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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Inland
Auch die katholische Militärseelsorge wirbt für den Einsatz von Kampfdrohnen
Die Ära der Drohnen
Von Hans Georg

Die katholische Militärseelsorge der Bundeswehr wirbt für die Beschaffung und den Einsatz von Kampfdrohnen. Die Institution unterhält ein "Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften" (ZEBIS), das vor kurzem ein "E-Journal" zum Thema im Internet freigeschaltet hat. Dort finden sich fast ausschließlich Beiträge von Wissenschaftlern und Offizieren, die die Kriegsführung mittels bewaffneter Unmanned Aerial Systems (UAS) unterstützen.

Krater nach US-Drohnenangriff in Pakistan
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Besonders hervorgehoben werden dabei zwei "Vorteile" des Einsatzes von UAS: Zum einen seien diese aufgrund der ihnen attestierten "Präzision" geeignet, als "Kollateralschäden" bezeichnete zivile Todesopfer zu vermeiden. Zum anderen könnten Drohnen die Gefährdung der eigenen Soldaten minimieren, da sie aus großer Distanz gesteuert werden. Ein Luftwaffengeneral der Bundeswehr bezeichnet die Gegner von UAS sogar als "unmoralisch" und "zynisch" und wirft ihnen vor, die kämpfende Truppe bewusst unnötigen Risiken auszusetzen. Thematisiert wird außerdem der Befund, dass Militärs, die Drohnen lenken, aufgrund der von ihnen zu verantwortenden Gewalttaten psychisch erkranken. Als "Gegenstrategien" empfehlen die Autoren des katholischen Internetportals unter anderem das systematische "Trainieren" seelischer "Widerstandsfähigkeit" - sowie die Behandlung mit Psychopharmaka.
 
Ethik und Militär
 
Im Vorfeld der für Ende dieses Monats im Verteidigungsausschuss des Bundestages anberaumten Expertenanhörung zum Thema "Kampfdrohnen" hat die katholische Militärseelsorge der Bundeswehr eine neue Online-Publikation ins Leben gerufen. Das E-Journal, dessen erste Ausgabe sich ebenfalls mit bewaffneten Unmanned Aerial Systems (UAS) befasst, trägt den Titel "Ethik und Militär - Kontroversen der Militärethik und Sicherheitskultur". Als Herausgeber firmiert das von der katholischen Kirche in Hamburg eingerichtete "Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften" (ZEBIS), das gemeinsam mit der evangelischen Militärseelsorge den für alle Soldaten der Bundeswehr obligatorischen "Lebenskundlichen Unterricht" konzipiert. Nach eigenen Angaben wendet sich das ZEBIS insbesondere an "Angehörige der Streitkräfte in Führungsverantwortung" sowie an "Multiplikatoren und Multiplikatorinnen der ethischen Bildung". Man wolle die "Wahrnehmungs- und Identifikationskompetenz für moralische Probleme im Kontext militärischen Handelns und sicherheitspolitischer Entwicklungen stärken und im ethischen Diskurs argumentationsfähig machen", heißt es.[1] An eine wirkliche Kontroverse ist dabei allerdings offenbar nicht gedacht. So lobt die Direktorin des ZEBIS, Veronika Bock, in ihrem Editorial zu "Ethik und Militär" explizit die Fähigkeiten bewaffneter UAS: "Menschliches Versagen ist nicht mehr länger eine Fehlerquelle und präzise Kriegsführung mit Kampfrobotern reduziert Kollateralschäden."[2]
 
Drohneneinsatz: "moralische Verpflichtung"
 
Eine ähnliche Argumentationslinie verfolgt auch der unmittelbar an Bocks Vorwort anschließende Beitrag. Ronald Arkin, Forschungsprofessor am College of Computing der Georgia Tech-University, führt darin eine ganze Reihe von Gründen an, warum seiner Ansicht nach UAS zur "Verringerung von Todesfällen und Verletzungen bei Zivilisten" beitragen. So müssten Maschinen nicht nach dem Grundsatz verfahren "Erst schießen, dann hinterfragen", wenn sie ein Ziel nicht genau identifizieren könnten, da bei ihnen die eigene Sicherheit im Unterschied zu Soldaten nicht im Vordergrund stehe. Zudem seien Roboter mit einer "breite(n) Auswahl an Sensoren" ausgerüstet und daher für die "Gefechtsfeldüberwachung" weit besser geeignet als Menschen: "Man darf davon ausgehen, dass Robotiksysteme in Zukunft in der Lage sein werden, den Kriegsnebel wirkungsvoller zu durchbrechen, als Menschen es je könnten." Auch seien Maschinen nicht empfänglich für Stress oder Emotionen, die "die Urteilskraft trüben oder in Wut und Frustration über Geschehnisse auf dem Schlachtfeld münden könnten". Da umgekehrt die "Begehung von Kriegsverbrechen" oftmals aus "überwältigende(n) Frustrationsgefühle(n)" der kämpfenden Truppe resultiere, hält Arkin den Einsatz "autonome(r) Systeme" in letzter Konsequenz nicht nur für militärisch sinnvoll, sondern für eine "moralische Verpflichtung".[3]
 
Steigende Kriegsbereitschaft: "ethischer Vorteil"
 
Analog argumentiert der israelische Philosoph Daniel Statman von der Universität Haifa in seinem Beitrag. Auch er verweist auf die vermeintliche Präzision von Kampfdrohnen, deren Einsatz "weniger zivile Opfer" fordere als eine konventionelle Kriegsführung mit Panzern oder Hubschraubern. Zudem biete der Drohnenkrieg weitere "erhebliche ethische Vorteile": Da der Einsatz von UAS das "Risiko für die eigenen Soldaten" verringere, steige weltweit die Bereitschaft zur "Beteiligung an humanitären Interventionen im Rahmen von Kriegen". Gleichzeitig ermöglichten Drohnen "eine effektive Reaktion auf einen wahrgenommenen Angriff ohne die gleichzeitige Inkaufnahme eines großflächigen Kriegs". Da UAS außerdem weit "kostengünstiger als bemannte Luftfahrzeuge" seien, könnten die "eingesparten Mittel" in Bereiche wie "Bildung" oder "soziale Gerechtigkeit" investiert werden. Statman schließt mit folgendem Fazit: "Auch wenn bei Annahmen über die Zukunft immer Vorsicht geboten ist, scheinen mir Feldzüge mit Drohnen im Vergleich zu den großen Schlachten der Vergangenheit weitaus menschenwürdiger zu sein. Im Vergleich zu Bomben, Marschflugkörpern und insbesondere Massenvernichtungswaffen könnte die Drohne durchaus als echtes Versprechen auf ethischen Fortschritt in die Annalen der Kriegsführung eingehen."[4]
 
Drohnengegner: "zynisch"
 
Dieselben Argumente bemüht auch der Inspekteur der deutschen Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, in seinem Aufsatz. Für ihn ist es daher "moralisch geboten", die eigenen Soldaten "bestmöglich auszustatten". Wie Müllner ausführt, könne er "keinen moralischen Mehrwert" darin erblicken, der kämpfenden Truppe "einen technischen Vorteil bewusst vorzuenthalten, nur um dadurch vermeintliche 'Ritterlichkeit' auf dem Gefechtsfeld zu erzwingen" - im Gegenteil: "Entsprechende Forderung an unsere Soldatinnen und Soldaten halte ich für äußerst unmoralisch und in höchstem Maße zynisch."[5]
 
Drohnenforschung "nicht behindern"
 
Demgegenüber nehmen sich die wenigen in der Online-Publikation der katholischen Militärseelsorge enthaltenen kritischen Beiträge recht zurückhaltend aus. So votiert etwa Stephen Goose von der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" lediglich für ein vorbeugendes Verbot "vollautonomer Waffensysteme", die keiner menschlichen Steuerung mehr bedürfen. Die von seinen Koautoren umfänglich gepriesenen "Vorteile" der Drohnenkriegsführung erkennt Goose durchaus an - und verweist darauf, dass diese "auch mit autonomen Systemen erzielt werden können, die noch immer entscheidend von Menschen kontrolliert werden". Die von der Rüstungsindustrie und staatlichen Forschungseinrichtungen massiv vorangetriebene Entwicklung von UAS will der Menschenrechtsaktivist gleichfalls keiner Beschränkung unterworfen sehen: "Mit der Forderung nach einem Verbot der Entwicklung vollautonomer Waffen soll die allgemeine Forschung zu militärischen Robotern, zur Autonomie von Waffensystemen oder zur vollständigen Autonomie im zivilen Bereich nicht behindert werden."[6]
 
Psychopharmaka gegen "Gefechtsstress"
 
Abschließend thematisiert die erste Ausgabe des E-Journals "Ethik und Militär" den Befund, dass diejenigen, die als "Operators" Drohnen steuern, zunehmend an einer sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkranken. Hieraus wird allerdings nicht der Schluss gezogen, die Kriegsführung mittels UAS zu beenden; vielmehr entwerfen die Autoren "Strategien", die den erklärten Zweck verfolgen, "die Schwere der psychologischen Beeinträchtigungen, die im Allgemeinen nach einem Gefecht auftreten, zu verhindern, zu behandeln oder zu verringern". Eine ganze Reihe davon führt Michael Matthews, Professor für Ingenieurpsychologie an der Militärakademie der USA, in seinem Beitrag auf. So sollten potenzielle Drohnenbediener unter anderem vorab darauf untersucht werden, ob sie möglicherweise "für belastungsbezogene Reaktionen prädisponiert" sind - etwa durch Drogenmissbrauch oder einen "Hintergrund der unzulänglichen familiären oder gesellschaftlichen Einbindung". Auch bedürfe es eines systematischen "Trainierens" der "Widerstandsfähigkeit gegen Gefechtsstress". Helfe dies nicht, blieben immer noch "psychopharmakologische Behandlungsmöglichkeiten", erklärt Matthews - freilich nicht, ohne auf ein grundsätzliches Dilemma zu verweisen, mit dem sich auch die Militärseelsorger der Bundeswehr konfrontiert sehen: "Krieg war stets ein moralisch gefährliches Unternehmen und wird es auch immer bleiben."[7]
 
[1] Reinhold Bartmann: Grußwort. www.ethikundmilitaer.de.
[2] Veronika Bock: Editorial. In: Ethik und Militär - Kontroversen der Militärethik und Sicherheitskultur 1/2014. www.ethikundmilitaer.de.
[3] Ronald C. Arkin: Vollautonome letale Waffensysteme und Kollateralopfer. In: Ethik und Militär - Kontroversen der Militärethik und Sicherheitskultur 1/2014. www.ethikundmilitaer.de.
[4] Daniel Statman: Drohnen, Roboter und die Moral des Krieges. In: Ethik und Militär - Kontroversen der Militärethik und Sicherheitskultur 1/2014. www.ethikundmilitaer.de.
[5] Karl Müllner: Ferngesteuerte Luftfahrzeuge - maßgeschneiderter und besserer Schutz für unsere Soldaten im Einsatz. In: Ethik und Militär - Kontroversen der Militärethik und Sicherheitskultur 1/2014. www.ethikundmilitaer.de.
[6] Stephen Goose: Die Notwendigkeit eines präventiven Verbots vollautonomer Waffen. In: Ethik und Militär - Kontroversen der Militärethik und Sicherheitskultur 1/2014. www.ethikundmilitaer.de.
[7] Michael D. Matthews: Stress bei Drohnenpiloten: Posttraumatische Belastungsstörung, Existenzkrise oder moralische Verletzung? In: Ethik und Militär - Kontroversen der Militärethik und Sicherheitskultur 1/2014. www.ethikundmilitaer.de.
 
Zum Thema "Kampfdrohnen" finden Sie bei www.german-foreign-policy.com auch Die Ära der Drohnen (I), Die Ära der Drohnen (II), Die Ära der Drohnen (III), Die Ära der Drohnen (IV), Die Ära der Drohnen (V), Die Ära der Drohnen (VI), Hunter-Killer-Missionen (I), Hunter-Killer-Missionen (II), Dynamischstes Segment, Mehrwert in allen Fähigkeitsdomänen und Der Klub der Drohnen-Nutzer.
 
Den aktuellen Beitrag finden Sie unter http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58897
 


Online-Flyer Nr. 465  vom 02.07.2014



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