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Lokales
In Mülheim hinterlässt die bald scheidende OB einen riesigen Problemberg
OB Dagmar Mühlenfeld kandidiert nicht mehr
Von Lothar Reinhard

Frau OB Mühlenfeld tritt nun doch nicht mehr zur OB-Wahl im Herbst an. Sie schlägt den neuen SPD-Unterbezirksvorsitzenden Scholten als SPD-OB-Kandidaten vor. Von letzterem hat man in seinen fast 16 Jahren im Rat nichts gehört. Doch egal. Im folgenden Text der Versuch eines Lageberichts:

 
Frau Mühlenfeld ist nicht nur OB von Mülheim, der Heimatstadt u.a. von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, sie ist auch Mitglied des Präsidiums des deutschen Städtetags, des NRW-Städtetags und des Europäischen Rats der Regionen. Sie ist ferner Sprecherin des Städtebündnisses „Raus aus den Schulden – Für die Würde der Städte“.
 
Zuhause aber hinterlässt die bald scheidende OB einen riesigen Problemberg, z.B. die Folgen ihres wenig gelungenen Prestigeprojekts Ruhrbania mit vermurkster Verkehrsführung und dramatischem Niedergang der Innenstadt bis hin zu einer Haushaltskatastrophe sondergleichen. Letztere wurde noch verstärkt durch die Vielzahl von PPP- oder PPP-ähnlichen Umwegfinanzierungen (u.a. Medienhaus, große Schulen, Rathaus, Feuerwache, Haus der Wirtschaft, Haus der Stadtgeschichte usw.), was die Hyperverschuldung bereits eingeholt hat und auf Jahrzehnte zementiert. Den letztendlichen quasi-knockout gab ihrer Stadt aber die viel zu enge Bindung und Abhängigkeit vom abstürzenden RWE-Konzern. Die Stadt Mülheim besitzt relativ zur Größe viel, viel mehr RWE-Aktien als jede andere RWE-Stadt und ist auf vielfältige Weise mit dem RWE verbandelt, ob RWW, medl, Straßenbeleuchtung uswusf…
 
Der Absturz der RWE-Aktien hat schließlich die auch bilanzielle Überschuldung der Stadt bewirkt als einziger Großstadt weit und breit. Doch die Frage der Trennung vom RWE war bisher in Mülheim nicht einmal diskutierbar, auch weil u.a. Frau OB im erlauchten RWE-Aufsichtsrat sitzen durfte (mit Vergütungen von z.T. 200.000 €/Jahr für im Schnitt 4 Sitzungen).
 
Auch wenn in WAZ und NRZ jetzt positive Bilanzen der Mühlenfeld-Dekade gezogen werden, ist die wirkliche Bilanz ziemlich verheerend. Zu den o.g. strategischen Fehlentwicklungen kommen noch etliche schwerwiegende Fehler hinzu - etwa bei swaps und Währungsspekulationen, in der Personalpolitik, aber auch bei der Bedienung von Boden- und Immobilienhändlern und -spekulanten. Viele Schönheiten der Stadt wurden in der Mühlenfeld-Ära verkauft, abgerissen oder bebaut usw.. Sie verkündete vor Jahren: „Ohne Bagger keine Zukunft“ und all ihre Großprojekte mit bedenklicher Finanzierung lassen insgesamt keine wirkliche Vision von Urbanität erkennen. Zu Beginn war sie zudem heißer Verfechter des Metrorapid, der kurz später starb, und all die Jahre versuchte sie ferner krampfhaft, eine Option zum Ausbau des sterbenden Flughafens zu erhalten. Nicht zu vergessen, sie vereinbarte als SPD-Vorsitzende unmittelbar nach dem Yassine-Kauf mit der FDP von Frau Flach und der 1-Stimmen-Mehrheit im Rat per Überläufer Yassine die damalige sog. „strategische Allianz“, die ohne Schamfrist und unverzüglich den Flughafenausbau und die Verlängerung der Wüllenkemper-Verträge beschloss – im Mülheimer Alleingang gegen die Miteigentümer Stadt Essen und Land NRW.
 
Das vielleicht Schlimmste aber ist die erschreckende Aushöhlung der Demokratie, sowohl der repräsentativen wie der direkten, im Jahrzehnt der Regentschaft Mühlenfeld. Ihr häufiger Basta-Stil in Anlehnung an Schröder und Clement erinnerte oft an Demokratur und die Art und Weise, wie zwei höchst erfolgreiche Bürgerbegehren zu Ruhrbania bürokratisch als unzulässig abgewürgt wurden, war sehr negativ für die kriselnde Mölmsche Demokratie.
 
Ärgerlich war auch ihre sofortige Ablehnung der gleichzeitigen OB- mit der Kommunalwahl, kaum dass ihre SPD das im Land beschlossen hatte. Anders als z.B. in Gelsenkirchen oder Dortmund muss die leidgeprüfte Stadt Mülheim nun auch noch einen überflüssigen OB-Wahlkampf über sich ergehen lassen. Und das nur, weil Frau Mühlenfeld auf das von der Rüttgers-Regierung geschenkte eine zusätzliche Jahr mehr als OB nach 2009 nicht verzichten wollte. Dann zierte sie sich viele Monate zur Frage, ob sie wieder antreten werde, und nun verkündete sie von oben herab, dass nein. Was auch immer, den letztendlichen Ausschlag für ihren Abtritt gegeben hat oder haben mag, ist nebensächlich.
 
Der notorische MBI-Hasser Tost von der Rumpf-NRZ-Redaktion vermutet „natürlich“ die „Torpedierung der Bewerbung um den Sitz der Sparkassenakademie durch die MBI“. Auch das ist wieder einmal selbst sachlich falsch, denn auch die MBI haben die Bewerbung des Kaufhof ausdrücklich befürwortet, die mit VHS und MüGa-Teilen aber strikt abgelehnt, auch weil diese der Kaufhofbewerbung deutlich schadete. Doch die verbohrte NRZ will nicht eingestehen, dass die VHS-Bewerbung eine Riesen-Dummheit war.
 
Vielleicht tritt Frau Mühlenfeld ja auch nicht mehr an, weil sie keinen Schimmer hat, wie die riesigen bis gigantischen o.g. Probleme gelöst werden können. Zu allem Überfluss kommt ja noch das bedrohlich anstehende Schrumpfen wichtiger Betriebe in Mülheim hinzu, ob Siemens, Tengelmann, Brenntag, Gagfah usw., aber ebenso RWE und Karstadt direkt hinter der Stadtgrenze.
 
Frei nach Trappatoni wäre das Fazit „Wir haben fertig“ o.ä.. Stilistisch sauberer könnte man auch vermuten, dass Frau OB „mit ihrem Latein am Ende“ ist und deshalb das Feld räumt. (PK)
 
Lothar Reinhard ist Fraktionssprecher der Mülheimer BürgerInitiativen (MBI) im Stadtrat von Mülheim an der Ruhr.


Online-Flyer Nr. 497  vom 11.02.2015



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