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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Krieg und Frieden
Der Dritte Weltkrieg hat bereits begonnen
Wacht endlich auf!
Von John Pilger / LUFTPOST

Ich habe auch auf den Marshallinseln gefilmt, die nördlich von Australien in der Mitte des Pazifischen Ozeans liegen. Wann immer ich Leuten erzähle, wo ich gewesen bin, fragen sie: "Wo ist das?" Wenn ich ihnen mit dem Namen "Bikini" einen Hinweis gebe, stellen sie fest: "Sie meinen den Badeanzug." Nur wenige scheinen zu wissen, dass der zweiteilige Badeanzug nach dem durch Atombombentests zerstörten Bikini-Atoll benannt wurde. Zwischen 1946 und 1958 haben die USA auf den Marshallinseln insgesamt 67 Atombomben zur Explosion gebracht; durchschnittlich wurde dabei zwölf Jahre lang täglich die Sprengkraft von 1,6 Hiroshima-Bomben freigesetzt. Auf dem Bikini-Atoll ist es heute totenstill, es ist völlig verändert und verseucht. Die Palmen wachsen in einem seltsamen Raster. Nichts bewegt sich.


Das Wall-Street-Imperium schiebt eine neue Figur auf die Bühne des Polit-Theaters: Killary Clinton (Montage: NRhZ)

Es gibt keine Vögel. Die Grabsteine auf dem alten Friedhof strahlen Radioaktivität ab. Als ich den Geigerzähler an meine Schuhe hielt, zeigte er "unsicher" an. Als ich vom Strand aus auf den smaragdgrünen Pazifik schaute, öffnete sich vor meinem geistigen Auge ein riesengroßes schwarzes Loch. So muss der Kater ausgesehen haben, den die Wasserstoffbombe "Bravo" aufgerissen hat. Ihre Explosion verstrahlte die Menschen und ihre Umwelt im Umkreis von Hunderten von Meilen – vermutlich für immer.

Auf meiner Rückreise sah ich auf dem Flughafen Honolulu auf dem Titelbild einer US-Frauenzeitschrift eine lächelnde Frau in einem Bikini; darunter war zu lesen: "Auch Sie könnten einen Bikini-Körper haben." Ein paar Tage vorher hatte ich auf den Marschall-Inseln Frauen interviewt, die keine "Bikini-Körper" hatten; alle waren an Schilddrüsen-Krebs und anderen lebensbedrohenden Krebsarten erkrankt.

Im Gegensatz zu der lächelnden Frau auf dem Titelbild sahen sie ausgemergelt und verhärmt aus: Sie wurden als Versuchskaninchen missbraucht und zu Opfern gemacht – von einer rücksichtslosen Supermacht, die heute gefährlicher als jemals zuvor ist.

Mit dem Bericht über meine Erlebnisse will ich die Menschen warnen und aus ihrer vorsätzlich herbeigeführten Gleichgültigkeit aufwecken. Edward Bernays, der Begründer der modernen Propaganda, beschrieb dieses Phänomen als "die bewusste und intelligente Manipulation der Gewohnheiten und Meinungen" von demokratischen Gesellschaften durch eine "unsichtbare Regierung".

Wie viele Leute haben erkannt, dass der Dritte Weltkrieg bereits begonnen hat? Derzeit ist es noch ein mit Lügen und Ablenkungsmanövern geführter Propagandakrieg; wenn nach einer fehlerhaften Befehlsübermittlung die erste Rakete aufsteigt, kann sich das schlagartig ändern.

"Eine Welt ohne Atomwaffen": Obamas herzzerreißender Strom von Phrasen

2009 hat Präsident Obama im Zentrum Prags im Herzen Europas vor begeistert applaudierenden Zuhörern "eine Welt ohne Atomwaffen" versprochen. Die Menschen jubelten, und einige weinten sogar vor Freude. Obamas herzzerreißender Strom von Phrasen wurde von den Medien weltweit verbreitet und hat ihm den Friedensnobelpreis eingebracht.

Aber Obama hat die Welt getäuscht und belogen. In Wirklichkeit hat sich die Obama-Regierung mehr Atomwaffen, mehr Atomsprengköpfe, mehr atomare Waffensysteme und mehr Atomwaffenfabriken verschafft. Unter Obama wurde mehr Geld für Atomsprengköpfe ausgegeben als unter jedem anderen US-Präsidenten. In insgesamt 30 Jahren sollen allein dafür mehr als 1 Billion Dollars verschwendet werden.

Eine neue "Mini-Atombombe" wurde entwickelt. Es handelt sich um das Modell B61-12. Atombomben mit so geringer Sprengkraft hat es bisher nicht gegeben. General James Cartwright, der früher Stellvertretender Chef des US-Generalstabes war, meinte dazu: "Die Wahrscheinlichkeit, dass diese 'Mini-Nukes' tatsächlich eingesetzt werden, ist größer geworden."

Größter Truppenaufmarsch unter US-Führung an Russlands Westgrenze seit dem Zweiten Weltkrieg

In den letzten 18 Monaten hat der größte Truppenaufmarsch seit dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden – unter Führung der USA entlang der Westgrenze Russlands. Seit Hitlers Überfall auf die Sowjetunion wurde Russland nicht mehr so demonstrativ von so vielen ausländischen Soldaten bedroht.

Die Ukraine, die früher zur Sowjetunion gehörte, ist zum Tummelplatz für die CIA geworden. Erst hat Washington einen Staatsstreich in Kiew inszeniert und kontrolliert jetzt das mit Nazis durchsetzte russlandfeindliche Regime. Prominente ukrainische Parlamentarier sind die politischen Nachkommen der berüchtigten Faschisten von OUN und UPA. Sie bekennen sich auch heute noch offen zu Hitler und fordern die politische Verfolgung und Ausweisung der Russisch sprechenden Minderheit. Darüber wird im Westen kaum berichtet, weil diese Wahrheit vermutlich absichtlich unterdrückt werden soll.

In Lettland, Litauen und Estland – an der Türschwelle Russlands – marschiert das US-Militär mit Kampftruppen, Panzern und schweren Waffen auf. Auch diese gefährliche, gegen die zweitstärkste Atommacht der Welt gerichtete Provokation wird im Westen totgeschwiegen. Die Gefahr eines Atomkriegs wird noch dadurch erhöht, dass sich eine parallel betriebene US-Kampagne gegen China richtet.

Selten geht ein Tag vorüber, an dem China nicht als "Bedrohung für die USA" bezeichnet wird. Admiral Harry Harris, der Kommandeur des U.S. Pacific Command, wirft China vor, im Südchinesischen Meer "eine Mauer aus Sand" zu errichten.

Damit meint er die Aufschüttung von Start- und Landebahnen auf den Spratly-Inseln und heizt damit einen Streit zwischen China und den Philippinen an, der nur entstanden ist, weil Washington und das Pentagon Manila mit der Propaganda-Kampagne "Freiheit der Meere" unter Druck gesetzt hat.

In Wirklichkeit geht es darum, dass US-Kriegsschiffe ungehindert in den Küstengewässern Chinas patrouillieren und die Schifffahrt überwachen können. Wie würden wohl die USA reagieren, wenn chinesische Kriegsschiffe vor der Küste Kaliforniens das Gleiche täten?

Für meinen Film "The War You Don't See" (Der unsichtbare Krieg [https://vimeo.com/67739294]) habe ich bekannte Journalisten aus den USA und aus Großbritannien interviewt: Reporter wie Dan Rather von CBS, Rageh Omaar von BBC, und David Rose vom Observer.

Sie alle bestätigten mir, dass Hunderttausende Kinder, Frauen und Männer noch leben könnten, wenn Journalisten und Fernsehmoderatoren ihren Job gemacht und die Propagandalüge über Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen entlarvt hätten, mit der George W. Bush und Tony Blair 2003 den Überfall auf den Irak gerechtfertigt haben.

Auch die Propagandalügen, mit denen ein Krieg gegen Russland und/oder China gerechtfertigt werden soll, werden kritiklos weiterverbreitet. Nach meiner Kenntnis hat bisher kein für die westlichen Mainstream-Medien arbeitender Journalist nachgefragt, warum China Flugplätze im Südchinesischen Meer baut.

Tödliche Einkreisung Chinas mit US-Militärbasen

Dabei ist die Frage ganz leicht zu beantworten. Die USA haben China mit einer ganzen Kette von Militärbasen eingekreist, auf denen ballistische Raketen, Atombomber und Kampftruppen stationiert sind.

Diese tödliche Einkreisung reicht von Australien über die Marshallinseln, die Marianen und Guam im Pazifik, über Okinawa, Südkorea, die Philippinen, Thailand und Indien bis nach Afghanistan. Dass die USA eine Schlinge um den Hals Chinas gelegt haben, scheint die Mainstream-Medien nicht zu interessieren. Auch dieses Schweigen im Blätterwald gehört zum Propagandakrieg.

2015 haben die USA und Australien unter strengster Geheimhaltung und dem Tarnnamen "Talisman Sabre" das größte See- und Luftmanöver der letzten Jahre durchgeführt. Dabei ging es darum, Seewege wie die Straße von Malakka und die Lombokstraße zu blockieren, um China den Weg zu Öl, Gas und anderen lebenswichtigen Rohstoffen im Mittleren Osten und in Afrika abzuschneiden.

Trump von den Medien zur Hassfigur gemacht

In der Zirkusvorstellung, in der die US-Präsidentschaftskandidaten gekürt werden, wird Donald Trump als Irrer und Faschist dargestellt. Er führt sicher wirre Reden, aber die Medien haben ihn erst zur Hassfigur gemacht. Das sollte uns stutzen lassen.

Trumps Ansichten über Flüchtlinge sind grotesk, aber nicht grotesker als die des britischen Premiers David Cameron. Außerdem hat nicht Trump den Flüchtlingsstrom verursacht, sondern der Friedensnobelpreisträger Barack Obama. Ein ansonsten eher liberaler Kommentator hat Trump vorgeworfen, die in den USA "schlummernde Gewalt entfesseln zu wollen". Die ist doch längst entfesselt!

In den USA erschießen mit Waffen hantierende Kleinkinder ihre Mütter, und die Polizei führt einen mörderischer Krieg gegen schwarze US-Amerikaner. Die US-Regierung hat mehr als 50 zum Teil demokratisch gewählte Regierungen gestürzt und mit ihren Militärinterventionen im Mittleren Osten und Afrika Millionen Menschen umgebracht oder zu Flüchtlingen gemacht.

Kein anderer Staat kann den US-Rekord bei Gewalttaten brechen Die meisten US-Kriege – vor allem die gegen wehrlose kleine Länder – wurden nicht von republikanischen, sondern von demokratischen Präsidenten angezettelt: von Truman, Kennedy, Johnson, Carter, Clinton und Obama.

1947 hat der National Security Council der USA "die Umformung der Welt nach nach dem Vorbild USA" als höchstes Ziel der US-Außenpolitik festgelegt. Damit erschuf er die Ideologie des "messianischen Amerikanismus". Wir sollen alle US-Amerikaner werden. Ketzer und Abweichler müssen unterworfen, bestochen, bekehrt oder ausgerottet werden.

Nicht von Trump, von Hillary Clinton geht die größere Gefahr für die Welt aus

Donald Trump ist ein Paradebeispiel für diese Art Politik, er ist aber auch ein Außenseiter. Er hat die Invasion des Iraks als Verbrechen bezeichnet und will keinen Krieg mit Russland und China anfangen. Nicht von Trump, von Hillary Clinton geht die größere Gefahr für die Welt aus. Sie ist keine Außenseiterin. Sie verkörpert die Flexibilität eines totalitären Systems, das den US-Herrschaftsanspruch hinter einer liberalen Fassade verbirgt, ihn aber trotzdem mit brutaler Gewalt durchsetzen will.

Vor dem Wahltag wird Hillary Clinton als erste Frau im Präsidentenamt hochgejubelt werden, trotz erwiesener Lügen und Verbrechen. Barack Obama wurde ja auch als erster schwarzer Präsident gefeiert, und die Liberalen haben ihm sein Gerede vom "Change" (Wechsel) geglaubt. Vermutlich wird Frau Clinton mit den Stimmen der Frauen siegen.

Owen Jones, ein Kolumnist des Guardian, hat Obama bescheinigt, "humorvoll, charmant und so cool wie kein anderer Politiker" zu sein. Erst kürzlich hat dieser nette Herr Obama in Somalia 150 Menschen von Drohnen abschlachten lassen. Die New York Times hat berichtet, dass der coole Präsident die Liste mit den Kandidaten, die für den Abschuss durch Drohnen freigegeben sind, immer dienstags unterschreibt.

Als sich Hillary Clinton 2008 um die Präsidentschaft bewarb, kündigte sie an, den Iran mit Atombomben "auslöschen" zu wollen. Als Außenministerin unter Obama war sie am Sturz der demokratischen Regierung in Honduras beteiligt. Auch bei der Zerstörung Libyens im Jahr 2011 hat sie begeistert mitgemacht. Als der libysche Staatschef Oberst Gaddafi mit US-Unterstützung öffentlich erstochen wurde, verkündete Frau Clinton voller Schadenfreude: "Wir kamen, sahen und er starb."

Eine der engsten Verbündeten Hillary Clintons ist Madeleine Albright, eine ehemalige US-Außenministerin, die junge Frauen angegriffen hat, weil sie "Hillary" nicht genügend unterstützen würden. Diese berüchtigte Madeleine Albright hat im Fernsehen verkündet, der durch die US-Sanktionen verursachte Tod von 500.000 irakischen Kindern sei "den Preis wert gewesen".

Zu den eifrigsten Unterstützern der Frau Clinton gehören die Israel-Lobby und die Rüstungsindustrie, die von den Kriegen im Mittleren Osten profitiert. Frau Clinton und ihr Gatte verdanken ihr Vermögen auch der Wall Street. Als Kandidatin der Frauen soll sie den vom Mainstream zum Dämon hochstilisierten Trump verhindern. Sie wird auch von bekannten Feministinnen wie Gloria Steinem in den USA unterstützt.

In der vorherigen Generation entstand eine postmoderne Strömung, die jetzt als "Identitätsstiftung" bezeichnet wird; sie hindert liberal gesinnte intelligente Menschen daran, die Entwicklungen und Personen zu hinterfragen, die sie unterstützenswert finden. Deshalb erhielten und erhalten Bauernfänger wie Obama und Frau Clinton oder angeblich progressive Bewegungen wie Syriza in Griechenland so viel Zulauf, obwohl sie die Leute betrügen und eine menschenfeindliche Politik betreiben.

Die Beschränkung auf die eigene Person und der Rückzug ins Privatleben haben viel zu lange den Zeitgeist in privilegierten westlichen Gesellschaften geprägt und die großen kollektiven Bewegungen gegen Krieg, soziale Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Rassismus und Sexismus eingeschläfert.

Dieser Schlaf scheint jetzt zu Ende zu gehen. Die Jugend wird langsam wieder wach. Jeremy Corbyn, der neue Chef der Labour Party in Großbritannien, wird von Tausenden junger Menschen unterstützt – auch Senator Bernie Sanders in den USA. (Die neuen Hoffnungsträger werden aber vermutlich auch nichts ändern.)

John McDonnell, der Finanzexperte in Jeremy Corbyns Schattenkabinett, hat bereits angekündigt, auch eine Labour-Regierung werde überschuldete Privatbanken retten, also die bisherige Sparpolitik fortsetzen.

Und US-Senator Bernie Sanders will Frau Clinton unterstützen, wenn sie Präsidentschaftskandidatin (der Demokraten) wird. Er hat auch bisher schon für die Anwendung von Gewalt gegen andere Länder gestimmt, wenn er sie für "berechtigt" gehalten hat, und ist der Meinung, Obama sei "ein großartiger Präsident".

Es herrscht Grabesstille

In Australien wird eine Art Leichenhallen-Politik betrieben; die Medien beschäftigen sich nur mit den politischen Spielchen im Parlament, während Flüchtlinge und die Ureinwohner schlecht behandelt werden, und die Ungleichheit und die Kriegsgefahr wachsen. Die von Malcolm Turnbull geführte Regierung hat gerade ein "Verteidigungsbudget" von 195 Milliarden Dollar angekündigt, das natürlich der Kriegsvorbereitung dient. Und niemand regt sich darüber auf. Es herrscht Grabesstille.

Was ist aus der großen Tradition der Volksbewegungen außerhalb von Parteien geworden? Wo bleiben der Mut, die Vorstellungskraft und das Engagement, die notwendig sind, wenn wir eine bessere, gerechtere und vor allem friedlichere Welt schaffen wollen? Wo bleiben die Mitstreiter in Kunst, Film, Theater und Literatur? Wer hilft mit, das große Verschweigen zu brechen? Wollen wir warten, bis die erste Atomrakete gezündet wird?


Dies ist die bearbeitete Niederschrift einer Rede, die der australische Journalist und Dokumentarfilmer John Pilger an der University of Sydney gehalten hat.

Erstveröffentlichung der deutschen Übersetzung am 13.04.2016 bei LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein (dort mit zusätzlichen Hinweisen)
http://luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP05216_130416.pdf

Englischsprachiger Originalartikel:
A World War Has Begun. Break the Silence
Global Research, 22.03.2016
http://johnpilger.com/articles/a-world-war-has-begun-break-the-silence-


Online-Flyer Nr. 558  vom 20.04.2016



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