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Kultur und Wissen
NACHRUF auf einen Historiker des aufrechten Gangs
Zum Tod von Arno Klönne
Von Wolfgang Uellenberg-van Dawen

Wie keine andere Gruppe des Jugendwiderstandes gegen die NS Herrschaft sind heute in Köln die Edelweißpiraten in unserer Erinnerung präsent. Ihre erste Erwähnung als Gruppe junger Widerstandskämpfer fanden sie bereits 1957 in einem schmalen Buch „ Gegen den Strom“. Der junge Historiker Arno Klönne (4. Mai 1931 - 4. Juni 2015) hatte im Auftrag des hessischen Landesjugendringes Berichte und Dokumente über den Jugendwiderstand in Hessen und in gesamten Reich gesammelt und zu einer ersten umfassenden Darstellung der verschiedenen Richtungen, Gruppen und Aktionsformen zusammengefasst. Das reichte vom Widerstand der Arbeiterjugend, der jungen Sozialisten und Kommunisten über den Widerstand bündischer Jugend, jüdischer Jugend,  von Studentengruppen bis hin zu den wilden Jugendcliquen in den letzten Kriegsjahren.
 

Prof. Dr. Arno Klönne bei einem Vortrag 2008
Quelle: wikipedia/Ludger
Dieser Widerstand war die legitime Antwort auf den totalitären Machtanspruch des NS und seiner Jugendorganisationen vor allem der HJ und die zunehmende Repression gegen junge Menschen, die nicht dem Regime folgen wollten. Inwieweit der Widerstand der Edelweißpiraten explizit politisch war, ließ er offen: “Wohl aber sind auch die oppositionellen Jugendhorden in ihrer Mehrzahl insofern politisch gewesen, als sie in einer bewussten mehr als privaten Gegnerschaft zum System des NS Staates standen“ (Gegen den Strom S. 109).
 
Klönne rechnete sie zum Widerstand und es dauerte Jahrzehnte, ehe dies auch in Köln und anderswo anerkannt wurde. Selbst von der Jugendbewegung geprägt, hatte Arno Klönne bei Wolfgang Abendroth in Marburg studiert und über die HJ promoviert.
 
Sein 1982 erschienenes Buch "Die Hitlerjugend und ihre Gegner wurde zum Standardwerk über NS-Terror und Jugendwiderstand. Seit 1978 Professor für Soziologie an der Universität Paderborn befasste er sich mit der Geschichte der Arbeiterbewegung, der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus, mit Fragen der internationalen Politik.
 
Arno Klönne erforschte nicht nur das Zeitgeschehen, er gestaltete auch mit: als Sprecher der Ostermarschbewegung, Mitglied des Sozialistischen Büros und als kritischer Linker bis 2004 auch in der Sozialdemokratie. Er ergriff Partei, fühlte sich aber nie einer bestimmten Parteiräson verpflichtet und beurteilte mit kritischer Distanz die Entwicklung von SPD, KPD und ebenso der deutschen Gewerkschaften.
 
In seinem 1980 erschienen Buch zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung warnte er davor, Klassenkonflikte nur gedämpft wahrzunehmen und statt soziale Konflikte demokratisch auszutragen, sich nach der starken Hand zu sehnen. Gesellschaft, so Klönne, dürfe nicht mit Gemeinschaft verwechselt werden. Demokratie brauche den Streit, den Konflikt, den aufrechten Gang. In seiner ersten Publikation zum Jugendwiderstand hatte er dies so beschrieben „Es werden, immer wieder junge Menschen aufstehen, denen das Wort des Gewissens mehr gilt als die Anpassung an das gerade Opportune, denen das Recht mehr gilt, als die Drohung der Gewalt, denen die Freiheit mehr gilt als die Verlockung des gerade Mächtigen“. Dem fühlte er sich verpflichtet als kritischer Wissenschaftler wie als engagierter Demokrat. (PK)
 
Dieser Nachruf erschien im Kölner EL-DE-Info August - September 2015.
Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Historiker, war seit 1982 in verschiedenen Funktionen beim DGB tätig, 2001 bis 2008 DGB- Regionsvorsitzender der Region Köln, seit November 2008 Bereichsleiter Politik und Planung in der ver.di Bundesverwaltung Ressort 1. Schwerpunkte: Arbeits- Sozial- und Gesellschaftspolitik, Dienstleistungspolitik für Gute Arbeit, Verhältnis Gewerkschaften und Parteien, Geschichte der Arbeiterbewegung.


Online-Flyer Nr. 525  vom 26.08.2015



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