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Lokales
Evelyn Hecht-Galinski unterstützt Dr. Yavuz Özoguz mit Brief an OB
Jüdische Publizistin mischt sich ein
Von Wolfgang Bednarz – Nordwest-Zeitung, Delmenhorst

Der Streit um die Nutzung der Markthalle durch Dr. Yavuz Özoguz zieht weitere Kreise. Jetzt hat sich die Publizistin Evelyn Hecht-Galinski zu Wort gemeldet. – Evelyn Hecht-Galinski ist eine streitbare, wenn auch nicht unumstrittene Frau. Die im Schwarzwald lebende Publizistin, Tochter des ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Heinz Galinski, hat sich eingemischt in den Konflikt um die Nutzung der Delmenhorster Markthalle durch den Verein „Islamischer Weg“.

Delmenhorster OB Axel Jahnz (rechts) bei seinem Amtsantritt
Quelle: http://www.delmenhorst.de/
 
In einem per E-Mail auch an die Lokalpresse versandten Schreiben fordert Hecht-Galinski Oberbürgermeister Axel Jahnz dazu auf, dem Referenten Dr. Yavuz Özoguz „die Gelegenheit (zu) geben, für das friedliche Miteinander von Juden, Christen und Muslimen auch öffentlich einzutreten, wie er es stets getan hat“. Hecht-Galinski in ihrem Schreiben weiter: „Mir werden Sie sicherlich keinen Antisemitismus vorwerfen wollen, bin ich doch selbst eine deutsche Bürgerin mit jüdischen Wurzeln.“
 
Sie setze sich „seit Jahrzehnten für Gerechtigkeit für Palästinenser und gegen Islamophopie ein.“ Hecht-Galinski und Özoguz sind seit Jahren miteinander bekannt. Beide betonen, dass Kritik am israelischen Staat und seiner Politik legitim sein müsse. Hecht-Galinski: „Mit großem Unbehagen sehe ich, wie immer häufiger versucht wird, Antisemitismus und Antizionismus in einen Zusammenhang zu bringen, um so Israel-Kritik und Judenhass in Zusammenhang zu bringen.“
 

Evelyn Hecht-Galinski
NRhZ-Archiv
Für Oberbürger Jahnz indes steht fest: „Wer gegen die Existenz eines Staates ist, hat die Grenze überschritten“, sagte er auf Ð-Nachfrage. Womit er sich auf Äußerungen von Özoguz bezieht, die inhaltlich zumindest so gedeutet werden können. Jahnz weiter: „Ich werde auf jeden Fall mit der Markthallen-Nutzungssatzung in die politische Beratung gehen. Bis zum
Kommunalwahlkampf 2016 müssen wir eine klare Regelung für die Nutzung haben.“
 
Evelyn Hecht-Galinski ist den NRhZ-LeserInnen durch ihre regelmäßigen "Kommentare vom Hochblauen" bekannt. Ihr oben stehender Brief wurde nur teilweise vom Redakteur Wolfgang Bednarz in der Nordwest-Zeitung von Delmenhorst veröffentlicht. Deshalb veröffentlichen wir ihn jetzt zusammen mit dem von Dr. Yavuz Özuguz jetzt hier drunter. (PK)
 
 
Brief von Yavuz Özoguz vom 5. Juni an Oberbürgermeister Jahnz
 
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jahnz,
 
in den heutigen Medien lese ich folgende Sie betreffende Sätze „Für Oberbürger Jahnz indes steht fest: „Wer gegen die Existenz eines Staates ist, hat die Grenze überschritten“, sagte er auf NWZ -Nachfrage“. In aller Höflichkeit und mit allem Respekt bitte ich Sie, nicht den Fehler zu machen, den viele Menschen in Ihrer Position machen, weil sie einem politischen und medialen Druck nachgeben; zu urteilen, bevor Sie dem „Angeklagten“ jemals die Gelegenheit gegeben haben, sich zu verteidigen.
 
Obwohl ich Sie persönlich nicht kenne, bin ich mir absolut sicher, dass auch Sie einstmals gegen die Existenz des Apartheidstaates Südafrika waren. Nachdem der Rassenwahn überwunden ist, sind wir beide Unterstützer des Miteinanders aller Südafrikaner. Wie die Bürger Südafrikas ihren Staat nennen, ist deren eigenen Sache. Und genau so bin ich gegen die Existenz eines rassistischen Israel, bei dem Nichtjuden bestenfalls Bürger zweiter Klasse sein können. Das ist nicht nur ein Forderung der Menschlichkeit, sondern auch Basis unseres gemeinsamen Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
 
Dieses Prinzip ist ein islamisches Prinzip, dass ich mit aller meiner Menschlichkeit versuche zu verteidigen! Alle Menschen sind Träger des Geistes Gottes im Herzen, selbst wenn er nur unterschiedlich durchscheint. In dem Moment, in dem ein Staat seine eigenen einheimischen Bürger systematisch nicht gleichberechtigt behandelt, liegt ein Apartheidstaat vor. Israel ist nicht nur seit 70 Jahren Besatzungsmacht ohne Aussicht darauf, dass diese Besatzung jemals beendet wird. Auch die einheimischen nichtjüdischen Staatsbürger (darunter viele Christen) haben ideologisch bedingt erheblich geringere Rechte. Daher bin ich gegen die Existenz des Staates Israel in seiner heutigen Form, wie Sie aus vielen meiner Schriften deutlich herauslesen können. Ich wundere mich über deutsche Staatsbürger, die sich für Israel als „jüdischen Staat“ einsetzen, in dem andere Religionsanhänger und Ethnien bestenfalls geringere Rechte haben, und gleichzeitig behaupten, sie würden auf der Grundlage unseres eigenen Grundgesetzes stehen. Sobald in Palästina Juden, Christen, Muslime und andere gleichberechtigt leben können, bin ich der Letzte, der sich in irgendeiner Weise einmischen wird. Und wie dann die Bevölkerung ihren eigenen Staat nennt, ist allein deren Sache.
 
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister. Mir ist bekannt, dass Sie allein schon aus politischen Gründen glauben, nicht meiner höflichen Einladung zum Thema Islam nachkommen zu können und an der bevorstehenden Veranstaltung teilzunehmen. Aber ein Oberbürgermeister sollte Oberbürgermeister aller seiner Bürger sein. Glauben Sie ernsthaft, dass es in einer einzigen der drei großen Moscheen unserer Stadt oder unter einem einzigen praktizierenden Muslim der Stadt eine andere Auffassung zu Israel gibt, als ich Sie oben benannt habe? Warum kommen Sie nicht selbst vorbei und formulieren vor allen Bürgern und bei Anwesenheit der Presse genau Ihre oben zitierte Position, damit ich meine Position dazu erläutern kann und Sie ggf. widersprechen? Sie würden vielen muslimischen Bürgern der Stadt (die einzige wachsende Menschengruppe und Zukunft der Stadt) das Gefühl geben, dass sie trotz kritischer anderer Ansicht einen fairen Dialog suchen. Haben Sie keine Angst vor politischer Schelte aus bestimmten Kreisen. Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht Frieden in Delmenhorst wie in Israel, selbst wenn sie es nicht so laut formuliert, wie diejenigen, die zum Schutz des Apartheidstaates spalten wollen. Frieden ist nur dann möglich, wenn Juden, Christen, Muslime und andere gleichberechtigt miteinander leben, in Deutschland wie in Israel. In einem gleichberechtigten Deutschland wird die Mehrheit der Bevölkerung auch weiterhin das Land Deutschland nennen. Meine Wenigkeit selbst fühlt sich als Deutscher und ich trete stets für Deutschland ein!
 
Falls Sie den Mut aufbringen, an der Veranstaltung teilnehmen zu können, dann würden Sie u.a. von Maßnahmen erfahren, die der Islamische Weg e.V. im Laufe der Jahre in Kooperation mit unserem Vertrauenspolizisten in der Stadt ergriffen hat, die ganz Deutschland z.B. von der sogenannten Karikaturkrise geschützt hat, die dann später Dänemark ergriffen hat (mit allen den Exportschäden für jenes Land). Wir haben über diese Dinge noch nie zuvor öffentlich gesprochen! Sie könnten auch erfahren, wie wir in Kooperation mit unserem Vertrauenspolizisten möglicherweise Anschläge auf Atomkraftwerke in Deutschland verhindert haben und vieles andere mehr! Vor allem aber würden Sie den anwesenden Muslimen signalisieren, dass Sie Anhänger eines kritischen direkten Dialogs sind, anstelle einer vorurteilsbeladenen Kritik hinter dem Rücken von Betroffenen.
 
Ich verspreche Ihnen, dass ich ggf. Ihre Anwesenheit in KEINSTER Weise missbrauchen würde. Obwohl es zu den Höflichkeitsformen einer jeden Veranstaltung gehört, einen anwesenden Oberbürgermeister gesondert zu grüßen und zu ehren, und wir diese Form der Höflichkeit auch unterstützen, würde ich selbst darauf verzichten, damit kein falscher Eindruck entsteht. Ich würde auch nicht auf Sie zugehen, so dass Sie davon verschont bleiben, mir die Hand schütteln zu müssen. Sollten Sie aber nicht teilnehmen können, dann bitte ich Sie höflichst, zumindest eine Ihnen vertraute Person zu senden, der Ihnen Bericht erstatten kann.
 
Unabhängig davon, lädt die Gemeinde, die mir ihr Vertrauen ausgesprochen hat, Sie einmal recht herzlich zu einem Gespräch mit der Gemeinde (und ohne Presse) ein. Sie wären nicht der erste Politiker bei uns. Z.B. hat uns Oberbürgermeister Schwettmann vor seiner Wahl besucht und hat intensiv mit uns diskutiert. Obwohl niemand in unserer Gemeinde auf Landes- oder Bundesebene jemals die CDU wählen würde, hat unsere Gemeinde damals vermutlich nahezu geschlossen für Herrn Schwettmann gestimmt. Es wäre uns eine Ehre, wenn Sie zumindest dieser Einladung nachkommen würden.
 
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen den Segen Gottes und ein glückliches Händchen bei der Leitung einer Stadt, in der ein sehr hohes Potential zur Weiterentwicklung steckt, aber in der jenes Potential oft verpufft, weil bestimmte destruktive Kräfte aus Eignnutz die persönlichen Interessen höher werten als die Interessen der Gemeinschaft.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Dr. Yavuz Özoguz
Muslim Markt, Wissenschaftlicher Leiter der Enzyklopädie des Islam
Schilfweg 53
D-27751 Delmenhorst
 
 
Protestbrief für die Meinungsfreiheit, die auch immer die der Anderen ist!
Meinungsvielfalt ist ein kostbares Gut, das es zu bewahren gilt
 
An den Oberbürgermeister der Stadt Delmenhorst, Axel Jahnz
 
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jahnz,
 
aus den Medien habe ich erfahren, dass der mir bekannte Dr. Özoguz eine Informationsveranstaltung zum Thema Islam plant und der Vorsitzende der ortsansässigen jüdischen Gemeinde das verhindern will mit dem Argument, er wäre ein "Judenhasser". Ich selbst bin deutsche Publizistin und Autorin und setze mich schon seit Jahrzehnten für Gerechtigkeit für Palästinenser und gegen Islamophobie ein.
 
Aus diesem Grund habe ich mir auch das Lebensmotto meines Vaters Heinz Galinski zu eigen gemacht, welches lautete: "Ich habe Auschwitz nicht überlebt um zu neuem Unrecht zu schweigen".
Mit großem Unbehagen sehe ich, wie immer häufiger versucht wird Antisemitismus und Antizionismus in einen Zusammenhang zu bringen, um so Israel-Kritik und Judenhass in Zusammenhang zu bringen.
Besonders verwerflich ist dies seit die israelische Regierung versucht, durch den Anspruch auf Anerkennung als "Jüdischer Staat" eben Juden und Israel-Kritik zu verquicken, um sie so unmöglich zu machen, bzw. zu diffamieren.
Ich empfehle Ihnen dazu den Film Defamation des israelischen Filmemachers Yoav Shamir anzuschauen, der sich sehr aufschlussreich mit diesem Thema befasst (https://archive.org/details/Defamation).
Herrn Özoguz und seine Texte zu verschiedenen Themen, darunter auch die Palästina-Frage, kenne und verfolge ich seit mehreren Jahren. Es gehört bedauerlicherweise zu den Erscheinungsbildern unserer Zeit in Deutschland, dass Antizionismus von glühenden Zionisten mit Antisemitismus gleichgesetzt wird. Ziel dieser Gleichsetzung ist, Israels unmenschliche Politik zu schützen. Herr Dr. Özoguz ist zweifelsohne kein Judenhasser (was Sie allein an seiner langjährigen Bekanntschaft mit mir erkennen können). Und als Außenstehende plädiere ich dafür, die Aussage Voltairs nie zu vergessen: "Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen."
Ich habe keine Kenntnis darüber, ob Sie die Meinung von Herrn Dr. Özoguz verachten, aber auf jeden Fall sollten Sie ihm die Gelegenheit geben, für das friedliche Miteinander von Juden, Christen und Muslimen auch öffentlich einzutreten, wie er es stets getan hat. Gleichzeitig erlaube ich mir, Ihnen einen Blick auf meine eigenen Publikationen zu empfehlen, (siehe http://sicht-vom-hochblauen.de). Sie werden darin sicherlich erheblich deutlichere antizionistische Postionen finden, als bei Dr. Özoguz, aber mir werden Sie sicherlich keinen Antisemitismus vorwerfen wollen, bin ich doch selbst eine deutsche Bürgerin mit jüdischen Wurzeln. Deutsche Juden und deutsche Muslime können sich - bei allen Meinungsunterschieden im Detail - sehr gut miteinander verständigen. Es sind diejenigen, die unser gemeinsames Grundgesetz missachten, die für Unruhe sorgen. Darin heißt es in Artikel 3: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden." Genau das können wir in Deutschland leben, aber Nichtjuden im "Jüdischen Staat" nicht.
 
In diesem Sinn würde ich mich über eine Resonanz in Ihren Medien über die erfolgreich verlaufende Veranstaltung in Ihrer Stadt freuen. Daher habe ich eine Kopie dieses Schreibens auch an Ihre Lokalpresse geschickt.
 
Mit freundlichen Grüßen
Evelyn Hecht-Galinski
 


Online-Flyer Nr. 514  vom 10.06.2015



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