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Inland
Protest gegen NRW-Wissenschaftsministerin wegen "Hochschulreform"
Mehr Demokratie wagen!
Von Peter Kleinert

Der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi), die GEW-Studis NRW, der Arbeitskreis Bildung und Erziehung von attac Köln sowie der Arbeitskreis Zivilklausel Köln fordern demokratische Hochschulen im Dienst der Öffentlichkeit statt hierarchische Hochschulen im Dienst der Wirtschaft. Sie widersprechen den am 16. Juli in der taz veröffentlichen Äußerungen der NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) zur Transparenz bei Forschungsprojekten.
 

NRW-Wissenschaftsministerin
Svenja Schulze (SPD)
Quelle: wikipedia
Spätestens mit Beginn der Auseinandersetzung um die Offenlegung des Drittmittelvertrages zwischen der Bayer AG und der Uni Köln entzündete sich ein öffentlicher Streit über Intransparenz bei Forschungsprojekten, die von Drittmittelgebern mitfinanziert werden. Der im Herbst 2013 vorgelegte erste Entwurf der Landesregierung für ein neues Hochschulgesetz in NRW sah hier eine neue Regelung vor: Titel, Geldgeber und Förderungssumme sämtlicher Projekte sollten grundsätzlich veröffentlicht werden. In ihrem zweiten Entwurf hat die Landesregierung nun den Forderungen von Wirtschaftsverbänden und Hochschulleitungen nachgegeben: In Zukunft sollen Informationen über Forschungsprojekte nur noch veröffentlicht werden, wenn die Geldgeber zustimmen. Zudem soll eine Veröffentlichung erst nach Beendigung der Forschungsprojekte stattfinden. Der aktuelle Regierungsentwurf schreibt damit den Vorrang partikularer Interessen gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit fest: Transparenz soll nur geschaffen werden, solange die Geldgeber nach eigener Auskunft keinen Nachteil daraus haben. Bisher fand auf Grund des Informationsgesetzes NRW zumindest eine Abwägung zwischen Geschäftsinteressen und den Interessen der Allgemeinheit statt – im Zweifel durch ein Gericht. Das Gesetz soll im September dieses Jahres beschlossen werden.
 
Dazu Oswald Pannes von attac Köln: „Die neue Regelung wäre ein klarer Rückschritt gegenüber der aktuellen Lage. Sie bedeutet einen Primat der Wirtschaft über das Allgemeinwohl, der sich mit den weiterhin gesetzlich verbürgten Zugriffs- und Einflussrechten der Wirtschaft in den Hochschulräten zu massiver Dominanz verbindet.“ Felix von Massenbach vom Arbeitskreis Zivilklausel Köln ergänzt: „Geheimhaltung behindert Kooperation im Wissenschaftsprozess und damit Erkenntnisfortschritt. Zudem wird die öffentliche Debatte über die Ziele der Wissenschaft eingeschränkt. Konkret würde z. B. behindert, dass Rüstungsforschung ans Licht kommt und diskutiert werden kann. Damit widerspricht die neue Intransparenzregelung dem im Gesetzentwurf gefassten Anspruch, dass die Hochschulen Beiträge zu einer friedlichen und nachhaltigen Entwicklung leisten sollen.“
 
Wissenschaftsministerin Svenja Schulze begründete diesen Schritt im Interview mit der taz u. a. damit, dass 99,9% der Kritiker an ihrem ersten Gesetzentwurf sich gegen transparente Forschung ausgesprochen hätten. Dazu Stefan Brackertz von den GEW-Studis NRW: „Die von der Ministerin erwähnten angeblichen 99,9% repräsentieren nur eine kleine Minderheit: Wirtschaftsverbände und die nicht demokratisch gewählten Hochschulleitungen. Die Mehrheit der Hochschulmitglieder und ihre Vertretungen – von Gewerkschaften, Studierendenvertretungen, Personalvertretungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen bis zum Hochschullehrerbund NRW – setzen sich dagegen für Hochschulen ein, die der Öffentlichkeit und nicht finanzkräftigen Geldgebern verantwortlich sind. Sie fordern dafür die vollständige Transparenz bei Drittmitteln und die Redemokratisierung der universitären Selbstverwaltung.“
 
Auch bei der Frage der Demokratisierung der Hochschulen entspricht der Gesetzentwurf der Landesregierung eher den Wünschen von Hochschulleitungen und Wirtschaft. Die Hochschulräte, in denen Wirtschaftsvertreter überproportional vertreten sind, bleiben die höchsten Entscheidungsgremien der Hochschulen. Die demokratischen Gremien der Selbstverwaltung der Hochschulen sind diesen weiterhin untergeordnet. Torsten Bultmann vom Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler meint dazu: „Statt eine Abkehr von der neoliberalen Hochschulreform des ehemaligen FDP-Wissenschaftsministers Pinkwart aus dem Jahr 2007 zu vollziehen, bleibt es beim wissenschaftswidrigen Top-down-Management. Damit die Hochschulen zu einer sozialen, zivilen und demokratischen Entwicklung beitragen können, müssen sie statt unternehmerisch wieder demokratisch verfasst werden. Die NRW SPD täte gut daran, sich an ihren Anspruch aus den 70er Jahren zu erinnern: Mehr Demokratie wagen!“ (PK)
 
Kontakt: Agnes Kamerichs, agneskamerichs@gmx.de, 0176-63834559


Online-Flyer Nr. 469  vom 30.07.2014



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