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Kommentar
Arbeiten die NATO-Staaten für Obama bereits an der Kriegsschuldfrage?
Der "Westen" und Russland
Von Karl-Jürgen Müller

Die Deutschen lehnen mehrheitlich die Hetze gegen Russland ab. Das scheint jedoch die Macher der deutschen Leitmedien nicht zu kümmern. Im Gegenteil, die unerträgliche Medienhatz gegen Russland und die Politik seiner Regierung geht unvermindert weiter und wird von Tag zu Tag verschärft.
 

Friedensnobelpreisträger Obama -
noch mit Diplom und Medaille
NRhZ-Archiv
Was wird damit bezweckt? Offensichtlich glauben die Medienmacher immer noch, die penetrante Wiederholung von Lügen würde dazu führen, dass diese irgendwann doch noch geglaubt würden. Die "Experten" der "Massen"beeinflussung halten an diesem Mantra seit fast 100 Jahren fest und dokumentieren damit, was sie von ihren Mitbürgern halten – nämlich gar nichts. Und denen sollen wir folgen? Ganz offensichtlich gibt es Kräfte, die eine weitere Eskalation der Situation in der Ukraine und in Osteuropa wollen und die dazu die Leitmedien eingespannt haben. Man muss nicht lange darüber nachdenken, woher diese Kräfte kommen. Ganz sicher sitzen sie in Washington D.C.
 
Die Staaten der NATO und vor allem die USA - mit ihrem Friedensnobel-preisträger Obama -, das hat Kishore Mahbubani(1), der ehemalige Botschafter Singapurs bei den Vereinten Nationen, betont, befinden sich im Niedergang. Vieles weist aber darauf hin, dass der "Westen" einen friedlichen Weg des Wandels in der Welt noch nicht akzeptiert, sondern den Weg der Aggression gewählt hat. Nur für die USA macht ein großer Krieg einen "Sinn" – man mag dieses Wort kaum benutzen, weil es Wahn"sinn" ist. Die US-Amerikaner glauben: Wir haben uns zweimal mit einem Weltkrieg wirtschaftlich "gesund" gestoßen. Aber auch dieses Wort gehört in Anführungszeichen gesetzt, weil der Weg so furchtbar krank und die Frage interessant ist, wer wirklich das "Wir" ist.
 
Die USA, vor dem Ersten Weltkrieg noch eine eher unbedeutende Macht mit imperialen Ambitionen in Lateinamerika und im Pazifik, wurden nach dem Ersten Weltkrieg eine Weltmacht, deren Finanz- und Wirtschaftsinteressen nach der ganzen Welt griffen. Der Zweite Weltkrieg und dessen Ergebnis potenzierte dies. Und heute? Die USA stehen vor dem wirtschaftlichen Abgrund. Das einzige, was sie noch zur Verfügung haben, ist ihre Geheimdienst- und militärische Macht. Noch immer geben die USA fast soviel für ihr Militär aus wie der ganze Rest der Welt zusammen. Das Militärpotential der USA ist nach wie vor verheerend vernichtend und wartet auf seinen Einsatz.
 
Umso besser also, so die zynische und menschenverachtende Denkweise, wenn der Kriegsschauplatz weit weg ist. Und was macht es schon, wenn Europa danach ein Trümmerfeld ist? Das war auch 1918 und 1945 so. Die USA haben daran sehr gut verdienen können. Ich gebe zu: Das ist etwas holzschnittartig. Aber jeder muss darüber nachdenken, wer heute ein Interesse an einem großen Krieg haben könnte.
 
Wie sieht es mit Russland aus? Russland befindet sich in einer schwierigen innenpolitischen Situation. Die Regierung Putin ist seit fast 15 Jahren bemüht, das nach 1991 und vor allem durch die USA stark geschwächte, geplünderte und destabilisierte Land wieder aufzubauen und zusammenzuhalten. Das ist nicht einfach. Aber genau darauf konzentriert die russische Politik ihre Kräfte. Ein großer Krieg könnte das Erreichte zunichte machen. Russland hat diese geschichtliche Erfahrung. Russlands Regierung hat sich entschieden, nicht den Fehler der Sowjetunion zu wiederholen und im Wettrüsten mit den USA mithalten zu wollen. Russlands militärische Anstrengungen gelten der Abschreckung. Der Preis für einen Angreifer soll so hoch sein, dass er ihn nicht riskiert. Am besten lässt man die Zahlen sprechen: Laut dem Institut SIPRI gaben die USA im Jahr 2013 offiziell 640 Milliarden Dollar für die Rüstung aus, bei Russland waren es 87,8 Milliarden US-Dollar.(2) Russland kann kein Interesse daran haben, einen Krieg gegen die USA zu führen.
 
Wer aber einen Krieg will, der denkt auch darüber nach, wer danach bezahlen soll. Seit dem Ersten Weltkrieg spielt die Kriegsschuldfrage dabei die entscheidende Rolle. Alle Kriegsparteien waren bemüht, dem Kriegsgegner die Schuld am Krieg zuzuschieben. Heute wissen wir, dass die wissenschaftliche Forschung, die alle Dokumente zur Hand hat, zu anderen Ergebnissen gekommen ist als die Kriegsparteien und deren mediale Sprachrohre. Das wird auch in der Gegenwart nicht anders sein. Trotzdem arbeitet der Westen bereits an der Kriegsschuldfrage, und zwar äußerst heftig.
 
Dass die Völker Europas auch dieses Mal keinen Krieg wollen, ist offensichtlich. Warum sollten sie auch. Sie wissen genau, dass sie es sind, die den hohen Preis zu zahlen haben, dass sie diejenigen sind, die geopfert werden. Auch die Medienhetze der letzten Wochen und Monate hat die Völker nicht umstimmen können. Das hat die Medien sehr aufgebracht. Sie verhöhnen ihre Leser, bezeichnen sie von oben herab als "Russland-Versteher". Und nun wird auch ganz offen die Kriegsschuldfrage angesprochen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" titelte am 26. April auf der ersten Seite: "Russland will den Dritten Weltkrieg anzetteln". Die Zeitung zitiert den ukrainischen Politiker Jazenjuk, der sich anmaßt, Präsident des Landes sein zu wollen. Warum tut die Zeitung das? Warum schreibt sie nicht, dass Jazenjuk offensichtlich jedes Maß verloren hat? Warum platziert sie stattdessen am selben Tag und auf derselben Seite einen Kommentar, der dem "Westen" Schläfrigkeit vorwirft – sinngemäß: "Ihr macht heute denselben Fehler wie die Westmächte vor dem Zweiten Weltkrieg". Kenner der Medienlandschaft wissen, dass diese deutsche Zeitung gerne Direktiven aus Washington D.C. entgegennimmt.
 
Man muss dem Monster die Maske abziehen. Noch ist es Zeit, etwas zu tun. Die Belege dafür, dass die USA kein Interesse daran haben, eine diplomatische Lösung des Konfliktes im Osten Europas zu finden, liegen vor. Das "Genfer Abkommen", das eine Chance für eine friedliche Lösung bietet, wurde von vornherein torpediert. US-Vizepräsident Biden reiste wenige Tage nach der Unterzeichnung des Abkommens nach Kiew und tat nichts dafür, die politischen Scharfmacher in Kiew zu mäßigen – im Gegenteil.
 
Europa muss sich von dieser US-Politik freimachen. Als US-Vasall in den Untergang gehen – ist das eine verlockende Perspektive? Sanktionen sind der erste Schritt in den Krieg. Schon damit wird das Völkerrecht gebrochen; denn der Weltsicherheitsrat hat sie nicht beschlossen. Niemand weiß, wie ein Krieg verlaufen und enden wird, wenn erst einmal die Waffen sprechen. Das haben zwei Weltkriege Europa gelehrt. Im Sommer 1914 wollten die Soldaten an Weihnachten wieder zuhause sein. Am Ende dauerte der Krieg mehr als 4 Jahre – und kostete 16 Millionen Menschen das Leben.
 
Wie kann den Kriegstreibern Einhalt geboten werden? Sicher nicht mit Fatalismus! Jeder Bürger ist gefordert. Denen "da oben" die Sache zu überlassen oder auf ein "macht"volles Stopp zu hoffen, wird nicht helfen. Der Kreativität der Vernunft, der Sittlichkeit und der Menschlichkeit sind keine Grenzen gesetzt. (PK)
 
(1) vgl. Kishore Mahbubani: Ein Blick auf China lehrt Klugheit im Umgang mit Russland; «Zeit-Fragen», Nr. 9, vom 22.4.2014
(2) Sam Perlo-Freeman, Carina Solmirano: Trends in World Military Expenditure 2013, SIPRI Fact Sheet April 2014
 
Karl-Jürgen Müller ist Berufsschullehrer in Konstanz und Mitarbeiter der Redaktion Zeit-Fragen.


Online-Flyer Nr. 456  vom 30.04.2014



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