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Kommentar
"Arena" vom 24.2.2017 – Talkshow des Schweizer Radio und Fernsehens (SRF)
Jonas Projer griff Daniele Ganser unfair an
Von Michael Graf / infosperber.ch

In der SRF-Arena vom 24. Februar 2017 (1) wurde Ganser als «umstritten» vorgestellt. Eine private Mail-Aussage wurde manipulativ zitiert. In der Arena-Sendung zum Thema «Trumps Krieg», Fake News und das Misstrauen in die Medien kam es zu einen ungewöhnlichen Eklat zwischen Moderator Jonas Projer und dem eingeladenen Historiker Daniele Ganser, der über «Nato-Geheimarmeen» doktoriert hatte. Der Zürcher Naturwissenschaftler Michael Graf hat die Sendung analysiert.


Screenshot aus der SRF-Fernsehsendung "Arena" vom 24.2.2017

Verschwörungstheorie?

Im Kern ging es darum, ob ein Wissenschaftler, der die offizielle Version in Zweifel zieht, wonach das dritte Hochaus 9/11 ebenfalls wegen der entführten Flugzeuge einstürzte, als «Verschwörungstheoretiker» disqualifiziert werden darf.

Die Arena versprach interessant zu werden, da die Sendung wichtige Themen wie die Rolle der Medien in Demokratien, «Fake News» und das Vertrauen in die Medien diskutieren wollte. Dafür wurde auf der Seite der Medienkritiker der Historiker Daniele Ganser eingeladen. Bereits zu Beginn der Sendung stellte die Arena Daniele Ganser als «umstrittenen Publizisten» vor. Dieses Vorgehen nennt man in den Kommunikationswissenschaften Framing. Indem man Daniele Ganser als «umstritten» betitelt, führt man einen Deutungsrahmen ein. Gansers Aussagen werden dadurch vom ahnungslosen Zuschauer automatisch anders bewertet als jene der anderen Gäste.

Warum nicht einfach sagen, dass Ganser eine Doktorarbeit über «Nato-Geheimarmeen» verfasst hat und dass er die offizielle Version des Einsturzes des Dritten Hochhauses in New York bezweifelt? Dann wäre Ganser inhaltlich eingeordnet worden, aber nicht als «umstritten» abgewertet. Eine solche Abwertung führt dazu, seine Aussagen in der Sendung zum vorneherein abzuwerten. Damit wird eine faire und ausgewogene Diskussion erschwert. Vorbildlich stellt zum Beispiel der SRF-«Club» die Gäste vor, indem eine inhaltliche Position angegeben wird.

Die (Dis-)Qualifizierung beim Vorstellen der Gäste war nur der Auftakt zu einem wesentlich gravierenderen Vorfall. Nach rund 15 Minuten zeigte Projer einen öffentlich verbreiteten Tweet von Ganser, den dieser als Reaktion auf eine SRF-Sendung «Einstein» über Verschwörungstheorien verfasst hatte: «Für das SRF ist kritische Forschung zu WTC7 = Verschwörungstheorie. Diffamierung statt Aufklärung. Schade!»

Projer wollte Ganser als unglaubwürdig und widersprüchlich vorführen, indem er aus einem privaten Mail Gansers an «Einstein-Produzent» Peter Höllrigl zitierte: «Ich fand den Teil zu 9/11 fair und sachlich. Danke … Herzlich Daniele»

Was vordergründig als Widerspruch erscheint, ist keiner. Denn Projer hat den zweiten Satz dieser Mail an Höllrigl unterschlagen. Hier die ganze Mail: «Lieber Peter. Ich fand den Teil zu 9/11 und WTC7 fair und sachlich. Danke. Der Mix mit ‹Klimalüge› und Protokolle hingegen fand ich schlecht. Herzlich, Daniele.»

Man kann einen Sendungsteil als ausgewogen und fair erachten, während man die Sendung in ihrer Gesamtheit oder einzelne Aussagen, wie die Bezeichnung als Verschwörungstheoretiker in der Sendung Einstein, kritisiert. Der von Projer aus dem Zusammenhang gerissene Satz stellt eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht dar. Jonas Projer wäre aber meines Erachtens aufgrund des Fairnessgebots verpflichtet gewesen, die Aussagen im Sinne des Gastes zu interpretieren.

Während der Sendung beklagte sich Ganser, dass ein Teil des Mail-Zitats weggeschnitten worden sei und kritisierte die Vorgehensweise der Medien in solchen Fällen. Die Situation eskalierte daraufhin rasch. Moderator Projer bezichtigte Ganser, in der Arena eine Verschwörungstheorie zu konstruieren. Dieser Vorwurf war für einen neutralen Moderator unprofessionell, denn es war zu diesem Zeitpunkt nicht ansatzweise ersichtlich, dass Ganser irgendeine Verschwörungstheorie verbreitete. Projer nutzte diese Diffamierung, um die Kritik Gansers am einseitigen Zitat zu kontern. Später drohte Jonas Projer sogar damit, die Sendung abzubrechen.

Die Konfrontation Gansers mit angeblich widersprüchlichen Aussagen sollte dazu dienen, die Glaubwürdigkeit des Historikers zu untergraben. Gegenüber den andern Gästen, beispielsweise SVP-Politiker Claudio Zanetti oder Medienbesitzer Roger Schawinksi, griff der Moderator nicht zur gleichen Methode.

Das Vorgehen von Jonas Projer in der Arena irritiert. Er hat verschiedene journalistische Grundregeln verletzt. Man kann nicht mit Hilfe einer aus dem Zusammenhang gerissenen Mail, die man sogar noch kürzt, einen Widerspruch konstruieren und die Reaktion des Gastes darauf als Verschwörungstheorie abtun. Zudem muss man der betroffenen Person nach einem happigen Vorwurf ausreichend Zeit geben, sich zu rechtfertigen. Doch Projer blockte Ganser in der Sendung nach kurzer Zeit ab. «Umstritten» verhielt sich in dieser Sendung nicht Gast Daniele Ganser, sondern der Moderator Jonas Projer.


Anhang: Verschwörer auch bei der NZZ?

Der Online-Dienst «Klein-Report», der laufend über Medien berichtet, schrieb über die Arena wie folgt:

«Der emotionale Streit um eine E-Mail zwischen SRF-Moderator Jonas Projer und Publizist und Historiker Daniele Ganser rückte die Glaubwürdigkeit des Schweizer Fernsehens in den Mittelpunkt einer großen Debatte. ‹Ich war überrascht, dass ich in der Sendung live erlebte, wie Lückenpresse funktioniert›, kritisierte Ganser nach der Sendung.» ...

«Auch in den sozialen Netzwerken wurde die Glaubwürdigkeit des SRF-Moderators und des Historikers kontrovers diskutiert: Jan Flückiger, noch bis Ende Juni Bundeshausredaktor der NZZ, bezeichnete es als ‹unsauber, Leute, die Kritik an offizieller Version von WTC7 ausüben, pauschal als Verschwörungstheoretiker zu diffamieren›. Zudem überraschte er mit folgendem Tweet: ‹Mindestens WTC7 war kontrollierte Sprengung. Das sieht auch ein Laie.›

Dafür erntete er einen Rüffel vom eigenen Geschäftsführer: ‹Wirklich? Wenige Themen der Menschheitsgeschichte sind so gründlich durchleuchtet wie 9/11›, so Veit Dengler, CEO der ‹Neuen Zürcher Zeitung›.»


Fussnote:

1 Trumps Krieg
SRF-Fernsehsendung Arena vom 24.02.2017
Der amerikanische Präsident hat den Medien den Krieg erklärt, er bezeichnet sie als «Feinde des amerikanischen Volks». Gibt es gute Gründe, den Medien zu misstrauen? Oder sind die Medien wichtiger denn je, um Trumps Lügen aufzudecken? Und: Wird den Schweizer Medien noch vertraut?

Zwei Gäste, die Medien produzieren:
Roger Schawinski, Journalist und Medienpionier
Karin Müller, Chefredaktorin Telebasel

Zwei Gäste, die den Medien misstrauen:
Claudio Zanetti, Nationalrat SVP/ZH und Kommunikationsberater
Daniele Ganser, Publizist

Zwei Gäste, die Medien beaufsichtigen:
Markus Spillmann, Präsident Stiftungsrat Schweizer Presserat
Vincent Augustin, Präsident Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI)

Sendung abrufbar hier: https://www.youtube.com/watch?v=KiLnOvB67-0

Online-Flyer Nr. 603  vom 08.03.2017



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