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Aktueller Online-Flyer vom 24. April 2024  

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Globales
Deutschland sucht mehr Kooperation mit Angola – wegen Erdöl, Gas und Waffen
Militärmacht in Afrika
Von Hans Georg

Parallel zu den eskalierenden Krisen in Griechenland und in der Ukraine und zur Beteiligung oder Einmischung in mehrere Kriege in der arabischen Welt forciert die Bundesrepublik ihre politischen und militärischen Einflussbestrebungen auch auf dem afrikanischen Kontinent. Am vergangenen Mittwoch ging in der angolanischen Hauptstadt Luanda das sechste "Deutsch-Angolanische Wirtschaftsforum" zu Ende, auf dem sich deutsche Konzerne um lukrative Geschäftschancen in dem aufstrebenden Boomstaat Angola bemühten. Während der deutschen Wirtschaft dort trotz hartnäckiger Bemühungen bislang noch kein wirklicher Durchbruch gelungen ist, ist Berlin bei der militärischen Kooperation mit Luanda schon einige Schritte weiter.
 

In Angola mit dabei: Parlamentarische
Staatssekretärin Brigitte Zypries (SPD)
Foto: spdfraktion.de, Susie Knoll /
Florian Jänicke
Ende 2014 schlossen beide Länder eine Vereinbarung über eine militärpolitische "Partnerschaft" ab; im März 2015 folgte eine gemeinsame Militärübung. Angola empfiehlt sich als nützlicher Verbündeter zur Umsetzung geostrategischer Interessen Deutschlands im subsaharischen Afrika: Es baut seit Jahren seinen militärischen Apparat massiv aus und stellt damit den bisherigen Anspruch Südafrikas, als kontinentaler Hegemon aufzutreten, in Frage.
 
Angolas Erdölboom
 
Angola gehört derzeit zu den aufstrebenden Wirtschaftsmächten und Boommärkten des afrikanischen Kontinents. Das Land ist der zweitgrößte Erdölproduzent Subsahara-Afrikas und konnte in den den letzten Jahren durch seine Ölexporte Deviseneinnahmen in Milliardenhöhe generieren. In den 2000er Jahren verzeichnete es durchschnittlich zweistellige Wachstumsraten und gehörte damit zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Zwar schwächte sich der Boom in der jüngsten Vergangenheit aufgrund der deutlich sinkenden Ölpreise etwas ab; nichtsdestotrotz verzeichnet das südwestafrikanische Land nach wie vor den größten Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen in Afrika. Über seine Vorkommen an Erdöl hinaus verfügt Angola auch über umfangreiche Gasreserven, die aber größtenteils noch nicht ausgebeutet werden. Schätzungen zufolge reichten die angolanischen Vorräte für die Förderung von Flüssiggas im Umfang von 6,8 Milliarden Kubikmeter pro Jahr für die nächsten zwei Jahrzehnte. Erste Lieferungen angolanischen Erdgases gingen bereits nach China, Brasilien und Südostasien.[1] Der Wirtschaftsaufschwung lässt die im Entstehen begriffene angolanische Erdölbourgeoisie auch immer selbstbewusster als Investor in Europa tätig werden. So besitzt die angolanische Ölgesellschaft Sonangol inzwischen große Anteile am portugiesischen Öl- und Gasbetreiber Galp Energia und an der portugiesischen Bank Millenium BCP.
 
Deutschland im Rückstand
 
Deutschland bemüht sich schon seit geraumer Zeit, seinen wirtschaftlichen Einfluss in Angola auszuweiten. Derzeit sind mehr als zwanzig deutsche Firmen in dem Land präsent, darunter die Frankfurter Commerzbank AG oder der schwäbische Technologiekonzern Bosch. Die Nürnberger Ingenieurfirma Gauff Engineering ist an der Planung einiger wichtiger Infrastrukturprojekte beteiligt. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass deutsche Unternehmen in Angola deutlich gegenüber ihrer internationalen Konkurrenz zurückbleiben. So gehören zu den wichtigsten Handelspartnern des Landes China und die ehemalige Kolonialmacht Portugal, gefolgt von den USA, Brasilien, Indien und Südafrika. Im Juni erhielt Angola von der Volksrepublik China einen Kredit im Umfang von 25 Milliarden US-Dollar; im Gegenzug versprach Luanda Beijing Zugriff auf große Landflächen.
 
Aufholbemühungen
 
Bei ihren Bemühungen, den Rückstand wettzumachen, wird die deutsche Wirtschaft tatkräftig von höchsten Regierungsstellen unterstützt. Vom Dienstag bis Mittwoch vergangener Woche fand in der angolanischen Hauptstadt Luanda das sechste "Deutsch-Angolanische Wirtschaftsforum" statt, bei dem regelmäßig Vertreter aus Politik und Wirtschaft beider Länder die Möglichkeiten einer engeren Wirtschaftskooperation ausloten. Im Fokus des diesjährigen Treffens stand die ökonomische Erschließung des angolanischen Gesundheits- und Energiesektors sowie der Infrastruktur und der Landwirtschaft; deutsche Unternehmen hoffen, die umfangreichen Einnahmen, die der angolanische Staat über das Erdölgeschäft realisiert und nun in umfangreiche Modernisierungs- und Kapitalisierungsprojekte investieren will, in lukrative Aufträge ummünzen zu können. Als Redner waren bei den diversen Panels des Forums unter anderem die angolanischen Minister des Wirtschafts-, Gesundheits-, und Energieressorts vertreten. Von deutscher Seite war eine hochrangige Delegation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter Leitung der Parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Zypries (SPD) vor Ort. Zu den Sponsoren gehörten der schwäbische Technologiekonzern Voith Hydro, Gauff Engineering und die Commerzbank AG. Zeitgleich fand in Luanda die Feira Internacional de Angola (Filda) statt, die größte Wirtschaftsmesse des Landes, bei der Deutschland dieses Jahr als Partnerland fungierte. In diesem Jahr werde "Deutschland mit einem Rekordwert von 28 Ausstellern auf mehr als 700 Quadratmetern vertreten sein", frohlockte der Lobbyverband "Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft" (AV).[2] Auch auf der Filda war die Bundesregierung durch Staatssekretärin Zypries samt Delegation vertreten.
 
Militärpolitische Kooperation
 
Konkretere Formen als die wirtschaftliche Zusammenarbeit beginnt mittlerweile die militärische Kooperation zwischen Berlin und Luanda anzunehmen. Letztes Jahr schlossen die Regierungen beider Länder eine Vereinbarung über eine militärpolitische Kooperation ab (german-foreign-policy.com berichtete [3]). Diese sieht unter anderem "das Führen von Gesprächen auf Verteidigungsebene sowie die regelmäßige Teilnahme an Seminaren" vor.[4] Anfang März dieses Jahres kam es nun zu einer gemeinsamen Boardingübung deutscher und angolanischer Marineinfanteristen im Hafen von Luanda auf der deutschen Fregatte "Brandenburg", die Teil des Einsatz- und Ausbildungsverbandes der deutschen Marine ist; die "Brandenburg" ankerte damals neben den Fregatten "Hessen" und "Karlsruhe" vor Luanda.
 
Juniorpartner
 
Die militärische und militärpolitische Kooperation ist Teil des Berliner Bestrebens, seinen geostrategischen Einfluss in Afrika im Bündnis mit regionalen Juniorpartnern in einer hierarchisch organisierten Arbeitsteilung auszubauen. In ähnlicher Weise verfuhr die Bundesrepublik in den letzten Jahren beispielsweise in Westafrika, wo sie über den Weg der "Ausbildungsunterstützung" etwa für ghanaische und malische Militärs ihren Einfluss auszuweiten suchte.[5] Das Bündnis mit Angola scheint für Deutschlands Expansionsbestrebungen besonders geeignet, da Luanda seinerseits im südlichen Afrika und darüber hinaus Führungsansprüche zu erheben beginnt und zu diesem Zweck seinen militärischen Apparat beständig massiv ausbaut. So erhöhte Angola sein Militärbudget von 3,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2010 auf 6,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2014. Beobachter der regionalen Verhältnisse rechnen damit, dass Angola bis 2019 seine Militärausgaben auf bis zu 13 Milliarden US-Dollar zu erhöhen beabsichtige.[6] Seit 2013 übertrifft der angolanische Militäretat denjenigen Südafrikas; laut dem German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg kann Angola inzwischen "als größte Militärmacht der Region" gelten.[7] Angesichts dieser Entwicklung beginnt Südafrika, das bislang als kontinentaler Hegemon aufzutreten suchte, seine Konzeptionen für das subsaharische Afrika derzeit in Abstimmung mit Angola umzusetzen. So schufen beispielsweise beide Staaten im Verbund mit der Demokratischen Republik Kongo 2013 einen trilateralen Mechanismus, mit dem die zentralafrikanische Region der großen Seen "befriedet" werden soll.
 
Waffenkäufer


General Geraldo Nunda
Quelle: http://fr.africatime.com/angola/
 
Mit seiner Aufrüstungsoffensive empfiehlt sich Angola auch gegenüber Deutschland als Alternative zu Südafrika, mit dem Berlin bislang eine vergleichsweise intensive militärische Zusammenarbeit pflegt. Pretorias Einbindung in das BRICS-Bündnis (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), das auf lange Sicht die Hegemonie des Westens herauszufordern beginnt, macht es aus deutscher Perspektive zunehmend zu einem unsicheren Kantonisten - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Auseinandersetzungen des Westens mit Russland. Zudem eröffnen die hohen Investitionen Luandas in militärische Aufrüstung der deutschen Rüstungsindustrie neue Perspektiven für lukrative Geschäfte. So fand im März dieses Jahres im Rahmen der gemeinsamen Militärübung in Luanda auch eine Industrieausstellung auf der Fregatte "Hessen" statt, auf der deutsche Rüstungskonzerne ihre Erzeugnisse feilboten. Anwesend waren unter anderem der Generalinspekteur der angolanischen Streitkräfte General Geraldo Nunda und der Staatssekretär für Industrie Gabriel Kiala, um sich persönlich von der wertvollen Qualität deutschen Kriegsgeräts zu überzeugen. (PK)
 
[1] Angola: Wirtschaft. Boomland des Kontinents. liportal.giz.de/angola/wirtschaft-entwicklung .
[2] Johannes Kurt: Afrikas ambivalenter Aufsteiger. Afrika Wirtschaft 2/2015, www.afrikaverein.de.
[3] S. dazu Militärpartner Angola.
[4] Ministerin trifft angolanischen Amtskollegen. www.bmvg.de 25.11.2014.
[5] S. dazu Kämpfe im Sahel (II) und Öl für Rüstungsexporte.
[6] Francisco Galamas: Oil Slump doesn't derail Angolas ambitious military spending. www.worldpoliticsreview.com 17.06.2015.
[7] Daniel Flemes, Elisa Seith: Südafrikas regionale Herausforderer. GIGA Focus 7/2014.
 
Diesen Artikel haben wir mit Dank von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59166 übernommen.


Online-Flyer Nr. 521  vom 29.07.2015



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