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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Lokales
Die wichtigen Funktionen der VHS Mülheim Ruhr sind notwendiger denn je
Hände weg von unserer Volkshochschule!
Von Lothar Reinhard

Eine Woche nach dem Vorstoß des Baudezernenten, der wärmstens die Bewerbung des lange leerstehenden Kaufhofs für die Sparkassen-Akademie empfiehlt, präsentieren die Stadt Mülheim und ihre „Partner“ die detaillierten Pläne für ihre Gegen-Bewerbungen um deren Ansiedlung: Das VHS-Grundstück und das erweiterte Baufeld 4 von Ruhrbania. Die WAZ titelte am 5. August: "OB - Wir bieten das Beste, was wir haben"

Heinrich-Thöne VHS Mülheim an der Ruhr
Quelle: http://moodle.vhs-mh.de/
 
Recht hat die OB Dagmar Mühlenfeld. Frage nur: Wer ist „wir“, die dieses „Beste“ haben? Die Stadtspitze oder die Mehrheit der Bürger und Steuerzahler? Eine Schande eigentlich, dass nicht gefragt wird, was eigentlich für die Mülheimer Bürger „das Beste“ ist. Die lieben nämlich ihre VHS und genießen ebenfalls die nette Lage zum Schloss Broich, zur Müga und zur Ruhr. Außerdem will und kann keine/r sagen, wo dann die VHS hinziehen soll und was das die bankrotte Stadt kosten würde! Ein Unding!
 
Lassen wir die Bewerbung mit den verwaisten Ruhrbania-Plänen mal beiseite, so stellt die VHS-Bewerbung einen Affront gegen die Mülheimer/innen dar! Zugegeben: Der VHS-Standort zwischen Schloß, MüGa-Park und gegenüber der Stadthalle ist ein absolutes Filetgrundstück, wie man es selten findet. Doch auch die VHS hat dort einen fast idealen Standort für eine Volkshochschule, nämlich zentral und für alle gut zu erreichen. Wo sollte die VHS denn sonst hin? Dezentral in die Stadtteile? Was für eine Schnapsidee!
 
Damit ein anständiger Kurs angeboten werden kann, braucht man eine entsprechende Gruppengröße. Die erreicht man z.B. nicht so ohne weiteres in Heißen, Speldorf oder Saarn. Die VHS gehört an den zentralen Ort an die Bergstraße und sollte da bleiben, basta! Und sie sollte saniert werden, wenn nötig. Das schöne Gebäude ist von 1979, also recht jung und weder Asbest- noch PCB-verseucht. Man bekommt ohnehin den Eindruck, dass der Sanierungsstau groß geredet wird, um an das Grundstück heran zu kommen. Doch selbst wenn das nicht so wäre: Die Beseitigung und Ersatzbeschaffung würde die Stadt in Wirklichkeit viel teurer kommen als eine Sanierung, von dem nicht gut zu machenden Verlust an Attraktivität der Stadt für alle Bürger/innen ganz abgesehen!
 
Die MBI jedenfalls sind strikt dagegen, weiterhin die nächsten „Perlen“ der Stadt auch noch zu verscherbeln, die nämlich für ein lebenswertes Mülheim so wichtig sind. Bereits vor eineinhalb Jahren hatten die MBI den Antrag gestellt, eine Bestandsgarantie für die Mülheimer VHS zu beschließen, als die Geschäftsführerin Inge Kammerichs von der Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH (MST) dort ein Luxus-Hotel forderte. Leider stimmten SPCDFUGrüne dagegen. Der Heißhunger der Immobilien-Spekulanten auf diese Spitzenlage hatte wohl seine Wirkung gezeigt. Nachdem die Hotel-Idee der MST-Herrin nicht umsetzbar war, versucht man es nun mit der Bewerbung für die Sparkassen-Akademie. Wenn das nicht klappt, hat man für viel städtisches Geld bereits den ungefähren Grundstückspreis ermittelt. Na denn...
 

MST-Geschäftsführerin Inge Kammerichs (Mitte)
in der Stadthalle
Quelle: www.stadthalle-muelheim.deersetzen. 
Ganz nebenbei: Was dieses stetig wieder-kehrende Gerede von der Aufgabe der VHS, wofür auch immer, für die Beschäftigen und auch die Lernenden und sonstigen VHS-Nutzer für eine verheerend demotivierende Wirkung hat, muss wohl nicht besonders erwähnt werden, ist aber bereits allein gesehen unverantwortlich! 
 
Und warum die Sparkassen-Akademie nicht im Kaufhof ansiedeln, so denn Mülheim überhaupt eine Chance hat, den Zuschlag zu bekommen? Das wäre unzweifelhaft ein wichtiger, dringend benötigter Impuls für die schwer notleidende Mülheimer Innenstadt! Mal wieder soll „das Beste“ der Allgemeinheit entzogen werden und die städtebaulich und für die Stadt finanziell mit Abstand beste Möglichkeit, deren Bewerbung die Stadt zudem nichts kostet, dafür in ihren Chancen geschmälert werden. Unglaublich!
 
Ein Jahr lang wurde heiß diskutiert, ob die Stadt die Kaufhofruine aufkaufen solle oder ob sie gar als Ankermieter ganze Ämter dorthin umlagern solle, um dem weiteren, rasanten Niedergang der Mülheimer Innenstadt entgegen zu wirken. Nun hat sich mit der Bewerbung für die Sparkassen-Akademie zumindest eine theoretische Möglichkeit für eine sinnvolle Neunutzung ohne städtische Gelder ergeben, und da macht just die Stadt selbst mit „dem Besten“, was sie noch hat, Konkurrenz!
 

OB Dagmar Mühlenfeld (SPD)
NRhZ-Archiv
Man glaubt das alles kaum. Was um Himmels Willen hat die OB Mühlenfeld geritten, das mitzumachen oder gar noch zu forcieren? Auch SPD, CDU, FDP, AfD und Grüne, die das im Rat am 3. Juli auch noch befürworteten, scheinen nicht ganz zu wissen, was sie taten. Oder vielleicht doch.
 
Die Stadtspitze lässt nun über den Sozialdezernenten Ernst in der NRZ vom 9. August verkünden, dass die VHS gestärkt würde, wenn sie in Kooperation mit den Nachbarstädten Essen und Oberhausen neu aufgestellt werde, auch weil in allen 3 Standorten ein/e neue/r Leiter/in gesucht wird. Mal abgesehen davon, dass die Kooperationsbereitschaft in allen anderen Punkten insbesondere von der Mülheimer Seite eher gegen Null tendiert (man denke nur an das jahrelange Gehampel mit dem Mülheimer Versuch eines Extrawegs zu ÖPNV und Straßenbahnen), ist es erstaunlich, dass just bei der VHS mit interkommunaler Kooperation „ernst“ gemacht werden soll.
 
Die wichtigen Funktionen der VHS z.B. bei Weiterbildung und Qualifizierung von Hartz IV-Empfängern, Schulabbrechern usw. sind notwendiger denn je und allein die dringend gebotenen Sprach- und Integrationskurse für die zunehmende Zahl an Zuwanderern muss und kann sinnvoll nur vornehmlich von der VHS geleistet werden. Da der gesamte Rest der Infrastruktur der Ruhrgebietsstädte nicht interkommunal organisiert ist, angefangen bei ÖPNV-Tickets über Sozialagentur oder ARGE oder Ausländerämter u.v.m., wäre es fatal, bei der überfälligen interkommunalen Zusammenarbeit just an den sensibelsten Stellen anzufangen, die, wenn überhaupt, erst später drankommen dürften!
 
Unabhängig davon bietet die VHS eine beliebte und hervorragende Möglichkeit für Veranstaltungen aller Art, für Tagesseminare usw.. Es gibt im Vergleich zu früher nicht mehr viele, nachdem auch der Handelshof seinen großen Raum nicht mehr nutzen kann. Die Stadthalle z.B. ist eine ganz andere Liga mit ihren Betriebs- oder Parteiversammlungen.
 
Es klingt hohl, wenn der Sozialdezernent in der NRZ sagt „Wir müssen mit den Angeboten zu den Menschen gehen“. Vor allem aber klingt es wie der krampfhafte Versuch, eine Rechtfertigung für das Anbieten des hoch attraktiven Standorts für völlig andere Zwecke zu finden.
 
Im Ansatz hat wohl auch die WAZ inzwischen erkannt, welche Brisanz die Bewerbung mit dem Volkshochschulstandort in sich birgt. Der heutige Wochenkommentator sieht das vollkommen richtig, wenn er schreibt: „Die Stadt hat das Areal in der Müga (Mülheims Garten an der Ruhr) zur Verwertung freigegeben, ohne dass öffentlich gesagt und hinreichend debattiert worden ist, wie es mit der VHS künftig weitergehen soll. Hier geht die Stadt den zweiten Schritt vor dem ersten. Das werden ihr viele Bürger krummnehmen. Und zwar zu Recht.“ Zu der eigentlich einzig vernünftigen Schlussfolgerung, die Volkshochschule am heutigen Standort gefälligst zu belassen, mag sich die WAZ dann aber doch nicht vorwagen. Das würde „natürlich“ auch die Frage aufwerfen, was die OB Dagmar Mühlenfeld und in ihrem Gefolge nahezu alle Ratsfraktionen geritten haben kann, der Bevölkerung die VHS wegnehmen zu wollen für eine wahrscheinlich nicht unbedingt aussichtsreiche Bewerbung um die Sparkassen-Akademie und auch noch in Konkurrenz zum Kaufhof.
 
Aus dem aktuellen WAZ-Kommentar vom 9.8.14 mit dem Titel "Drei gute Bewerbungen und der feine Unterschied" (www.derwesten.de/staedte/muelheim/drei-gute-bewerbungen-und-der-feine-unterschied-aimp-id9683456.html) hier noch einige Zitate: Mülheim habe drei Bewerbungen für den Standort der Sparkassen-Akademie in den Ring geworfen: das private Areal vom Kaufhof, das Grundstück der VHS und das erweiterte Baufeld 4 von Ruhrbania. „Alle drei Grundstücke, keine Frage, bieten die zentrale Lage, die sich die Akademie wünscht – sowohl innerhalb einer Stadt als auch innerhalb Nordrhein-Westfalens. Es sind Filetgrundstücke im Herzen Mülheims. Und doch: Es gibt den einen, feinen Unterschied. Der liegt in der Bedeutung, die die Bewerbungen für die Stadtentwicklung haben. Da hat das Konzept, das für den Kaufhof entworfen worden ist, und da hat Bau- und Planungsdezernent Peter Vermeulen Recht, zweifellos seinen besonderen Charme… Hinzu kommt: Am Kaufhof-Standort wird das von der Akademie geforderte Hotelangebot direkt mitgeplant, an den anderen Standorten ist es lediglich als zusätzliche Option angeboten." Und für den Kaufhof-Standort sollen „die beliebte Gastro-Kette Vapiano und ein Lebensmittelmarkt (Rewe?) ihre festen Absichten für eine Ansiedlung verschriftlicht haben – Nahversorgung und Gastronomie in der Innenstadt würden gewinnen. Das ist auch das, was sich viele Bürger wünschen… Was sich viele Bürger nicht wünschen: die Ungewissheit, was aus der Volkshochschule werden soll." (PK)
 
Lothar Reinhard ist Fraktionsvorsitzender der Fraktion Mülheimer BürgerInitiativen (MBI) im Stadtrat.


Online-Flyer Nr. 471  vom 13.08.2014



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