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Medien
Tabu für deutsche Medien: DDR immer an der Seite von Nelson Mandela
USA und Bonn Jahrzehnte gegen den ANC
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Der große Gedenkveranstaltung und Trauerfeier für Nelson Mandela mit 100 Staatsgästen in Johannesburg am 10.12. wurde "zu einem der größten informellen Gipfeltreffen der politischen Geschichte", so André Scheer zutreffend in der "junge Welt". (1) Doch die freundliche Würdigung von Nelson Mandela aus dem Mund vom US-Präsidenten Barack Obama mussten sichtbare Distanz und Skepsis in Mandelas Frau, seinem engen Familienkreis und seiner Entourage bewirken. Hat sich Barack Obama jemals für das feindselige Verhalten entschuldigt, für den Verfolgungswahn seiner Vorgänger gegenüber dem großen Widerstandskämpfer des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC)?
 

Obama kondoliert Mandelas Witwe Grace Machel
Quelle: liveblog.t-online.de
New York Times und Chicago Tribune berichteten am 10.6.1990, die CIA habe dabei geholfen, dass Mandela von den südafrikanischen Sicherheitskräften aufgegriffen werden konnte. "Washington war damals mit dem Apartheidregime durch ein militärisches Kooperationsabkom- men eng verbunden. ... Der ANC und seine Führer wurden von der US-Administration offiziell zu "Terroristen" erklärt. Obwohl Mandela noch bis zum 1. Juli 2008 auf ihrer "Terrorism Watch List" geführt wurde, änderten die USA nach seiner Freilassung und dem Zusammenbruch des Apartheidregimes offiziell ihren Kurs. Der damalige Präsident George Bush behauptete, dass die US-Regierung immer den Kampf Mandelas gegen den Rassismus unterstützt und sich stets gegen seine Inhaftierung ausgesprochen habe. Diese Version verbreitet die offizielle US-Politik bis heute. Auch Barack Obama knüpfte an diese Lüge an." (2)
 
Rücksichtslos paktieren in der Tat US-Regierungen mit Autokraten und Diktatoren überall, nicht nur in Afrika, sondern auch in Lateinamerika und im Mittleren Osten, unterstützten Jahrzehnte lang ein Apartheid-Regime in Südafrika, organisieren kriminelle Militärputsche, um Regierungen, die ihnen nicht passen, gewalttätig zu stürzen, nahmen sogar die Zerstörung von Zentraleuropa im Kalten Krieg in Kauf, bereiten Kriege vor, wo es in ihrem Interesse erscheint. Die Aufarbeitung, die Analyse der deutsch-bundesrepublikanischen Rolle bei der Unterstützung des Apartheid-Regimes in Südafrika fehlt bis heute noch. Journalisten und Politiker befassen sich nicht mit der geschichtlichen Realität von Westdeutschland. Im Gegensatz dazu ist die ehrenvolle humanistische internationale Politik der DDR schätzen zu lernen. Es war die Deutsche Demokratische Republik, die sich zur Ehre Deutschlands dezidiert an die Seite von Nelson Mandela stellte und seinen mutigen Kampf gegen den Rassismus unterstützte. Ein Deutschland, das auf internationalen, universellen, humanistischen Prinzipien gegründet war, ein Deutschland, das heute leider nicht mehr existiert, aber heute noch Motiv für Ehre und Stolz vieler Deutscher und friedfertiger Menschen ist: Die Deutsche Demokratische Republik. Darüber zu sprechen oder zu schreiben ist aber im heutigen Deutschland tabu.
 
Die Deutsche Demokratische Republik betonte immer wieder den Weltfrieden, die Abrüstung und die humane Solidarität mit allen Unterdrückten. Diese Ansätze haben ihre Außenpolitik geprägt. Deshalb wurde die DDR mehrmals Mitglied des UN-Sicherheitsrates und sogar Präsident der Vollversammlung mit größter Unterstützung der Weltstaatengemeinschaft, ohne besondere Bestrebungen, ohne großes Aufheben, ohne Brimborium. Nicht aber die westdeutsche Bundesrepublik, die sich seit der sogenannten Wiedervereinigung 1990 auf eine aggressive Außenpolitik eingelassen hat. In der Tat ist die Bundesrepublik Deutschland seitdem in den Kreis der aggressivsten hegemonialen Staaten zurückgekehrt und weltweit in Militär- und Kriegseinsätze verwickelt. In dieser unehrenhaften Gesellschaft fühlt sie sich wohl und möchte mit mehr Gewicht offiziell agieren, und zwar im UN-Sicherheitsrat!
 
Die Kritik von Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, ist diesbezüglich absolut richtig: "Geschichtsvergessen sind die heuchlerischen Kondolenzbotschaften der Bundesregierung... Vertuscht wird hier, dass Unionspolitiker und deutsche Banken und Konzerne dem rassistischen Regime in Südafrika bis zuletzt eng verbunden blieben und dieses mit Waffen und Geldern stützten, als ein Großteil der UN-Staaten ihm bereits mit Boykottmaßnahmen entgegentrat.... Als Ehrengast des Rassistenregimes 1988 nannte Franz Josef Strauß, bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender die Abschaffung der Apartheid "unverantwortlich" und die Gleichstellung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit "nicht wünschenswert". Diese Rolle deutscher Politiker und der deutschen Wirtschaft bei der Unterstützung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch das Apartheidregime müssen endlich vollständig aufgearbeitet und Entschädigungsleistungen an die Opfer gezahlt werden." (3) "Abgeschrieben", JW, 10.12.)
 
Aber die Bundesregierung weiß sich auch nicht zu entschuldigen, weil sie kein Gewissen, kein Bewusstsein darüber hat, was Verbrechen, was Unmenschlichkeit ist. Zu den Heuchlern in Johannesburg gehörte auch der portugiesische Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva. Als damaliger portugiesischer Ministerpräsident formte er 1987 zusammen mit dem US-Präsidenten Ronald Reagan und der britischen Premierministerin Margaret Thatcher das unwürdige Dreieck westlicher Regierungschefs, das gegen eine Freilassung Nelson Mandelas aus dem Gefängnis Robben Island agitierte. Als die UN-Vollversammlung am 20. November 1987 eine ihrer zahlreichen Resolutionen gegen das südafrikanische Rassistenregime verabschiedete, votierten dagegen nur die Delegationen aus Lissabon, Washington und London. War Portugal 1987 der letzte Knecht Reagans und Thatchers in Sachen Apartheid, ist Lissabon heute der treueste Knecht von Angela Merkel. (4)
 
"Nelson Mandela kannte die Freunde des ANC (Afrikanischer National Kongress) in der schwersten Zeit ihres Kampfes, und die hießen - neben einer weltweiten Solidaritätsbewegung und neben anderen - UdSSR, DDR und in vorderster Reihe Kuba. Und, ja, auch das Libyen des Muammar Al-Gaddafi ist hier zu nennen." (5)
 
Im Gegensatz zu den europäischen Ländern waren und sind tatsächlich lateinamerikanische Länder wie Brasilien und Kuba enge und wahre Verbündete von Südafrika, weil sie den Kampf gegen Unterdrückung und Rassismus wirklich verstehen. Vor allem Kuba, "eine Nation, die die Folgen des Kolonialismus, der Sklaverei und der Rassentrennung überwindet... ein Land, das im Unabhängigkeitskampf geboren wurde, im Kampf um die Abschaffung der Sklaverei... Allein der Dialog und die Zusammenarbeit stellen den Weg für die Überwindung von Differenzen dar. Nur so ist ein zivilisiertes Nebeneinander aller möglich, auch wenn sie unterschiedlich denken. Mandelas Leben lehrt uns, dass nur die gemeinsamen Anstrengungen aller Nationen die Menschheit befähigen werden, die großen Herausforderungen zu meistern, welche ihre gesamte Existenz bedrohen." So der Präsident Kubas, Raúl Castro, auf der Trauerfeier in Johannesburg am 10.12. Man kann sich seiner Rede vollkommen anschließen.
 
"Kuba werde immer einen besonderen Platz im Herzen des südafrikanischen Volkes einnehmen, sagte mit Recht Nelson Mandela bei seinem Besuch in Havanna am 26. Juli 1991. Einheimische und kubanische Truppen hatten gemeinsam mit Kämpfern der Befreiungsbewegungen ANC aus Südafrika und SWAPO aus Namibia den eingedrungenen Truppen Pretorias eine vernichtende Niederlage bereitet. Dieser Sieg öffnete den Weg zum Ende der Apartheid und zur Befreiung Mandelas." (6)
 
Bezeichnenderweise gehört Südafrika zu den fünf BRICS-Staaten, aber kein einziger EU-Staat. Hier zeigt sich die enge politische Verbundenheit Brasiliens, Russlands, Indiens und Chinas mit Südafrika.
 
Natürlich ist die Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba längst fällig. Das erkennt sogar der SZ-Leitartikler richtig. Selbstverständlich ist die Zeit für eine grundsätzliche Wende in der Außenpolitik längst gekommen. Nicolas Richter könnte die Forderung nach dieser Wende stärker, umfassender und resoluter betonen, denn nicht nur "im Verhältnis zu Kuba versagt in den USA sowohl der pragmatische Instinkt als auch die Vernunft", wie er auch erkennt.
 
Sanktionen sind überflüssig und schädlich. Sie verursachen Hunger und Not bei den betroffenen Menschen. Dass die USA/EU unvernünftig darauf bestehen, ist nicht nur ein Zeichen ihrer diplomatischen Niederlage, sondern auch ein Zeichen ihrer weltweit destruktiven Außenpolitik und der Skrupellosigkeit westlicher Machthaber.
 
Unter Verweis auf 13 Jahre UNO-Sanktionen gegen den Irak und ein halbes Jahrhundert lang gegen Kuba, in beiden Fällen mit katastrophalen Auswirkungen auf die Bevölkerung, warnen Diplomaten ständig vor Wirtschaftssanktionen. Lähmende Sanktionen, verdeckte Aktionen und Militärschläge sind kriminelle Handlungen und müssen von der Politik und den Medien als solche gesehen und ausgeschlossen werden. Auch das ehemalige Oberhaupt der Katholischen Kirche, Sumo Pontifex Benedikt XVI. verurteilte die US-Blockade gegen Kuba, als er dieses Land im März 2012 besuchte. Die päpstliche Verurteilung der Wirtschaftssanktionen gegen die karibische Insel war zu erwarten und ist als grundsätzliche Ablehnung jeder Sanktionspolitik gegen welches Volk auch immer zu bewerten. Von allen Seiten nimmt deshalb derzeit der Druck auf das mächtigste Land der Welt zu, seine aggressive Politik gegenüber Kuba und anderen Völkern zu revidieren.
 
"Das größte Hindernis für eine amerikanisch-kubanische Entspannung ist freilich weder Obama noch Castro, sondern der Kongress in Washington, wo Ängstlichkeit und Provinzialität eine Heimat gefunden habe", signalisiert zutreffend der Journalist Nicolas Richter in seinem Leitartikel "Außenpolitik - Zeit für etwas Neues", in der SZ vom 12.12.. Solche engstirnigen Washingtoner Politiker haben die USA in eine blamable Isolation geführt. An der Seite der USA stand allein Israel gegen Kuba, als die Weltstaatengemeinschaft zum wiederholten Male mit der Verabschiedung einer UN-Resolution die Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba forderte.
 
Zur Schande für Israel blieb der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der Trauerfeier für Nelson Mandela fern. "Israel gehörte zu den Staaten, die das südafrikanische Apartheidregime stets unterstützt hatten. Als lebenslanger Kritiker der Apartheid hatte Nelson Mandela auch das israelische Besatzungsregime scharf kritisiert." (7)
 
Die schäbige Entschuldigung des Israelis deckt seine Furcht und seine Scham, sich vor der internationalen Öffentlichkeit in Südafrika als Vertreter einer inakzeptablen Diskriminierung gegenüber den Palästinensern präsentieren zu müssen, eine Diskriminierung, die generell anzuklagen und zu verurteilen ist, diese neue Apartheid im 21. Jahrhundert und die wiederholten Verletzungen des internationalen Rechts seitens der Netanjahu-Regierung. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist kein religiöser Konflikt. Er ist von Anfang an die Folge einer willkürlichen Kolonisierung: Ost-Jerusalem und alle anderen palästinensischen Territorien sind seit 1967 von Israel illegal besetzt.
 
Israel verbreitet wie immer die konstruierte Lüge, dass die Welt wieder einmal gegen Israel sei. Allerdings ist das der Beginn des letzten Aktes. Hier wiederholt sich dasselbe Muster, wie es am Ende des Apartheid-Regimes ablief. Die letzte südafrikanische Regierung, die auf Rassentrennung setzte, verschärfte die Repression gegen die Linke und gegen alle, die sich Unrecht nicht mehr gefallen lassen wollten. (PK)
 
(1) "Abschied von Mandela", JW, 11.12.
(2) "Was Obama nicht sagte" von André Scheer, JW, 11.12.
(3) "Abgeschrieben", JW, 10.12.
(4) "Heuchler in Johannesburg" von Antonio Louçâ, Lissabon, JW, 12.12.
(5) Aus dem Artikel "Die Tränen der Krokodile" von Manfred Idler, Wochenzeitung UZ, 13.12.
(6) "Abschied von Mandela" von André Scheer, JW, 11.12.
(7) "Für Netanjahu zu teuer" von Karin Leukefeld, JW, 10.12.
 
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist Juristin und Diplomatin a.D. und lebt seit dem Putsch gegen Chiles Präsident Salvador Allende im deutschen Exil. 


Online-Flyer Nr. 437  vom 18.12.2013



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