kraft gesetzt werden. Nein, es ist kein Antisemitismus, wenn wir den legitimen Kampf für Freiheit Palästinas unterstützen und dafür das Recht auf Boykott gegen den "Jüdischen Staat" einfordern. Dies ist ein legitimes Druckmittel der Zivilgesellschaft, um gewaltfrei legalen Widerstand zu leisten. Die vor 12 Jahren entstandene BDS-Kampagne ist eine wichtige Bewegung, die weltweit immer mehr Unterstützer findet. (1)

Sie fürchten nichts mehr als die Wahrheit

Warum also bekämpft man uns, die diese Bewegung unterstützen, so massiv? Weil der "Jüdische Staat", seine Unterstützer und ihre sich anschleimenden Freunde diese friedliche, aber inzwischen mächtige Bewegung fürchten. Und sie fürchten nichts mehr als die Wahrheit. Und um die Wahrheit – die Fakten sind nicht zu widerlegen – können sie noch so viele „Schekel“ und US-Dollars für ihre Gegenkampagne zum Fenster hinaus schmeißen. Doch auf Dauer können die Geldscheine die Wahrheit nicht unterdrücken.

Nachdem alle so genannten „Friedensverhandlungen“ gar nichts brachten außer noch mehr Leid Vertreibung, Demütigung und Leid für das palästinensische Volk, ist es an der Zeit, ja tatsächlich schon über die Zeit hinaus, dass wir alle diesen Boykott gegen den "Jüdischen Besatzerstaat" unterstützen.

Wenn es um angeordnete US-Boykotte gegen Russland, Iran, Venezuela oder Kuba geht, sind unsere Politiker geradezu fahrlässig und lassen sich nicht mit unserem Anliegen vergleichen. Wir alle haben doch gesehen, wie wichtig und wirksam der Boykott gegen das südafrikanische Apartheid-Buren- System war, das – wie südafrikanische, ehemalige Aktivisten immer wieder berichten – unmenschlich und schlimm war, aber an die heutigen Zustände im "Jüdischen Apartheidstaat" lange nicht heran reichen, sondern viel schlimmer sind. (2)

Wie also kann man die Meinungsfreiheit gegen legitime Boykottunterstützer einschränken wollen, wie zuletzt geschehen, in Berlin, Frankfurt, München und jetzt auch noch in Köln. An vorderster Front dieser "Anschleimer", sind neben führenden  SPD- und CDU-Politikern natürlich auch Grüne wie der Philosemit Volker Beck, der sich schon heiß macht für den Posten des neu zu schaffenden "Antisemitismusbeauftragten". Seine Freunde von der Israel-Lobby werden es schon richten, zumal er ja dringend einen neuen Posten braucht.

Müssen sich demokratische Bürger gefallen lassen, sich von Politikern als Rassisten, Juden-Hasser oder Antisemiten verunglimpfen zu lassen, nur weil wir uns ganz legal und nach Wissen und Gewissen für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser einsetzen und die international  als völkerrechtswidrige illegale Besetzung Palästinas verurteilen und diese mit zivilrechtlich zulässigen Mitteln bekämpfen? Nein! Denn Zionismus ist Rassismus, beruhend auf menschenverachtender Missachtung eines Volkes und seiner Vertreibung seit Staatsgründung, während Anti-Zionismus die demokratische  Antwort auf diesen Rassismus ist.

Kann man deutsche Parteien und Politiker wählen, die sich dem „neuen Antisemitismus“, also dem Philosemitismus, und einem Besatzerstaat verpflichtet fühlen und „wieder zuschauen und schweigen“ wenn heutzutage jüdische, israelische Referenten, Journalisten, Professoren, wenn sie in Deutschland an Konferenzen, in Veranstaltungen oder als Referenten über die illegale Besatzung Palästinas, 50 Jahre Besatzung oder die Nakba referieren wollen, mit Auftrittsverbot belegt werden? Dies ist nicht nur respektlos, undemokratisch und – von unseren Politdarstellern immer wiederholten Phrase –  einer "Wertegemeinschaft" unwürdig.

Inzwischen ist der angebliche Kampf gegen den vermeintlichen Antisemitismus zu einem Kampf der Politik und der Israel-Lobby, zum Kampf gegen jegliche Israel-Kritik geworden.

Feindbilder helfen die eigenen Reihen zu schließen

Diesen Eifer deutscher Wahlkämpfer, hätte ich mir beispielsweise bei der SPD gewünscht, als es um den Parteiausschluss von Tilo Sarrazin nach dessen rassistischen Ausfällen und seinen unerträglichen unwissenschaftlichen Büchern ging; leider blieb dieser aus. Eher, so meine düstere Prognose, wird ein "Israel-Kritiker" als angeblicher Antisemit mit Pauken und Trompeten ausgeschlossen als ein islamphober Rassist. Wahlkampf in Zeiten von Islamophobie! (3)

Mich macht es mehr als besorgt, dass sich inzwischen alle Parteien auf den Kampf gegen einen "Ablenkungs"-Antisemitismus spezialisiert haben, einen Kampf der den wirklichen, den latenten Antisemitismus außen vor lässt, weil sie diesen Begriff als Kampfbegriff gegen unliebsame Gegner benutzen. Und das ist genau im Sinne der Israel-Lobby, die ganz genau weiß, dass es nicht um Antisemitismus geht, sondern um den legitimen Kampf für ein freies Palästina ohne illegale Besatzung.

Ist es nicht erstaunlich, dass gerade rechtsextreme Parteien wie die AfD in Deutschland oder "Freunde" in Österreich, Ungarn, Frankreich und Belgien, sich so verbunden fühlen mit den Rassisten im "Jüdischen Apartheidstaat"?  Besonders erschreckend für mich ist die Tatsache, dass so viele jüdische Bürger rechtsextreme Parteien wählen, oder sich ein jüdischer AfD-Direktkandidat in meinem Bundesland BW präsentiert, der dort sogar einen führenden Posten in der jüdischen Gemeinschaft innehatte.

Natürlich, im Grunde wundert es mich nicht, da der "Jüdische Staat" ein rassistisches Vorbild für alle diese Parteien abgibt, denn was in diesem Staat abläuft, ist eine Schande für die jüdische Religion, die hier bewusst von skrupellosen Politikern für Verbrechen gegen die Menschlichkeit missbraucht wird! Vergessen wir dabei nicht, dass fast die GESAMTE jüdisch-israelische Bevölkerung dieses rassistische Staatsterror-Regime gewählt hat. Anstatt dafür von der angeblich freien Welt boykottiert zu  werden, überhäuft man den Besatzerstaat – besonders aus Deutschland –  mit Solidaritätsbekundungen!

Die „ethnische Säuberung“ von Israel/Palästina bis Myanmar (mit Waffenlieferungen aus dem "Jüdischen Staat") ist zu einem neuen Synonym für „Terrorismusbekämpfung“ geworden, und Terrorismus ist zu einem Staatsterror-Hilfsmittel geworden, um allen Verbrechen freien Lauf zu lassen. Darf Israel also Vorbild sein?  Ja, wenn Deutschland sich an Ausgrenzung, Vertreibung, Landraub, Völkermord und eben ethnischer Säuberung orientiert. Die Israelisierung Deutschlands muss gestoppt werden. Gerade auch in der Behandlung von Flüchtlingen zeigt der "Jüdische Staat" sein rassistisches Gesicht; während jüdische Bürger aus aller Welt "heimgeholt“ werden sollen in ihr „von Gott gegebenes" Reich, wird Palästinensern  dieses Rückkehrrecht in ihre alte Heimat verwehrt. Hat sich jemals eine deutsche Partei schon einmal dafür wirklich interessiert?

Während ständig der angebliche "muslimische Antisemitismus" und die Gefährlichkeit des Islam angeprangert werden, lässt man den judaistischen Extremismus ungestraft gewähren.

Kann man solche Politiker und Parteien noch wählen?

Während Demonstrationen von Palästinensern gegen den Völkermord in Gaza als antisemitisch verunglimpft werden wegen der Rufe wie "Kindermörder Israel", obwohl das doch eine anerkannte Tatsache, dass viele unschuldige wehrlose Kinder von "jüdischen Verteidigungssoldaten" ermordet wurden, sogar ganze Familien wurden ausgelöscht! Während Israel-Lobby-Gruppen, unterstützt von jüdischen Funktionären und von sich anschleimenden Politikern aller Parteien, demonstrierten sie Solidarität für den "Jüdischen Besatzerstaat". Ist diese Tatsache noch mit dem Grundgesetz vereinbar? Frage: Kann man solche Politiker und Parteien noch wählen?

Als vor einigen Tagen in Köln tausende von Kurden für einen unabhängigen kurdischen Staat, die PKK und Öcalans Freiheit demonstrierten, fühlte sich die Türkei brüskiert und bestellte den deutschen Botschafter ein! Stellen wir uns einmal umgekehrt vor, tausende von Palästinensern, was für ein wundervoller Gedanke, würden in einer deutschen Großstadt für die Freiheit Palästinas, einen Palästinenserstaat und die Freilassung für den in israelischer, grausamer, mehrfach lebenslänglich Haft sitzenden Marwan Barghouti demonstrieren? Was wäre hier los? Was würde sich das Netanjahu-Regime einfallen lassen?

Wenn sich wie kürzlich geschehen das israelische Regime in den deutschen Wahlkampf einmischt, dann ist das ebenfalls kein Thema, ebenso wenig wie auch die illegale Besatzung Palästinas, propagandistischer Auftritte von israelischen Staatspräsidenten oder wie gerade geschehen, speziellen Einmischungen vom israelischen Staatspräsidenten an Kanzlerin Merkel wegen der noch ausstehenden U-Bootlieferungen. Aber wehe, türkische Politiker versuchen das, dann ist das natürlich etwas ganz anderes...

Wenn der "Jüdische Staat" Syrien angreift, Riesen-Manöver zur Vorbereitung auf mögliche Angriffskriege gegen Hisbollah, Libanon oder Syrien abhält, die Souveränität über deren Lufträume verletzt, Atommacht ist, alles kein Thema im deutschen Wahlkampf. Aber wenn Russland Manöver abhält, nach massiven Nato-Aggressionen direkt an ihrer Grenze, dann wird das sofort als Kriegsgefahr dargestellt.

Nichts wird in den Pseudoduellen der deutschen Wahlkämpfer an wirklichen Problemen diskutiert, die Erhöhung der Rüstungsausgaben, die Lieferung von Waffen in Krisengebiete, wer hat denn die  kurdischen Kämpfer im Nord-Irak aufgerüstet?

US-Recht über deutsches Recht gestellt

Was ist mit Ramstein und den Waffenlieferungen der USA, die offenbar jahrelang von dort aus syrische "Rebellen"-Dschihadisten  mit Waffen versorgte. Die Bundesregierung gibt vor, nichts über diese Vorkommnisse zu wissen, in denen US-Behörden mutmaßlich deutsches Recht gebrochen haben. Was ist das für eine Regierung, die US-Recht über deutsches Recht stellt, die damit Regime Changes von deutschem Boden aus unterstützt? (4)

Wohnungsnot, eine Grundsicherungsrente, Renten und Steuerpolitik, alles kein Thema in TV-Sendungen mit "eingeladenen" Gästen, die dann brav ein paar Fragen stellen dürfen. Nicht eine Frage gab es zum Türkei-Bashing, Islamophobie, Palästina-Besatzung, Russland-Bashing, Trennung von Kirche und Staat, Einfluss der Religionen auf  unser Wirtschaftsleben, wie das Sonntagsladenöffnungsgebot  oder sonstiger den "Wohlfühlwahlkampf" gefährdende Themen.

So geht also dieser mehr als unerträgliche Wahlkampf von hetzenden "Selbstdarstellern" aller Parteien weiter, manchmal nicht weit entfernt von AfD-Thesen! Wichtig jedenfalls wäre es, wenn wir alle zusammen verhindern können, dass die AfD und ihre Gauleiter/innen in den deutschen Bundestag einziehen! (5)

Sicher ist, der nächste Sonntag kommt, vielleicht mit Überraschungen oder auch nicht! Also prüfen wir gut, wem wir unsere Stimme geben, strafen wir die sich an die Israel-Lobby anschleimenden Politiker und Parteien ab!

Zum Schluss lasse ich Judith Butler für mich sprechen, Zitat: "Sollte es mir gelungen sein, zu zeigen, dass man zur Kritik der staatlichen Gewalt, der kolonialen Unterdrückung von Bevölkerungsgruppen, der Vertreibung und Enteignung auf jüdische Quellen zurückgreifen kann, dann habe ich damit zugleich zeigen können, dass eine jüdische Kritik der von Israel ausgeübten staatlichen Gewalt zumindest möglich, wenn nicht sogar ethisch geboten ist.“


Fussnoten:

1 http://bds-kampagne.de/
2 https://electronicintifada.net/blogs/ali-abunimah/israel-far-worse-apartheid-south-africa-says-anc-chair-pretoria-conference-backs
3 http://www.deutschlandfunk.de/religion-im-wahlkampf-islam-innere-unsicherheit.886.de.html?dram:article_id=395938
4 http://www.sueddeutsche.de/politik/us-waffenlieferungen-heikle-fracht-aus-ramstein-1.3663289
5 http://sicht-vom-hochblauen.de/afd-nicht-in-den-bundestag-noch-ist-es-zeit-das-zu-verhindern-einspruch-von-evelyn-hecht-galinski/


Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

Top-Foto:
Evelyn Hecht-Galinski (sicht-vom-hochblauen.de)


Online-Flyer Nr. 629  vom 20.09.2017



Startseite           nach oben