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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Globales
EU will prowestlichen Medienöffentlichkeit in Osteuropa aufbauen
Kalter Medienkrieg
Von Hans Georg

Mit einer eigens eingerichteten "Task Force" arbeitet die EU am Aufbau einer prowestlichen Medienöffentlichkeit in sieben Staaten Osteuropas und des Kaukasus, darunter Russland. Dies bestätigt die Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag. Demnach bemüht sich die "EU East Stratcom Task Force" um die Bildung von Netzwerken zu Journalisten in den Ländern der "Östlichen Partnerschaft" der EU und in Russland; außerdem werden "Kommunikationskampagnen" entwickelt, mit denen die Bevölkerungen dieser Staaten systematisch überzogen werden sollen. 

EU-Chefaußenpolitikerin Federica Mogherini bereitet Aktionsplan vor
NRhZ-Archiv 

Als spezielle Zielgruppen werden unter anderem "junge Menschen" und Akademiker genannt; insgesamt richtet sich die Aufmerksamkeit der EU-Task Force offenbar vor allem auf urbane Mittelschichten, die in weiten Teilen Osteuropas stark prowestlich orientiert sind und unter anderem die ukrainischen Majdan-Proteste maßgeblich getragen haben. Über die inhaltliche Ausrichtung der Aktivitäten, die offiziell als "Förderung der Medienfreiheit" deklariert werden, erklärt die Bundesregierung, es gehe "wie bei der Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen, Parteien, Verbänden etc." darum, die eigenen Positionen "der Öffentlichkeit zu vermitteln". Die Regierung bestätigt außerdem, dass die EU-Task Force die Osteuropa-Aktivitäten der Deutschen Welle mit Blick auf "mögliche Synergieeffekte" prüft. 

Strategische Kommunikation

Die Einrichtung der "EU Task Force" für die "strategische Kommunikation in Richtung der Länder der Östlichen Partnerschaft und Russland" ("EU East Stratcom Task Force") geht letztlich, wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke bestätigt, auf einen "Anstoß" der EU-Außenminister vom 29. Januar 2015 zurück. Am 19. März 2015 erteilte dann der Europäische Rat der EU-Chefaußenpolitikerin Federica Mogherini offiziell den Auftrag, einen "Aktionsplan für die strategische Kommunikation" mit Stoßrichtung gegen Moskau zu erstellen. Anfang April begann der von Mogherini geführte Europäische Auswärtige Dienst (EAD), die Task Force aufzubauen und den gewünschten "Aktionsplan" zu verfassen. Letzteren legte Mogherini am 22. Juni vor. Das Dokument beschreibt die Aufgaben der Task Force, die am 1. September offiziell die Arbeit aufgenommen hat. Formal ist sie dem EAD-"Referat für strategische Kommunikation" eingegliedert und umfasst rund zehn Mitarbeiter, die zuvor in den EU-Institutionen oder für EU-Mitgliedstaaten tätig gewesen sind. Die Bundesregierung weist ausdrücklich darauf hin, dass sie "Arbeitskontakte zu allen Mitarbeitern" der "EU East Stratcom Task Force" unterhält.[1] 

Klassische PR

Wie es im "Aktionsplan für die strategische Kommunikation" heißt, wird die "EU East Stratcom Task Force" nicht nur in der "Östlichen Partnerschaft" [2], sondern auch "darüber hinaus" tätig werden. Der Bundesregierung zufolge ist damit Russland gemeint. Der "Aktionsplan" sieht vor, dass die Task Force Materialien zu Themen verfasst, bei denen die Außendarstellung der EU zu wünschen übrig lasse oder bei denen Brüssel "Desinformationskampagnen" ausgesetzt sei.[3] Über die inhaltliche Ausrichtung bestätigt die Bundesregierung, es gehe "wie bei der Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen, Parteien, Verbänden etc." darum, die inhaltlichen Positionen der EU "gegenüber der Öffentlichkeit zu vermitteln" [4]; es handelt sich somit um klassische PR. Die "EU East Stratcom Task Force" wird ihre PR-Materialien der EU, deren Pressestellen, den EU-Delegationen und den Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen, heißt es im "Aktionsplan". Damit wird die Brüsseler Außendarstellung in ihren Inhalten straff zentralisiert. 

Kommunikationskampagnen

Die "EU East Stratcom Task Force" soll darüber hinaus "Kommunikationskampagnen" entwickeln, die je auf ein "Schlüsselpublikum" ausgerichtet sind und Themen behandeln, die für ihr Publikum "Bedeutung" haben, darunter auch "lokale Angelegenheiten". Als wichtige Zielgruppe benennt die Bundesregierung "die örtliche Bevölkerung". Der EU-"Aktionsplan" zählt weitere Zielgruppen auf: "junge Menschen", Akademiker (darunter Stipendiaten des Programms "Erasmus plus") wie auch Personen aus der "Zivilgesellschaft". Der Schwerpunkt liegt demnach auf urbanen Mittelschichten - Milieus, die in weiten Teilen Osteuropas ihre Aufstiegshoffnungen auf die Kooperation mit dem Westen setzen. Die ukrainischen Majdan-Proteste wurden zum großen Teil von urbanen Mittelschichten getragen.[5] 

Mediennetzwerke

Nicht zuletzt soll die "EU East Stratcom Task Force" Netzwerke zu Multiplikatoren in Osteuropa aufbauen, um "die Wirkung und die Effizienz ihrer Kommunikationsaktivitäten zu maximieren".[6] Als zentrale Bestandteile der Netzwerke werden "Journalisten und Medienvertreter" genannt; Ziel sei es, "die EU-Politik besser zu vermitteln", heißt es im "Aktionsplan". Journalisten aus der Region sollen Fortbildungen erhalten, "um sie besser in die Lage zu versetzen, über Themen von Bedeutung für die lokale Bevölkerung zu berichten". Zudem sollen sie mit Kollegen aus anderen osteuropäischen Staaten vernetzt werden. Darüber hinaus gehe es darum, "Kontakte zu Akteuren der Zivilgesellschaft aufrechtzuhalten", heißt es weiter im "Aktionsplan". Bei der Koordinierung sollten die EU-Delegationen in den Zielstaaten unterstützend tätig werden. Den Netzwerken werden ausdrücklich politische Aktivitäten zugedacht: Es gehe darum, "Reformbestrebungen vor Ort zu unterstützen", hält der "Aktionsplan" fest. Finanzielle Unterstützung wird dabei, wie die Bundesregierung erläutert, nicht über die EU-Task Force abgewickelt, sondern "über verschiedene Finanzinstrumente der Europäischen Kommission sowie durch einzelne Mitgliedsstaaten". 

Kooperation mit der NATO

Zu den Kooperationspartnern der "EU East Stratcom Task Force" gehört auch die NATO. Wie die Bundesregierung einräumt, arbeitet die Task Force mit dem Exzellenzzentrum für Strategische Kommunikation (Center of Excellence for Strategic Communication, CoE StratCom) in der lettischen Hauptstadt Riga zusammen. Zwar gebe es "bislang keine formale Kooperation", erklärt Markus Ederer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt: "Es wird jedoch für fachliche Zwecke und zum Informationsaustausch Verbindung gehalten." So übersende die "EU East Stratcom Task Force" "wöchentlich Berichte über russische Informationsaktivitäten an das CoE StratCom".[7] 

Wichtiger als Panzer

Der Bundesregierung zufolge prüft die "EU East Stratcom Task Force" auch eine Zusammenarbeit mit der staatsfinanzierten Deutschen Welle. Sie habe sich bereits "einen Überblick" über deren Osteuropa-Aktivitäten verschafft - mit dem Ziel, "mögliche Synergieeffekte zu identifizieren und damit zu stärkerer Kohärenz beizutragen", teilt Staatssekretär Ederer mit. Hintergrund ist, dass die Deutsche Welle unter anderem ihre Aktivitäten in den baltischen Staaten deutlich ausgeweitet hat - mit dem Ziel, dort die russischsprachigen Minderheiten zu erreichen, die insbesondere in Estland und Lettland massiv diskriminiert werden, oft enge persönliche Bindungen nach Russland unterhalten und deshalb als potenziell illoyal gelten (german-foreign-policy.com berichtete [8]). So hat die Deutsche Welle im Mai eine Kooperationsvereinbarung mit dem estnischen Staatssender ERR geschlossen, der zufolge die Deutsche Welle ihrem estnischen Vertragspartner russischsprachige Sendungen zur Verfügung stellen und ERR-Journalisten fortbilden wird. ERR hat nun am 28. September mit ETV+ den ersten russischsprachigen Fernsehkanal Estlands in Betrieb genommen. Wie berichtet wird, genießt ETV+ bei seinen Bemühungen, den Einfluss russischer Medien auf Estlands russischsprachige Minderheit zu brechen, die Unterstützung nicht nur der Deutschen Welle, sondern auch der NATO, die laut einem ARD-Bericht die technische Ausstattung eines Regionalstudios finanziert. Nicht ohne Grund: Wie der stellvertretende ERR-Intendant Ainar Ruussaar erklärt, kann "Journalismus heutzutage wichtiger sein ... als ein Panzer".[9] 

Auszüge aus dem "Aktionsplan für die strategische Kommunikation" finden Sie hier. Weitere Informationen zur NATO-PR gegen "russische Desinformation": Informationskrieg. (PK)

[1] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Neu, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Niema Movassat u.a. und der Fraktion Die Linke. Berlin, 22.10.2015.
[2] Die "Östliche Partnerschaft" der EU umfasst Belarus, die Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien und Aserbaidschan.
[3] Action Plan on Strategic Communication. Ref. Ares(2015)2608242 - 22/06/2015. Auszüge finden Sie hier.
[4] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Neu, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Niema Movassat u.a. und der Fraktion Die Linke. Berlin, 22.10.2015.
[5] S. dazu
Umsturz per Krise.
[6] Action Plan on Strategic Communication. Ref. Ares(2015)2608242 - 22/06/2015.
[7] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Neu, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Niema Movassat u.a. und der Fraktion Die Linke. Berlin, 22.10.2015.
[8] S. dazu Strategische Kommunikation.
[9] "Wichtiger als Panzer". www.tagesschau.de 26.10.2015.

Diesen Artikel haben wir mitr Dank von german-foreign-policy.com übernommen.

 



Online-Flyer Nr. 536  vom 11.11.2015



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