NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

Fenster schließen

Globales
Es kann gar nicht genug gewarnt werden
Besorgnis im Rheinland
Von Jürgen Heiducoff (Übach-Palenberg an der Wurm/Nordrhein-Westfalen)

Friedlich windet sich die Wurm nördlich von Aachen durch das Heinsberger Land. Daran hat sich scheinbar ewig nichts geändert, außer dass sie einige Male über die Ufer trat. Die Kriege der Vergangenheit jedenfalls hatten keinen Einfluss auf die Wurm. Das kann heute, nach Jahrzehnten technologischer Entwicklung auf Grund des erreichten Standes der Vernichtungswirkung moderner Waffen völlig anders sein. Teilweise ist die Wurm Grenzfluss zu den Niederlanden. Eine friedliche Grenze, wie wir sie uns überall wünschen. Doch die Lage im Grenzgebiet der Europäischen Union zu Russland ist spannungsgeladen.

Sorge um die friedliche Zukunft

Gut 600 km ostwärts der Wurm, im Berliner Zentrum versammelten sich am 8. Oktober 2016 besorgte und verantwortungsbewusste Menschen – auch aus dem Rheinland - um ihrer Sorge um die friedliche Zukunft unseres Landes Ausdruck zu verleihen. Diese machtvolle Demonstration mit mehr als 5000 Menschen fand unter dem Motto „DIE WAFFEN NIEDER! Kooperation statt NATO-Konfrontation - Abrüstung statt Sozialabbau“ statt. Viele der Demonstranten forderten auf Plakaten und Transparenten unter anderem „Frieden schaffen ohne Waffen“ oder „Raus aus der NATO“. Dies geschah in Berlin unweit der Regierungs- und Parlamentsgebäude, in denen konkrete Schritte zur Übernahme der neuen deutschen Verantwortung in der Welt geplant und genehmigt wurden. Dazu gehören auch die Entscheidungen, durch militärische Präsenz im Baltikum Russland abzuschrecken. Diese Entscheidungen trafen Politiker, die sich Demokraten nennen. Sie sind christliche Demokraten oder soziale Demokraten – allesamt Demokraten, ob in einer Regierungspartei oder in der parlamentarischen Opposition. Manche christlichen Demokraten denken auch sozial; manche sozialen Demokraten sind christlich. Und Demokraten sind die, die den Willen des Souveräns, also des Volkes vertreten, denken viele. Erklärungsbedürftig wäre nur, warum Regierungsdemokraten oft eine Politik machen, die der überwiegende Teil des Volkes weder erklärt bekommt, noch versteht. Das Volk will keine neue Konfrontation mit Russland, will nicht immer mehr Bundeswehreinsätze, doch genau dies beschließen immer wieder die Regierungs- und Oppositionsdemokraten. Am Volk vorbei regieren – das hat Tradition in Deutschland. 

Wir sind wieder wer auf dieser Welt. Das will die Regierung den Deutschen klar machen – wieder Mal. Und das ist so, weil es im Land nicht so recht vorwärts, eher rückwärts geht. Ehrliche, fleißige Arbeit, Qualitätsarbeit, eine alte deutsche Tugend ist nicht mehr viel wert. Davon kann man in deutschen Landen nicht in Würde und Wohlstand leben, geschweige denn eine Familie finanzieren, Kinder erziehen und studieren lassen. Die Steuer- und Abgabenschraube erdrückt die Bürger fast.

Deutschland sei als offene Gesellschaft auf globale Vernetzung und auf den Zugang zu internationalen Märkten angewiesen. Die Bundesregierung setze sich dafür ein, dass die regelbasierte internationale Weltordnung eingehalten werde, so die Verteidigungsministerin anlässlich der Veröffentlichung des Weißbuches vor einigen Wochen. Regelbasierte Weltordnung soll heißen – der Westen diktiert die Regeln, die anderen richten sich danach. Ganz einfach. Und wer sich nicht an die Regeln hält, bekommt Sanktionen aufgebrummt oder läuft Gefahr, sein Land durch westliche Bomben zerstört oder mit GI–Stiefeln zertreten zu bekommen. Übernahme von mehr Verantwortung – das bedeutet praktisch auch Vorstoß in die Riege der größten Exporteure von Rüstungsgütern und todbringenden Waffen auch in Krisen- und Kriegsgebiete. Saudi-Arabien führt mit deutschen Kampfpanzern und mit politischer Unterstützung Berlins einen blutigen Krieg im Jemen. Israelische Unterseeboote deutscher Produktion bedrohen den Gaza-Streifen und benachbarte Länder. Deutsche Kleinwaffen vagabundieren durch alle Welt.

Doch schlimmer noch: Übernahme von mehr Verantwortung – das heißt Beteiligung an der militärischen Abschreckung der NATO gegenüber Russland durch die Verlegung von Truppen in die Nähe der Grenzen zur Russischen Föderation. Die Bundeswehr hat in Estland, im Vorhof von St. Petersburg etwa 200 Soldaten stationiert. Ein Bataillon in Litauen wird deutscher Führung unterstellt. Weitere NATO- und US-Truppen werden nach Polen verlegt. Zur Verteidigung? Dies alles bedeutet Vertiefung der Gräben und Spannungen zwischen der Europäischen Union und Russland – die erneute gefährliche Spaltung Europas, die nur den USA nutzt.

Thermonuklearer Krieg bedeutet Zerstörung weiter Teile der nördlichen Halbkugel


Die USA bauen ihr Raketenabwehrsystem in Osteuropa aus. Die verantwortlichen Politiker im Kreml wissen sehr wohl, dass die NATO konventionell nicht in der Lage wäre, einen russischen Angriff im Baltikum zu stoppen, wenn er denn gewollt wäre. Sie wissen aber auch, dass Russlands militärische Macht insgesamt (die nuklearen Fähigkeiten eingeschlossen) der der NATO nicht standhalten kann. Und sie wissen, dass eine strategische Eskalation der Lage und totale Konfrontation der beiden Mächte kaum zu stoppen oder zu steuern wäre. Sie wissen, dass ein thermonuklearer Krieg zur Zerstörung und Kontaminierung weiter Teile der nördlichen Halbkugel führen würde. Deshalb lässt sich Moskau nicht provozieren. Und das spricht für eine verantwortungsvolle Einstellung.

Auf taktischem Gebiet allerdings erwidert Russland durchaus die Eskalation der militärischen Lage. Dafür sprechen die Aktivitäten in Syrien ebenso wie die Stationierung taktischer kernwaffenfähiger Iskander Raketen im Gebiet Kaliningrad oder riskante Flugmanöver russischer Jagdbomber über der Ostsee und im Luftraum an den Grenzen zu Estland und Finnland. Aber wieso sollte dies alles die Menschen hier im Rheinland beunruhigen? Russland ist weit entfernt und die NATO wird uns Sicherheit garantieren wie seit ihrem Bestehen.

Man möge sich folgende Tatsachen vor Augen führen: Der US–Stützpunkt Ramstein wird ausgebaut. Da ist die Drehscheibe der Logistik der weltweiten US–Operationen und ein wichtiges Element zur Führung von Drohnenangriffen. In Büchel werden die US Kernwaffen modernisiert und ihre Vernichtungseffektivität verbessert. In Kalkar wird über die Führung des modernen Luftkrieges nachgedacht. Dort werden Luft- und kosmischen Operationen der NATO modelliert und von dort würden sie geführt. Dass die Standorte Ramstein, Büchel und Kalkar ganz oben auf der Liste der Erstrangziele der Kommandozentralen der strategischen Raketentruppen und der luft - kosmischen Streitkräfte der bedrängten Russischen Föderation zu finden sind, dürfte jedem Interessierten hier im Westen klar sein. Und nochmal: Ramstein, Büchel, Kalkar und mitten drin liegen die NATO–Airbase Geilenkirchen und das Allied Joint Force Command Brunssum, aber auch unsere schönen Städte Aachen und Übach-Palenberg.

Doch lassen wir Experten zu Wort kommen: „Führende US-Generäle prophezeien, sollte ein dritter Weltkrieg der USA mit Russland und China ausbrechen, dann verliefe er „extrem tödlich und schnell“. Ein Konflikt dieser Art hätte Gewalt zur Folge, die alle militärischen Auseinandersetzung der letzten 60 Jahre übertreffen würde, so der Konsens der US-Generäle. Eine entscheidende Neuerung in der Kriegstaktik wäre der Einsatz von künstlicher Intelligenz und automatischen Waffen. Das könnte die Kriegsführung enorm beschleunigen. „Die Dinge würden so schnell passieren, dass unsere menschlichen Fähigkeiten überfordert sind“, zitiert das US-Online-Portal „Defense One“ den US-General William Hix. Diesen Krieg werde Amerika nicht so einfach stoppen können.        

Es kann gar nicht genug gewarnt werden

Die Sicherheitslage auf der Welt bewerten die US-Militärs als angespannt. Die USA stünden unter existenzieller Bedrohung durch „moderne Staaten, die sich im militärischen Wettbewerb aggressiv verhalten“, sagte General Joseph Anderson auf dem jährlichen Treffen der US-Militärs in Washington. Dabei, so deutete er an, gehe es vor allem um Russland.“ (1) Was aus unserem schönen Rheinland mit Aachen, mit unserem Industriepotential, mit den Schätzen einer alten Kultur geschehen würde, ist nicht vorstellbar. Die Spuren Karls des Großen würden für immer verschwinden. Noch sind die Wunden, die der zweite Weltkrieg in deutsche, polnische, niederländische, belgische, französische und russische Familien riss, nicht verheilt! Es kann gar nicht genug gewarnt werden, damit die Bundesregierung endlich eine andere Politik einleitet und Kooperation und Vertrauen mit Russland auf sicherheitspolitischem Gebiet einkehren lässt.

Damit sich auch die Sorgen um die Erhaltung des Friedens im Rheinland und überall in Europa und der Welt zerstreuen und auflösen.


Fussnote:

1) http://www.focus.de/politik/videos/dritter-weltkrieg-us-militaers-prophezeien-grausame-taktiken_id_6042858.html

Online-Flyer Nr. 583  vom 12.10.2016



Startseite           nach oben