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Inland
Zum Tod von Eckart Spoo
Unermüdlicher Organisator demokratischer Publizistik
Von Werner Rügemer

„Ich wurde Journalist, weil ich dachte, man muss aufklären, man muss dazu beitragen, dass die Menschen die Wahrheit erfahren.“ Diese Konsequenz zog Eckart Spoo aus der Erfahrung mit seinem Vater: Dieser humanistisch gebildete Mensch war der Nazi-Propaganda auf den Leim gegangen, war mit der deutschen Wehrmacht in den Krieg gegen die Sowjetunion gezogen und bei Leningrad „den Heldentod gestorben“. Freilich musste der Sohn, geboren 1936, bald erfahren, dass es in der Bundesrepublik Deutschland mit der Aufklärung nicht so einfach war. 1962 konnte er in der Frankfurter Rundschau als Lokalreporter beginnen. Die FR galt damals als die links stehende überregionale Zeitung. Sie war bei der Lizenzierung nach dem 2. Weltkrieg die einzige größere Zeitung, die ohne NS-Journalisten auskam. Sie gab sich als Gegenentwurf zu „Hugenbergs Lügenpresse“ – der Pressekonzern des ehemaligen Krupp-Generaldirektors hatte tonangebend Hitler an die Macht geschrieben. Doch die der KPD zugerechneten Mitgründer und Lizenzträger wie Emil Carlebach wurden schon 1947 auf Betreiben des US-Militärgouverneurs General Lucius Clay hinausgedrängt.


Eckart Spoo, Berlin, 2014 (Fotos: arbeiterfotografie.com)

1971 wurde Spoo vom FR-Verleger entlassen. Begründung: Er habe als Herausgeber des Buches „Die Tabus der bundesdeutschen Presse“ nicht verhindert, dass der Leiter der Wirtschaftsredaktion in einer Fußnote als „publizistischer Unternehmensberater“ bezeichnet wurde. Den tatsächlichen Kündigungsgrund nannte der FR-Verleger in seinem letzten Gespräch mit Spoo: „Ich mache die Rundschau, Du machst die Gewerkschaft.“ Spoo war Ende 1970 zum Bundesvorsitzenden der Deutschen Journalisten-Union DJU in der Industriegewerkschaft Druck und Papier gewählt worden. Ähnlich wie ihm erging es damals gewerkschaftlich engagierten Journalisten in zahlreichen Zeitungen, z.B. Peter Kleinert im Kölner Stadt-Anzeiger. Allein beim Spiegel wurden fünf gemaßregelt, die Mitbestimmungsrechte gefordert hatten.

Vorausgegangen waren 1968 die Demonstrationen gegen den Missbrauch publizistischer Macht durch Monopolverleger („Enteignet Springer!“). Spoos war bestrebt, im Pressekodex des Deutschen Presserats Propaganda für den Angriffskrieg zu ächten, ähnlich wie dort schon die Verletzung religiöser Gefühle geächtet war. Das misslang, die Verleger sahen durch diese Forderung „die Pressefreiheit gefährdet“.

Spoos Klage gegen die Entlassung hatte Erfolg, Die FR musste ihn weiterbeschäftigen. Bis 1987 berichtete er als Korrespondent aus Hannover. 16 Jahre amtierte er als DJU-Bundesvorsitzender. In diese Zeit fielen harte Tarif-Auseinandersetzungen. Aus der regen Bildungsarbeit der DJU entstand die Reihe „Medienbuch“ mit Titeln wie „Anspruch auf Wahrheit“, „Feindbilder – Wie man Kriege vorbereitet“, „Unheimlich zu Diensten – Medienmissbrauch durch Geheimdienste“. Im Verband deutscher Schriftsteller VS und in anderen Berufsverbänden warb er für gewerkschaftliche Orientierung.

Spoo initiierte auch eine Reihe von Büchern über Niedersachsen („Niedersächsische Skandalchronik“ u.a.). Er entwickelte sich zum publizistischen Organisator. Zahlreiche weitere Sammelbände entstanden aus Konferenzen, die er - oft gemeinsam mit Werner Holtfort, Wolfgang Bittner und Rainer Butenschön – organisiert hatte. 1988 erschien gegen das scheinbar Undenkbare der Sammelband „Wie weiter? Plädoyers für eine sozialistische Bundesrepublik“. Mit dem Historiker Reinhard Kühnl rekonstruierte er die Konzepte des antifaschistischen Widerstands für ein besseres Deutschland – und was daraus (nicht) geworden war. Mit Herbert Schui wies er 1996, früher als andere, auf die wachsende Ungleichheit zwischen arm und reich hin: „Geld ist genug da. Reichtum in Deutschland“.

1997 gründete er Ossietzky, die Zweiwochen-Zeitschrift für Politik-Kultur-Wirtschaft. Im selben Jahr initiierte er den „Grundrechte-Report“, der zusammen mit sieben Bürgerrechtsorganisationen jährlich als alternativer Verfassungsschutz-Bericht erscheint. Gegen die neuerlichen Kriege der NATO seit den 1990er Jahren blieb er aktiv und geißelte die herrschende Medienpraxis. Bei der Demonstration vor dem Hauptstadtbüro der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD) am 31. Mai 2014 erinnerte er an den Krieg der NATO gegen Jugoslawien und an die irreführende Berichterstattung: „Die ARD und andere Medien hatten kritiklos die Kriegspropaganda der Bundesregierung und der NATO übernommen.“ Diese Tendenz habe sich in den Berichten über den Konflikt in der Ukraine fortgesetzt. An den Chefredakteur der Tagesschau gewandt rief er: „Die öffentlich-rechtlichen Anstalten erhalten von uns siebeneinhalb Milliarden Euro im Jahr, damit Sie uns zutreffend und umfassend informieren. Aber die Informationen, die Sie uns aus der Ukraine liefern, sind einseitig, parteiisch, unwahr oder halbwahr, was noch gefährlicher ist.“


Eckart Spoo, Berlin, 2005 (Fotos: arbeiterfotografie.com)


Journalist und Publizist Eckart Spoo gestorben - Der unbequeme Fragesteller wird bleiben - Pressemitteilung der Redaktion Ossietzky vom 15. Dezember 2016

Der Journalist und Publizist Eckart Spoo ist am Donnerstag, dem 15. Dezember, in Berlin gestorben, vier Tage vor seinem 80. Geburtstag. Als Kind erlebte er Krieg und Faschismus in seiner Geburtsstadt Mönchengladbach und im Fluchtort Harz; dies hat sein ganzes Leben geprägt. Mehr als drei Jahrzehnte schrieb er als Korrespondent der Frankfurter Rundschau Zeitungsgeschichte. Er galt als unbequemer Fragesteller in Pressekonferenzen und deckte manchen Skandal auf. Von 1970 bis 1986 war er Vorsitzender der Deutschen Journalisten-Union (dju).

Pressefreiheit, auch die „innere Pressefreiheit“ in den Redaktionen und die damit erforderliche Abschaffung des Tendenzparagraphen waren Forderungen, die den Journalisten Spoo bis zu seinem Tode umtrieben. Die voranschreitende Monopolisierung der Zeitungsverlage und die damit einhergehende Vereinheitlichung und Verflachung der Zeitungslandschaft prangerte er an.

Spoo sah die Pressefreiheit vom Grundrecht für alle zum Privileg einiger weniger Pressekonzerne verkommen, deren Eigentümer ihre Aufgaben darin sehen, den Kapitalismus und die von ihm geschaffenen gesellschaftlichen Verhältnisse zu rühmen und vor Kritik zu schützen – auch durch Verschweigen von Tatsachen, Verleugnen von Wahrheiten – und aus diesem Missbrauch der Pressefreiheit möglichst viel Profit zu ziehen. Spoo hielt publizistische Monopole für verfassungswidrig.

In der Konsequenz gründete er 1997 zusammen mit weiteren Publizisten eine eigene Zeitschrift: Ossietzky. Die Zweiwochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft steht in der antimilitaristischen und antifaschistischen Tradition der Weltbühne. Spoos Anspruch als langjähriger Ossietzky-Chefredakteur: jedes Heft voller Widerspruch gegen angstmachende und verdummende Propaganda, gegen Sprachregelungen, gegen das Plattmachen der öffentlichen Meinung durch die Medienkonzerne, gegen das vermeintliche Recht des Stärkeren und gegen die Gewöhnung an den Krieg. Zu diesen Themen veröffentlichte er auch eine Vielzahl aufklärerischer Bücher. Verlag und Redaktion Ossietzky werden Spoos Vermächtnis fortführen.

Online-Flyer Nr. 593  vom 21.12.2016



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