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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Inland
Deutschlands Verantwortung – Teil I
Neue Strategien für ein altes Machtspiel
Von Sabine Schiffer

Aus allen Kanälen dröhnt es gleichzeitig. Nicht erst Ex-Pfarrer Joachim Gauck hat es auf den Punkt gebracht. Auch Ursula von der Leyen stößt ins gleiche Horn und mit ihr Frank Walter Steinmeier. Deutschland solle mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, entsprechend seiner wirtschaftlichen Kapazitäten, zur Wohlstandswahrung, ja, und natürlich nicht primär mit militärischen Mitteln. Nun erkennt das Unterbewusstsein Verneinungen nicht, und so dürfte hängen bleiben, dass wir uns nun weltweit militärisch „verteidigen“ sollen – den Wohlstand eben – und das vollkommen grundgesetzwidrig.

Joachim Gauck (rechts) und Peter-Michael Diestel nach der letzten Wahl zur Volkskammer der DDR (1990)
Quelle: Bundesarchiv/Foto: Peer Grimm
 
Bereits auf der sog. „Münchener Sicherheitskonferenz“ hat das politische Dreigestirn diese neue Staatsdoktrin heraufbeschworen. Sich alle mehr oder weniger auf ein Strategiepapier der Stiftung Wissenschaft und Politik (1) berufend, wird dem Einmischen in der Welt das Wort geredet. Wobei es genügend Einmischung ja schon unterhalb der militärischen Ebene gibt. Nicht erst in der sog. Krisenbewältigung, wenn Stiftungen und Think Tanks ihre PR-Spezialisten entsenden, um angebliche Graswurzel-Bewegungen zu unterstützen – wie zuletzt in der Ukraine – beginnt die Intervention. Eigentlich beginnt diese bereits mit den Wirtschaftsstrukturen, wozu nun noch die sog. Freihandelsabkommen dem ganzen asymmetrischen System ein i-Tüpfelchen aufsetzen. Ob TTIP oder TISA, es wird in der Tat notwendig sein, die Folgen der asymmetrischen Weltwirtschaft durch mehr Überwachung von Mensch und Migration einzudämmen. Und dazu sind spätestens seit der NATO-Doktrin von 1999 militärische Optionen angedacht. An den Strukturen will man offensichtlich nichts ändern. Die sind für die jetzt Mächtigen einfach zu lukrativ.
 
Die Verselbständigung der NATO hat so langsam ihren Endpunkt erreicht, nicht die Ausweitung, wie man am Gerangel um die Ukraine gerade sehen kann. Aber in Sachen Handlungsfähigkeit scheint die NATO, wer immer das auch genau ist, den Ton anzugeben. Die EU bietet nun offensichtlich den zweiten Teil des politischen Unterbaus für die supranationale Organisation, die sich gerne als Weltpolizei sieht. Den anderen Teil des Unterbaus bildet die USA, die mit dem Saceur freilich die wichtigere Personalie kontrolliert, als die EU, die gewohnheitsmäßig den öffentlich auftretenden Generalsekretär stellt.
 
„Freiheit“ ist inzwischen zu einem Signalwort geworden für ein bestimmtes Wirtschaftssystem, den Abbau von Demokratie und Menschenrechten, die Ausweitung von Überwachung – natürlich zum Schutz vor Terrorismus – und zum Entsenden eigener Soldaten zur „Rettung der Welt“. Unser Bundespräsident, der sich in der Rolle als Freiheitskämpfer geriert, zeigt so langsam sein wahres Gesicht: das eines Kämpfers – der sich gerne das PR-Mäntelchen der „Freiheit“ umhängt.
 
Angesichts unserer historischen Erfahrungen erschüttert die Kriegsrhetorik, die der vor 100 Jahren und weniger kaum nachsteht. Das wichtigste Mittel der Propaganda ist dabei leicht zu erkennen: das stete Wiederholen. (PK)
 
(1) www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/projekt_papiere/DeutAussenSicherhpol_SWP_GMF_2013.pdf
 
Sabine Schiffer (* 1966) ist eine deutsche Sprachwissenschaftlerin und Medienpädagogin. Im November 2005 gründete sie das unabhängige Institut für Medienverantwortung (IMV) in Erlangen, das sie bis heute leitet und mit freien Mitarbeitern betreibt. Erstveröffentlichung dieses Artikels aus einer dreiteiligen Serie im Deutsch-Türkischen Journal. 


Online-Flyer Nr. 471  vom 13.08.2014



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